Ich und die Meinen

Ich und die Meinen

Herzlich willkommen!

So, das bin ich! Ich bin Kurt Palfi. Ich habe mir gedacht, jetzt muss mal ein neues Foto her. Leider hat Onkelchen ein Nacktfoto von mir hochgeladen. Aber ich sehe doch noch recht proper aus!
Wir (das sind ich, mein missratener Sohn Gianni Dona und Onkelchen, der alles für uns tippt) lästern in diesem Blog über alles, was gerade anfällt: Fußball, Politik, Film und Fernsehen, alles Mögliche. Viel Spaß!

Sonntag, 19. Dezember 2021

Der merkwürdige Herr Schlachter

 In letzter Zeit wird Onkelchen immer wieder etwas nostalgisch bis melancholisch. Das kann natürlich der trüben Jahreszeit geschuldet sein. Aber es fällt doch auf, dass er sogar wohlwollend Geschichten aus Episoden seines Lebens erzählt, von denen er eigentlich glaubte, dass er sie schon vergessen hätte. So wie die mit dem merkwürdigen Herrn Schlachter.

Rückblende: Onkelchen war gerade mit seinem Studium an einer obskuren bayerischen Kleinstadt-Universität fertig geworden, da zog es ihn zu einer kleinen PR-Agentur nach Köln. Das war seine erste feste Stelle. Die kleine Agentur befand sich in einem renovierten Gutshof in einem geradezu dörflichen Vorort der Rheinmetropole. Onkelchen sah die Stelle nur als Übergang, bis ihm etwas Besseres über den Weg laufen würde - wir alle wissen, dass das bisher nicht der Fall gewesen ist, nicht wahr? 

Die Spezialität dieser PR-Agentur war nun, dass sie Artikel für bestimmte Produkte aus dem Gesundheits- und Wohlfühlbereich - das Wort "Wellness" war noch nicht so geläufig - in Zeitungen und Zeitschriften zu lancieren suchte. Die Firmen, die solche Produkte herstellten, hatten in der Regel keine Lust oder auch nicht das Geld, um teure Anzeigen zu schalten. Stattdessen beauftragten sie die Agentur, Artikel zu schreiben, in denen die Gesundheits- und Wohlfühlprodukte möglichst gut besprochen wurden. Und die Agentur kümmerte sich dann darum, dass diese Artikel auch in den Zeitungen und Zeitschriften erschienen. 

Meist geschah das, indem man die zuständigen Redakteur*innen so lange mit Telefonaten terrorisierte, bis sie schließlich einlenkten. Oder die Mitarbeiter*innen der Agentur schauten gleich mal selbst in den  Redaktionen nach dem Rechten.  Und dann durften sich die Firmen, die neuseeländisches Teebaumöl oder Abführmittel in Tropfenform vertrieben, über kostenlose Werbung freuen - nun, ganz kostenlos war sie nicht, die Firmen hatten ja für die Agentur bezahlt. Aber das war wesentlich billiger, als zum Beispiel in der "Rentner-Bravo", aka Apotheken-Umschau, Anzeigen zu schalten.

Hier kommt nun der merkwürdige Herr Schlachter ins Spiel. Herr Schlachter war Österreicher oder Südtiroler, so genau wusste man das nicht. Auf jeden Fall war Herr Schlachter einer der, sagen wir, farbigeren Kunden der Kölner Agentur. Er vertrat eine Firma, die eine Salbe herstellte, die wahre Wunder gegen Cellulite wirken sollte. Diese Wundersalbe kostete ein kleines Vermögen pro Tube und wurde ausschließlich in Apotheken vertrieben. Herr Schlachter war nun bekannt dafür, die Kolleginnen der Agentur (tatsächlich waren es bis auf die Chefs ausschließlich Frauen) bei ihren Redaktionstouren zu begleiten und die Presseleute zu wahren Gelagen in den besten Restaurants der jeweiligen Stadt einzuladen. Er muss aber auch etwas Gewinnendes an sich gehabt haben, denn die Damen aus der PR-Agentur schwärmten stets von dem Humor und dem (wohl etwas rustikalen) Charme des Herrn Schlachter. Charaktere wie ihn hätte man früher wahrscheinlich als "Lebemann" bezeichnet.

 

So hat sich Onkelchen den merkwürdigen Herrn Schlachter vorgestellt.
 

