Ich und die Meinen

Ich und die Meinen

Herzlich willkommen!

So, das bin ich! Ich bin Kurt Palfi. Ich habe mir gedacht, jetzt muss mal ein neues Foto her. Leider hat Onkelchen ein Nacktfoto von mir hochgeladen. Aber ich sehe doch noch recht proper aus!
Wir (das sind ich, mein missratener Sohn Gianni Dona und Onkelchen, der alles für uns tippt) lästern in diesem Blog über alles, was gerade anfällt: Fußball, Politik, Film und Fernsehen, alles Mögliche. Viel Spaß!

Montag, 16. Mai 2011

ESC-Nachlese: Wer leckt Lenas Wunden?

Onkelchen, ich hätte nie gedacht, dass ich das jemals erleben würde.

Was denn?

Da findet in Düsseldorf der ESC statt - zum ersten Mal seit 28 Jahren auf deutschem Boden - und du guckst DVDs der "Big Bang Theory".

Ich hatte es ja schon angedeutet - der Grand Prix ist mir nicht mehr so wichtig wie früher. Aber bei der Punktevergabe war ich dann live dabei.

Bei der recht bald klar war, dass es keinen zweiten Sieg für Lena geben würde...

Google hatte sie ja zuletzt doch vorne gesehen. Aber auch die weltgrößte Suchmaschine kann ab und zu irren, nachdem zweimal hintereinander die Google-Prognose richtig war. Aber sowohl Alexander Rybak in 2009 als auch Lena in 2010 lagen so eindeutig vorne und bestimmten so eindeutig die Schlagzeilen, dass sich das natürlich auch in den Suchanfragen bei Google widerspiegelte. Das war diesmal nicht der Fall, das Feld war besser durchmischt. Da zeigt sich halt, dass nach einem bestimmten Künstler im Netz zu suchen, nicht automatisch bedeutet, ihn (oder sie) auch zu wählen.

Wohl wahr. Wie ist denn dieser zehnte Platz für den deutschen Beitrag einzuordnen?

Stell dir mal vor, Bayern München gewinnt in einer Saison die Champions League und scheidet in den darauffolgenden im Achtelfinale aus. Anders als eine "krachende Niederlage" kann man das wohl nicht bezeichnen. Der zehnte Platz ist nichts anderes als eine solche.

Ist das nicht etwas überzogen? Alle haben Lenas Auftritt gelobt...

Das mag ja sein, aber es wird hier mal wieder mit zweierlei Maßstab gemessen. 2003, als Ralph Siegel zum letzten Mal den deutschen Beitrag lieferte, erreichte die Sängerin Lou für Deutschland den elften Platz - bei 26 Teilnehmerländern im Finale, also ein Platz im oberen Mittelfeld. OK? Damals ergoss sich Hohn und Spott über Siegel. Vorgestern erreicht Lena Platz zehn bei 25 Teilnehmerländern, also ebenfalls ein Platz im oberen Mittelfeld. Fast das identische Ergebnis. Und der allgemeine Tenor ist, das sei als Erfolg zu werten. Ich will damit nicht sagen, dass ich Ralph Siegel zurückhaben will, aber da passt was nicht zusammen.

Die deutsche Presse ist über ihre Lena-Infatuation noch nicht hinweg...

Quite obviously. Allerdings gab es in der letzten Woche vor dem Grand Prix auch einiges Lena-Bashing, das ungerechtfertigt war.

Du denkst an das verunglückte Interview von Frank Elstner mit ihr und einige der Reaktionen darauf...

