Ich und die Meinen

Ich und die Meinen

Herzlich willkommen!

So, das bin ich! Ich bin Kurt Palfi. Ich habe mir gedacht, jetzt muss mal ein neues Foto her. Leider hat Onkelchen ein Nacktfoto von mir hochgeladen. Aber ich sehe doch noch recht proper aus!
Wir (das sind ich, mein missratener Sohn Gianni Dona und Onkelchen, der alles für uns tippt) lästern in diesem Blog über alles, was gerade anfällt: Fußball, Politik, Film und Fernsehen, alles Mögliche. Viel Spaß!

Sonntag, 20. Juni 2010

WM-Blog: Die drei Herbergerschen Axiome

So, wir haben uns jetzt ein wenig ausgesprochen und Onkelchen ist auch wieder fähig, ganze Sätze zu sprechen, ohne ständig in Kassandrarufe ("Wehe!", "Ghana ist das Ende!" etc.) auszubrechen, die das gewisse Vorrunden-Aus der deutschen Nationalmannschaft betreffen. Onkelchen war ja schon drauf und dran, im Internet das Gerücht zu verbreiten, dass die deutsche Mannschaft momentan noch weniger Zuversicht einflößt als die FDP. Ja, ja, so ist Onkelchen eben: Entweder alles oder nichts und immer das Kind mit dem Bade ausschütten. Nicht geändert hat sich allerdings, dass er nach wie vor einen Rochus auf Trainer Jogi Löw hat und im augenblicklichen deutschen Übungsleiter das wichtigste Hindernis im Hinblick auf eine erfolgreiche WM-Kampagne sieht. Hier möchte ich ihm daher Gelegenheit geben, seine Gedanken offenzulegen. Ich möchte allerdings warnen: Es wird sehr theoretisch!

Joachim Löw ist als Trainer ein ausgesprochener Anhänger des Systemgedankens. Er vertraut darauf, dass das von ihm konzipierte Spielsystem der wichtigste Baustein eines möglichen Erfolges bei der WM sein wird. Das Problem ist aber, dass es kein an sich überlegenes Spielsystem gibt - ein 4-3-3 ist nicht unbedingt besser als ein 4-4-2, ein 4-2-4 oder das momentan sehr modische 4-2-3-1. Es kommt nämlich immer darauf an, dass man die Spieler hat, die zu einem Spielsystem passen. Oder besser gesagt: Der Trainer muss seine Spieler, ihre Stärken und Schwächen sehr gut kennen und kann dann daran denken, eine Aufstellung zu finden, in dem sie ihre Vorteile besonders gut zum Tragen bringen können. Das war die Stärke eines Sepp Herberger - ich bin mir nicht sicher, ob dieser Weise des Weltfußballs jemals in Kategorien wie einem Spielsystem gedacht hat. Aber es war ihm immer klar, dass sich ein Spielsystem immer nach den Möglichkeiten der vorhandenen Spieler ausrichten muss und nicht umgekehrt.

Das zeigt sich zum Beispiel daran, dass spätestens seit Klinsmann konsequent in der Nationalmannschaft die Viererkette favorisiert wird. Das ist an sich kein Problem, nur muss man eben auch die Spieler dafür haben! Wenn man einen gelernten Innenverteidiger Badstuber mit Gewalt auf die rechte Außenbahn schiebt, dann kann er dort nicht in vollem Maße den gewünschten Effekt erzielen. Gegen Serbien zog er mehrere Male gegen den pfeilschnellen Krasic auch deshalb den kürzeren, weil es ihm (vielleicht) etwas an der Grundschnelligkeit fehlte. Da muss man sich dann aber fragen, ob eine Viererkette angesichts der vorhandenen Spieler und ihrer Fährigkeiten überhaupt die richtige Lösung darstellt. Warum keine Dreierformation mit Libero? Das darf man ja heute nicht mal mehr denken. Aber wenn einje solche Lösung zu den Spielern passt, sollte man sie in Erwägung ziehen. Löw agiert hier wie ein Dogmatiker und sollte sich da doch das eine oder andere Scheibchen der geistigen Flexibilität des weisen Herberger abschneiden.

Hätte sich Herberger nicht mit Fußball, sondern mit Schach befasst, dann wäre ihm sicherlich der Rang eines "Ewigen Großmeisters" verliehen worden (ich weiß nicht, ob die Schachwelt einen solchen Titel kennt, aber es klingt halt gut). Ihm verdanken wir ja auch die drei Herbergerschen Axiome, in denen alles enthalten ist, was man über Fußball wissen muss.

Das Erste Herbergersche Axiom (EHA): Der Ball ist rund.