Nun kam es, dass die Spesenrechnungen der Firma, die jenes Cellulite-Wundermittel herstellte, in den Himmel wuchsen. Andererseits häuften sich aber auch die Veröffentlichungen über die Wundersalbe, die - wie Onkelchen meinte - hauptsächlich aus einer Pampe aus zermahlenen Tannennadeln zu bestehen schien. Immer öfter erschien auch Herr Schlachter selbst in den Zeitschriften für jenes Publikum, das sich hauptsächlich für Klatsch über Prominente, Kreuzworträtsel und Gesundheitstipps interessiert. 

Irgendwann lief der Vertrag der Agentur mit der Wundersalben-Firma aus. Es schien aber sicher zu sein, dass die Firma "im nächsten Jahr oder so" wieder auf eine große Redaktionstour gehen würde. Weitere Gelage bei bester Küche schienen garantiert. Und dann würde vielleicht auch Onkelchen, der zu ahnen begann, dass es mit einer Karriere beim WDR nichts werden würde und deshalb seine Zeit mehr oder weniger mit dem Schreiben von Bewerbungen an obskure Computerzeitungen verbrachte, mit dabei sein dürfen.  

Schließlich schien der Tag gekommen. Herr Schlachter kündigte für den Frühling eine europaweite, nein, weltweite Marketing-Offensive an. Den Anfang sollte ein Presse-Essen im besten Restaurant des Kölner Umlandes machen, in einem Drei-Sterne-Lokal in einem echten Schlosshotel. Onkelchen wurde angewiesen, die Presseeinladung zu verfassen. Mit wohlkingenden Adjektiven gespickt, glitt das Einladungsschreiben aus dem firmeneigenen Drucker (Onkelchens PR-Erfolge waren zwar mehr als überschaubar, aber immerhin hatte er sich insofern unersetzlich gemacht, als er die wacklige IT und die Drucker der Agentur am Laufen hielt, und das war ja auch etwas). 

Die Chefs befanden das Schreiben für gut, und bald sollte die gesamte Journaille zwischen Koblenz und Düsseldorf zu einem Presse-Essen eingeladen werden, das niemand jemals vergessen würde. Als es daran ging, die Einladungen zu verschicken, bemerkte einer der Agentur-Chefs, dass er die Datei nicht finden könne und unter welchem Namen Onkelchen sie denn wohl abgespeichert habe. Onkelchen erwiderte, na, das sei doch wohl völlig klar. Der Dokumentenname lautete "MAMPF.DOC",1 selbstverständlicher könne es doch nicht sein. Onkelchen wusste schon damals, dass es wichtig war, zum Wesentlichen vorzustoßen.

Als nun das Schreiben mit dem Namen "MAMPF.DOC" verschickt wurde, hielt sich die Begeisterung zwischen Koblenz und Düsseldorf in Grenzen. Nur eine Handvoll Presseleute meldeten sich an. Die Agentur war etwas ratlos. So gut konnten die Betriebskantinen der Zeitungsverlage im Rheinland denn nun doch wirklich nicht sein, dass man ein solches Drei-Sterne-Gelage verschmähen würde? Man telefonierte mit der Cellulite-Wunderfirma, und es stellte sich heraus, dass man dort schon seit einiger Zeit nichts mehr von Herrn Schlachter gehört hatte. Er war wie vom Erdboden verschluckt und hatte wohl einen guten Teil der Barschaft mitgehen lassen. Schlimmer noch: Herr Schlachter hieß wohl gar nicht Herr Schlachter, sondern irgendwie anders. 

Also musste das große Presse-Gelage abgesagt werden. Alle, die sich angemeldet hatten, bekamen ein wesentlich knapperes und mit deutlich weniger Adjektiven gespicktes Schreiben.  Dass sich ein paar Tage später dann doch eine Journalistin in das Schlosshotel verirrte, in dem das Gelage stattfinden sollte, gab der kleinen Agentur den Rest. Onkelchen zog von dannen und machte zuerst ein obskures Münchner Privatradio und danach eine noch obskurere Computerzeitschrift unsicher. Ob Herr Schlachter jemals wieder auftauchte, hat Onkelchen nie erfahren.



1 Damals benutzte man noch "Windows 3.11 for Workgroups".