Unter anderem. Ich habe mir Ausschnitte daraus angesehen und fand einerseits, dass sie ziemlich rüde mit dem älteren Herrn umgegangen ist. Dieser Meinung kann man durchaus sein.
Andererseits ist es ja so, dass die meisten Journalisten, die über den ESC berichten, sich nie wirklich mit der Materie beschäftigt haben. Eine Joy Fleming wurde zum Beispiel mal gefragt, warum sie nie am Grand Prix teilgenommen hat. Ehrlich! Und wenn Elstner nun "European Song Contest" sagt - gleich zweimal - und Lena ihn strenge darauf hinweist, das es "Eurovision Song Contest" heißt, dann kann das durchaus der Tatsache geschuldet sein, dass sie es einfach über ist, dass die Journos nichts weiter als kenntnislose Bissigkeit an den Tag legen. Auch Elstners Frage, ob sie denn gerne irgendeines der konkurrierenden Lieder singen würde, war blöd. Zudem hat er eine ganz unangenehme Art, sich beim Interviewpartner anzubiedern. Wenn er zum Beispiel von der "Lenarena" spricht, ist das einfach affig. Das Mädel ist klug genug zu wissen, dass hier ein Hype um sie herum aufgebaut wird, der mit ihr selber nichts zu tun hat. Und das macht sie wieder sympathisch. Auch wenn ich mit ihrer Musik nix anfangen kann.

Bei diesem ESC haben ja wieder die alten Mechanismen gewirkt, das fröhliche Punkte-Zuschieben der osteuropäischen Länder war lebendig wie eh und je.

Das ist zu einfach. Es gibt einige Blöcke, die nebeneinander existieren, und da ist es ganz spannend zu beobachten, wie sie sich bei der Abstimmung verhalten.
  • Da sind zum einen die skandinavischen Länder. Letztes Jahr konnte Lena von den Skandinaviern profitieren, weil es keinen starken Titel aus diesem Raum gab. Diesmal waren dagegen Schweden und Dänemark ähnlich stark. Die baltischen Staaten sind in diesem Zusammenhang ebenfalls interessant, weil sie sich mal eher in Richtung Skandinavien orientieren und mal in Richtung der Nachfolgestaaten der ehemaligen Sowjetunion, da gibt es viele Gemeinsamkeiten.
  • Der zweite Block ist das ehemalige Jugoslawien plus Griechenland und mitunter Rumänien und Bulgarien, davon hat diesmal unter anderem der bosnische Beitrag unglaublich stark profitiert.
  • Selbstredend die Nachfolgestaaten der Sowjetunion. Aber das sind eigentlich zwei Blöcke, nämlich einerseits Russland, Weissrussland, Ukraine plus mitunter den Staaten des Baltikums. Manchmal stimmen auch die Polen, Ungarn und Slowaken gemeinsam mit denen ab. Das wäre Block 3a. Daneben stellen die Kaukausus-Staaten wie Georgien, Aserbaidschan und Armenien einen wichtigen Block 3b, und teilweise bekommen die auch Stimmen von der Türkei, Moldau und Rumänen, mit denen es gewisse Gemeinsamkeiten gibt.
  • Dazu kam diesmal eine ziemlich stark ausgeprägte Südschiene, also die romanischen Länder, die den italienischen Beitrag sehr stark nach vorne gepuscht haben.
Diesmal ist es keinem Beitrag so richtig gelungen, bei mehreren dieser Blöcke nachhaltig Eindruck zu hinterlassen. Deswegen fiel auch der Vorsprung der Aserbaidschaner relativ knapp aus, und die Abstimmung war deshalb auch so spannend. Wenn ein deutscher Beitrag in Zukunft Erfolg haben will, muss er einerseits versuchen, bei den deutschen Nachbarstaaten gut anzukommen und am besten noch in Skandinavien und auf der Südschiene. In den Blöcken 2, 3a und 3b ist dagegen für einen deutschen Interpreten so gut wie nichts zu holen.

Das Rezept für künftige Siege lautet also: Skandinavischer Happy Sound mit südländischem Einschlag?

So könnte man sagen. Oder etwas ganz anderes, eine Newcomerin, die aus dem Nichts kommt, wie eine Madonna von Raffael aussieht und alle Herzen mit ihrer unverfrorenen Naivität (oder naiven Unverfrorenheit?) erobert. Wie letztes Jahr. So etwas gibt es aber nur alle Jubeljahre.