Dieses Axiom könnte man auch das Ungewissheits-Axiom nennen: Nichts im Spiel ist gewiss, ziehe keine voreiligen Schlüsse über den Gegner oder wie das Spiel verlaufen könnte. Es kann von Kleinigkeiten abhängen, ob der Spielausgang in die eine oder andere Richtung kippt. Das Axiom warnt Spieler und Trainer davor, irgendetwas als sicher oder gegeben anzunehmen. Auch nicht, dass ein System Sicherheit oder auch nur eine geisse Wahrscheinlichkeit bedeuten könnte, den Spielausgang erfolgreich zu gestalten. Sokrates, ein geistiger Verwandter des Weisen aus Hohensachsen (ich spreche hier von dem Philosophen, nicht von dem gleichfalls von mir hochgeschätzten brasilianischen Fußballer) hätte es so formuliert: "Ich weiß, dass ich nichts weiß." Genau diese Einstellung ist für Spieler und Trainer wichtig: Alles ergibt sich im Spiel und durch das Spiel. Don't take anything for granted, don't make any assumptions, um es mal neudeutsch zu sagen.

Das Zweite Herbergersche Axiom (ZHA): Ein Spiel dauert 90 Minuten.

Das Pendant zur uramerikanischen Weisheit "It ain't over till the fat lady sings" oder auch zu "Es ist erst vorbei, wenn der Schiedsrichter abpfeift". Moderne Entwicklungen haben zwar dazu geführt, dass ein Spiel mitunter erst nach 93 oder 95 Minuten zu Ende sein kann. Aber es gilt nach wie vor: Wenn eine Mannschaft nur eine Halbzeit lang den Torerfolg sucht und die andere Halbzeit nur verteidigt, kann es ins Auge gehen. Es nutzt nichts, nur Kraft für 60 oder 70 Minuten zu haben. Positiv formuliert kann es auch bedeuten: Habe immer das Ganze im Blick, nicht nur einzelne Teile oder Teilaspekte. Gib dich nicht damit zufrieden, zur 80. Minute mit 1:0 oder 2:0 zu führen, viele wichtige Dinge passieren in der Schlussphase, wenn ein Team möglicherweise schon körperlich oder geistig abbaut. In der Derwall- und der Vogts-Ära gab es das des öfteren, dass die deutsche Mannschaft eine Halbzeit lang recht gut spielte, dann aber in der zweiten noch in die Bredouille geriet (man denke an das WM-Vorrundenspiel gegen Südkorea 1994 oder das EM-Gruppenspiel 1980 gegen Holland). Das ZHA ernst zu nehmen, bedeutet, über die gesamte Spieldauer körperlich wie geistig fokussiert zu bleiben. Sonst geht's schief.

Das Dritte Herbergersche Axiom (DHA): Das nächste Spiel ist immer das schwerste.

Das am häufigsten ignorierte Axiom. Wer im letzten Gruppenspiel vorrangig daran denkt, wer der Achtelfinalgegner sein könnte, fällt auf die Nase. Das DHA baut auf dem Ungewssheitsaxiom (dem EHA) auf, denkt es aber noch ein Stück weiter. Denn das DHA völlig zu verstehen, bedeutet, nicht darauf zu bauen, dass das nächste Spiel ähnlich laufen könnte wie das letzte. Spielzüge und Taktiken, die beim letzten Mal noch funktionierten, werden diesmal mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht mehr klappen , weil der Gegner einfach anders spielt oder sich über Scouts oder Videoaufnahmen einfach das eine oder andere abschaut. Das DHA ist dasjenige Axiom, das am stärksten gegen den Gedanken eines Spielsystems spricht. Denn ein Spielsystem setzt voraus, dass viele Grundannahmen oder auch der grundsätzliche Spielaufbau gleich bleiben. Davon kann aber nicht ausgegangen werden. Das DHA rät also, praktisch vor jedem Spiel gewissermaßen tabula rasa zu machen und jede Partie gedanklich neu zu durchdringen. Das ist aber genau Löws Schwäche. Er hängt an seinem Systemgedanken und fällt sehr häufig auf die Nase, wenn der Gegner genau das nicht tut, was er sich vorgestellt hat. Serbien stellte zum Beispiel sehr effektiv die Räume zu und dazu kam noch ein etwas kleinlicher Schiedsrichter, der den Deutschen durch seine Kartenspielerei immer wieder dazwischenfunkte. Es wäre aber falsch, die Schuld beim Schiedsrichter zu suchen. Schlimmer wog Löws geistige Unflexibilität, das Spiel gegen Serbien neu zu denken und die Mannschaft entsprechend einzustellen. Er hängt einfach zu sehr an seinem System! Entsprechend ist gegen Ghana der GAU des Vorrunden-Ausscheidens fast schon sicher.

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