Sonntag, 15. Mai 2011

Die ersten Germanen waren Wirtschaftsflüchtlinge



Ein Referat vom Onkelchen zum Limestor in Rainau-Dalkingen:

Wenn wir uns das Limestor in Dalkingen betrachten, dann müssen wir uns erst einmal überlegen: Warum kamen die Römer hierher und was wollten sie?

Logischer ist ja eigentlich das Gegenteil: Wenn man in Urlaub fährt, geht’s eigentlich in den Süden, wo’s wärmer ist. Und das haben die Germanen zuerst auch gemacht.

Um das Jahr 120 vor Christus – ein paar Jahre hin oder her – ereignete sich an der Nordseeküste ein Tsunami. Den Germanen stand das Wasser bis zum Hals und als Wirtschaftsflüchtlinge suchten sie sich einen Platz, wo sie zumindest trockene Füße kriegten. Und ein bisschen wärmer sollte es auch sein. Also zogen drei germanische Stämme, die Kimbern, die Teutonen und die Ambronen nach Süden. Und damit traten die Germanen das erste Mal in die Geschichte.

So richtig war man sich aber nicht einig, wohin man ziehen wollte, und so begann der Föderalismus.

Irgendwann um das Jahr 113 vor Christus tauchte man dann in der Gegend von Österreich auf und traf dabei auf einen Haufen Römer, der sich zur selben Zeit in der gleichen Gegend herumdrückte. Bei Noreia kam es dann zu einer schicksalhaften Begegnung. Die Römer bekamen es zum ersten Mal mit dem sogenannten Furor teutonicus zu tun, der Wut der Teutonen.

Man muss sich das folgendermaßen vorstellen: Riesenhafte Weiber mit einem Kubikmeter Busen, denen Hörner aus dem Kopf wuchsen, stürzten sich auf die Römer, und sangen dabei ohrenbetäubende Wagner-Arien. Hojotoho – hojotoho. Kein Wunder, dass die Römer die Flucht ergriffen!

Dasselbe wiederholte sich ein paar Jahre später bei Arausio, dem heutigen Orange in Südfrankreich. Die germanischen Weiber waren für die Römer ein fast genau so großer Schock wie hundert Jahre zuvor die Elefanten von Hannibal. Man wusste nicht, wie man sich dagegen wehren sollte und begann schon mal zu packen.

Der römische Senat tat daraufhin etwas, was er nur sehr ungern tat. Er ließ es zu, dass ein gewisser Gaius Marius, ein Nichtadliger noch dazu, das Oberkommando über die Armee bekam. Marius tat dabei etwas sehr Entscheidendes: Er verwandelte das römische Heer in eine Berufsarmee. Er war also so etwas wie der Guttenberg im alten Rom, allerdings war er ein Mann aus dem Volk, und mit dem Lesen und Schreiben haperte es bei ihm zeitlebens, weswegen er auch nicht in den Verdacht kam, seine Doktorarbeit abgeschrieben zu haben.

Marius legte Ohrenschützer an und deshalb gelang es ihm, die Germanen in zwei entscheidenden Schlachten zu schlagen, einmal in Südfrankreich und einmal in Norditalien. Die Stämme hatten sich aufgeteilt, denn die einen wollten sich an der Cote d’Azur niederlassen und im Casino von Monaco ein bisschen Roulette spielen, die anderen waren auf dem Weg in die Toskana.

Das waren die Sozialdemokraten und Grünen.

Die Römer hatten aber ihren Schock fürs Leben weg und gerieten von nun an immer wieder ins Zittern, wenn von den Germanen die Rede war.

Deswegen hatte auch Julius Cäsar 50 Jahre später vollstes Verständnis beim Senat, als er zum Zwecke der Grenzsicherung Gallien eroberte.

Freitag, 13. Mai 2011

Gewinnt Lena wieder? Grand-Prix- äääh, ESC-Reminiszenzen

Du, Onkelchen?

Hmmm?

Bist du krank?

Wieso das denn?

In deinem letzten Blogbeitrag hast Du erwähnt, der ESC würde dich nicht mehr interessieren, seit Du die „Big Bang Theory“ kennst. Das spricht für ein ernstes Problem.

Nein, nein, Palfi, alles in Ordnung. Aber es ist halt so, dass man sich als Person weiterentwickelt. Schnödes Trallalla aus 25 Ländern ist eben nicht das Wichtigste in meinem Leben.

Blödsinn! Ausgerechnet der Grand-Prix-Experte mit dem enzyklopädischen Wissen sollte sich auf einmal nicht mehr für den ESC interessieren? Erzähl das jemand anderem.

Ist nun mal so.

Akzeptiert. Gewinnt Lena am Samstag wieder?

Hä?

Ich habe dir eine Frage gestellt. Gewinnt Lena wieder? Welchen Teil davon verstehst du nicht?

Das ist sehr schwer zu beantworten. Es wäre auf jeden Fall ein Novum, wenn die Vorjahressiegerin ihren Erfolg wiederholen kann. Das hat es bisher noch nie gegeben. Das heißt nicht, dass es ausgeschlossen ist.

Das ist eine sehr schwammige Prognose. Google hat gesagt, dass sie es wieder schafft. Und Google hatte schon die letzten beiden Male recht.

Das Prognose-Tool von Google sagt alle fünf Minuten etwas anderes. Zum Zeitpunkt, da wir dieses Interview führen, liegt Lena laut Google auf Platz zwei hinter dem irischen Duo Jedward. Zudem wurden momentan die Teilnehmer noch nicht herausgerechnet, die nach dem ersten Halbfinale ausgeschieden sind. Ich denke, dass erst nach dem zweiten Halbfinale eine stabile Prognose möglich ist. Erst dann weiß man ja, wer wirklich im Finale dabei ist. Ich vermute auf jeden Fall, dass wieder ein katalanischer Flitzer um die Arena herumschleicht, um wie letztes Jahr in den spanischen Beitrag hineinplatzen zu können. Vielleicht hat er sich diesmal aber auch Lena als Opfer rausgesucht…

Du meinst Jaume Marquet alias Jimmy Jump, den Mann, für den es keine verschlossenen Türen gibt und der beinahe sogar letztes Jahr beim WM-Finale dem Pokal eine rote Mütze aufgesetzt hätte.

Ja. Wäre doch lustig, wenn er wieder auftaucht. Er hüpfte ja auch beim Champions-League-Rückspiel von Barcelona gegen Madrid durchs Bild.

Du bist albern. Der ESC ist eine sehr ernste Sache.

Nur für die beteiligten Sendeanstalten.

Du warst doch mal als Jurymitglied dabei. Erzähl mal, wie das so war.

Stimmt, das war 1993. Damals fand der Grand Prix in dem irischen Kuhnest Millstreet statt, in dem es eine riesige Pferdeauktionshalle gab. Diese Halle war der Austragungsort. Damals gab es das Televoting noch nicht, und jedes Land vergab seine Punkte mit Hilfe einer Jury. Für den Eurovision Song Contest war damals der Mitteldeutsche Rundfunk innerhalb der ARD federführend, und deshalb traf sich die Jury im MDR-Funkhaus in Leipzig. Die Jury bestand aus 24 Mitgliedern, zwölf davon waren sogenannte Fachleute – also angeblich Musikjournalisten, Produzenten, Komponisten – und zwölf waren musikinteressierte Laien. Man versuchte innerhalb der Jury auch so ein bisschen den Proporz zwischen Männern und Frauen, den Altersaufbau der Bevölkerung und das Ost-West-Gleichgewicht abzubilden. Ich fuhr also mit meinem Ford Fiesta zum ersten Mal in die frühere DDR und war gespannt wie ein Flitzbogen, was mich da erwarten würde.

Wie kamst du zu der Jury?

Ich studierte damals in Eichstätt, und Conny, eine Mitstudentin aus den neuen Ländern, arbeitete damals schon in der Unterhaltungsredaktion des MDR. Sie fragte unter uns herum, wer Interesse hätte, bei der Grand-Prix-Jury mitzumachen, und ich sagte sofort Ja. Ich habe schließlich den Grand Prix seit 1977 ununterbrochen verfolgt. 1978 durfte ich zum ersten Mal die ganze Sendung einschließlich der Abstimmung angucken. 1977 musste ich nach den Liedern noch ins Bett!

Aha. Wer gewann damals?

1977 war das Marie Myriam für Frankreich mit dem Lied „L’oiseau et l’enfant“. 1978 gewann sensationell Israel mit dem Lied „A-Ba-Ni-Bi“ von Izhar Cohen.

Du musstest das nicht mal googeln…

Nein, sowas muss ich nicht googeln.

Und wer nahm damals für Deutschland teil?

1977 war das Silver Convention mit dem Lied „Telegram“. 1978 vertrat Ireen Sheer mit „Feuer“ die deutschen Farben. Silver Convention landete auf Platz 8, Ireen Sheer auf Platz 6.

Das war der Beginn einer interessanten Serie.

Ja, denn die deutschen Beiträge verbesserten sich damals immer um jeweils zwei Plätze. 1979 landete Dschinghis Khan dann bereits auf Platz vier und 1980 erreichte Katja Ebstein mit „Theater“ sogar den zweiten Platz. Dann dachte ich, es geht wieder runter, aber Lena Valaitis holte 1981 in Dublin erneut Platz zwei, und 1982 siegte dann Nicole in Harrogate.

Faszinierend. Aber erzähl weiter: Wie war das 1993 in Leipzig?

Das war für mich zunächst ein richtiges Abenteuer, weil ich zuvor noch nie in der Ex-DDR gewesen war. Als ich dann in Leipzig beim MDR-Studio ankam, traute ich auch meinen Augen nicht so richtig, weil es in einem ziemlich unauffälligen Gebäude untergebracht war. Ich hatte eher einen pompösen Palast erwartet! Die Leute dort aber waren alle sehr freundlich. Ich war am frühen Morgen aufgebrochen und kam am späten Vormittag an, es gab eine Vorstellungsrunde und dann Mittagessen. Und am Nachmittag wurde es schon spannend.

Warum?

Weil wir die Generalprobe aus Millstreet verfolgten. Die fand am Nachmittag statt, wurde exklusiv übertragen, und an die Generalprobe schloss sich sogar eine Probeabstimmung an.

Das heißt, ihr wusstet am Nachmittag schon, wer gewinnt?

Nein! Für die Probeabstimmung wurden bei den Jurys Stimmzettel mit vorgedruckten Punktewertungen verwendet. Das System war so ausgeklügelt, dass jedes Land am Ende der Abstimmung gleich viele Punkte bekam. Daher ließ sich daraus kein Trend ablesen. Aber bei der Generalprobe kristallisierten sich natürlich schon die Favoriten heraus. Da machte jedes Jurymitglied schon so seine Häkchen bei den Nummern, die ihm oder ihr am besten gefielen.

Das heißt, die Performances bei der Generalprobe waren schon vorentscheidend?

Ja, da trennte sich schon die Spreu vom Weizen. Bei mir zumindest war das so. Ich hatte da so meine vier, fünf Favoriten und auf die anderen guckte ich dann bei der Hauptsendung eigentlich gar nicht mehr. Man hätte sich dann noch die einzelnen Lieder auf Band anhören können. Aber das war mir zuviel. Denn man hatte eigentlich nicht viel Zeit. Nach der Generalprobe machte man noch einen Spaziergang durch Leipzig, man setzte sich in ein Café, und als man dann ins Funkhaus zurückkehrte, war es eigentlich schon fast so weit für die Hauptsendung.

Was war dein persönlicher Favorit?

Israel. Gewonnen hat dann allerdings Irland.

Beim ersten Halbfinale in Düsseldorf haben sich die Deutschen ja nicht gerade mit Ruhm bekleckert, da minutenlang der Kommentar- Ton ausfiel. Gab es damals auch so ein paar Dinge, die schiefliefen?

Ich weiß noch, dass der Sprecher der maltesischen Jury bei der Generalprobe nicht zu erreichen war. Als er sich dann meldete, klang er ziemlich weggetreten. Bei der Hauptsendung am Abend gab es dann dasselbe Problem, es meldete sich zuerst niemand. Deshalb wurde Malta bei der Abstimmung am Abend übergangen und durfte erst als letztes Teilnehmerland voten. Sonst stimmten die Jurys ja immer in der Reihenfolge der Auftritte ab.

Gab es einen Gänsehaut-Moment?

Ja, als sich nämlich die bosnische Jury aus Sarajevo mit ihren Punkten meldete. Damals tobte ja noch der Bosnien-Krieg. Bei der Generalprobe hatte es da noch Tonprobleme gegeben. Aber bei der eigentlichen Show waren sie dann da!

Die Moderatorin war damals…

…Fionnuala Sweeney. Heute ist sie beim Nachrichtensender CNN, also auch eine News-Frau wie Judith Rakers. Aber die Sweeney gefällt mir nach wie vor besser, weil sie halt ein molliger Typ ist. Und wahrscheinlich auch trinkfest.

Was hast Du dir gedacht, als wieder Irland gewonnen hatte? Die hatten damals ja einen richtigen Lauf und gewannen dreimal hintereinander – 1992, 1993 und 1994. Ein Kunststück, das bisher einmalig ist.

Naja, ich fand das Lied „In your eyes“ von Niamh Kavanagh eigentlich gar nicht so gut! Ich hatte sie nicht auf der Rechnung. Es war halt aus meiner Sicht eine typische 08/15-Grand-Prix-Ballade.

Und der deutsche Beitrag?

Das war damals „Viel zu weit“ von der Münchner Freiheit. Total nichtssagend. Aus heutiger Sicht muss ich sagen, dass er zurecht unterging. Damals empfand ich das aber noch anders. Ich war richtig enttäuscht, dass unsere Nummer nicht besser abgeschnitten hatte.

OK. Wird Lena besser abschneiden als die Münchner Freiheit damals?

Das will ich doch hoffen! Ich denke aber, dass es für einen Platz ganz vorne nicht reichen wird. Vor einem Jahr war sie einfach das freche, verpeilte Mädchen aus Hannover, zu dem der Titel „Satellite“ wie angegossen passte. Diesmal ist es anders, diesmal macht sie eher auf ein Zwischending aus Gothic und Vamp, keine Ahnung, ob sie damit ankommt. Außerdem ist „Taken by a stranger“ eher eine langsame Nummer. Das ist ja an sich nicht schlecht, langsame Balladen haben schon oft abgeräumt. Aber das ist jetzt ein Elektropop-Titel, auch noch eher düster – schwer zu sagen. Mein Favorit ist bisher der kleine Finne mit seiner Gitarre.

Welchem Lied würdest Du diesmal persönlich zwölf Punkte geben?

Schwierig. So richtig sagt mir keines zu. Letztes Jahr war aus meiner Sicht ein besseres Grand-Prix-jahr, diesmal scheint mir sehr viel über optische Effekte zu laufen, man sieht es zum Beispiel an dem irischen Duo Jedward. Die sind nicht schlecht, keine Frage. Aber ihr Song... hm.

Was wäre für Dich der ideale Grand-Prix-Song?

Keine Frage: "A Demon's Fate" von der niederländischen Symphonic-Metal-Gruppe Within Temptation. Da bebt die Halle! Oder "You can be my Yoko Ono" von den Barenaked Ladies. Das ist eine super-lustige Nummer!

Mittwoch, 11. Mai 2011

Schon wieder ESC? Bazinga!

Hach, was war es in früheren Jahren eine Freude, den Grand Prix (also known as Eurovision Song Contest) zu gucken. Merkwürdige Kleider, trashige Lieder, obskure Auftritte, aber auch – und das muss gesagt werden – das eine oder andere echte anbetungswürdige Highlight (ich erinnere nur an den Auftritt der Malteserin Ira Losco 2002 mit „7th Wonder“ oder ihrer Landsfrau Chiara mit „Angel“ in 2005) ließen die Show zu einem Pflichttermin im öden Jahreslauf werden. Blöderweise will sich dieses Gefühl dieses Jahr bei mir nicht einstellen. Liegt es nur daran, dass meine berufliche Situation derzeit sehr angespannt ist? Vermutlich nein, denn es gab ähnlich angespannte Zeiten, in denen ich gerne den Grand Prix geguckt habe, um in eine sehr künstliche Traumwelt zu entschweben.

Ich habe einen sehr konkreten Verdacht, woran es liegt: An Sheldon und seinen Freunden. Das erste Indiz dafür ist, dass mir gestern bei der Ausstrahlung des ersten ESC-Halbfinals auf Pro Sieben der Gedanke kam: „Und dafür haben die die ‚Big Bang Theory‘ aus dem Programm geschmissen?“ (Experten des unvorhersehbaren Programmschemas bei Pro Sieben wissen, dass die „Big Bang Theory“ in der Regel dienstags um 22.10 Uhr ausgestrahlt wird.) Den Fernseh-Heinis möchte ich daher zurufen: Das gestrige eher schwach besetzte erste ESC-Halbfinale konnte ein gut gesetztes „Bazinga!“ nicht ersetzen, obwohl die von mir mit Inbrunst gehasste Anke Engelke die Show gut moderiert hat. Allerdings erschloss es sich mir nicht, warum sie bei der Verkündung der letzten drei Finalisten deutlich weniger Enthusiasmus an den Tag legte als bei den ersten sieben. Dieses Rätsel muss gelöst werden. Trotzdem möchte ich festhalten: Trotz schwacher Synchronisation hat die „Big Bang Theory“ in meinem Fernseh-Zeithaushalt den ESC klar geschlagen. Das muss erst einmal einer hinkriegen. Bazinga!

Andererseits denke ich mir, könnte das eine oder andere Element aus der BBT den ESC auch aufpeppen. Ich denke an so etwas wie die ungeliebte Pflicht, die es früher beim Eiskunstlauf gab. Das war ein Wettbewerbsbestandteil, bei dem die Eisläufer praktisch unter Ausschluss der Öffentlichkeit beweisen mussten, dass sie präzise Kringel und Achten auf dem Eis hinlegen konnten. Die Pflicht war berüchtigt dafür, dass selbst elegante und charismatische Eisprinzessinnen ihre Titelträume früh beerdigen mussten, wenn zum Beispiel in der Pflicht das links einwärts gedrehte S unsauber gelaufen wurde. Ähnliches stelle ich mir beim Grand Prix vor: Als unabdingbare Vorqualifikation muss jede/r teilnehmende Künstler/in das berühmte Schlaflied „Soft Kitty“ aus „Big Bang Theory“ fehlerfrei singen. Und zwar mit eben jenem schmalzigen Schleifen bei der Silbe „Soft“, das Jim Parsons alias Sheldon an den Tag legt. Gelingt das nicht, scheidet der Teilnehmer von vornherein aus und man kann sich diese doofen Halbfinals sparen. Leider würde auch Lena (wahrscheinlich) an dieser für ihr Stimmchen (wahrscheinlich) unüberbrückbaren Hürde scheitern. Aber: That’s Life! Bazinga!