Ich und die Meinen

Ich und die Meinen

Herzlich willkommen!

So, das bin ich! Ich bin Kurt Palfi. Ich habe mir gedacht, jetzt muss mal ein neues Foto her. Leider hat Onkelchen ein Nacktfoto von mir hochgeladen. Aber ich sehe doch noch recht proper aus!
Wir (das sind ich, mein missratener Sohn Gianni Dona und Onkelchen, der alles für uns tippt) lästern in diesem Blog über alles, was gerade anfällt: Fußball, Politik, Film und Fernsehen, alles Mögliche. Viel Spaß!

Sonntag, 29. August 2010

München ist Mist! Eine Polemik gegen Deutschlands überschätzteste Stadt

Aufgrund der beruflichen Situation von Onkelchen sitzt unsere Elefanten-WG derzeit in München fest. Doch keine deutsche Stadt hat in den letzten Jahren so sehr den Anschluss an den Zeitgeist verloren wie die früher so stolze "heimliche Hauptstadt Deutschlands". Ein Krisenbericht von Onkelchen.

Zugegeben, es gibt noch einige Dinge, die in München richtig gut laufen. Der FC Bayern zum Beispiel. Ich bin zwar kein Bayern-Fan, aber man muss doch zugeben, dass der FC Bayern, nicht zuletzt in der abgelaufenen Saison, mehr denn je das Herz des deutschan Fußballs bildet. Auch wenn die Bayern am Freitag gegen Lautern verloren haben, wird ihnen wahrscheinlich der Meistertitel in dieser Saison nicht zu nehmen sein.
Auch von den öffentlichen Verkehrsmitteln in München können sich viele deutsche Städte eine Scheibe abschneiden. OK, ab und an fällt mal eine S-Bahn aus, aber verglichen mit den Zuständen in Berlin funktioniert der öffentliche Nahverkehr in Bayerns Metropole prächtig.

Auf fast allen anderen Gebieten sackt München aber ab, nur will es keiner so recht merken. Das beginnt mit dem eingangs genannten Gerede von Deutschlands heimlicher Hauptstadt: Es stimmt einfach nicht mehr. In der alten Bundesrepublik war Bonn lediglich das Verwaltungszentrum, die wichtigen Trends in Kultur, Mode und Medien wurden aber woanders kreiert, und da spielte vor allem München eine wichtige Rolle. Zudem wurde in den Kohl-Jahren, nicht zuletzt in der Ära des Franz Josef Strauß, ein guter Teil der Bundespolitik in München ausgeheckt. Beides gehört aber immer mehr zur glorifizierten Vergangenheit: Berlin ist auch kulturell die Kapitale der Republik, jeden Tag ein Stückchen mehr. Und die CSU verblasst zu einem kuriosen Regionalverband einer schwächelnden Volkspartei. Willkommen in der Normalität!

Natürlich weist München immer noch die höchsten Mieten und Lebenshaltungskosten in Deutschland auf, aber der Gegenwert dafür nimmt ab. Wirtschaftlich mögen die Münchner zwar immer noch gut dastehen, aber das Image, die Hightech- und Medienmetropole des Landes zu sein, blättert zusehends ab. Die Losung von "Laptop und Lederhose" ist schon 15 Jahre alt, und das Schlimmste: Man merkt es. Viele der einstmals stolzen Bürobauten, die Hightech-Startups mit klingenden Namen beherbergten, stehen leer. Es gibt zwar immer noch Siemens und Microsoft und Oracle, und das mag vieles übertünchen. Doch die Entwicklungsarbeit, die eigentliche Innovation, findet schon längst woanders statt, in Osteuropa, in China, in Indien. Es ist nur noch eine Frage der Zeit, wann diese Entwicklung München mit voller Wucht treffen wird.

Zudem befindet sich die Medienstadt München seit einigen Jahren in einer sich immer schneller drehenden Abwärtsspirale. Beispielhaft dafür steht der "Focus", einst als Gegenmodell zum "Spiegel" gegründet. Die Auflage und die Werbeumsätze befinden sich im Sinkflug. Die Redaktion wird ausgedünnt, und der eine oder andere einst üppig entlohnte Journalist merkt nun, wie es ist, im Arbeitsamt in der Schlange zu stehen. Vielleicht hätte der oder die eine oder andere nicht so leichten Herzens das Hohe Lied des Wirtschaftsliberalismus gesungen, wenn er/sie geahnt hätte, wie schnell einen auch die Schattenseiten des Laissez-Faire-Kapitalismus einholen können. Und auch insgesamt weist die in den Neunzigern blühende Medienlandschaft immer mehr hässliche Brandlöcher auf: Die einst stolze "Süddeutsche Zeitung" ist ein Schatten ihrer selbst und bietet außerhalb des Politik- und Sportteils nur mehr das Niveau einer (nicht sehr guten) Schülerzeitung; was die Berichterstattung aus den Stadtteilen betrifft, sind zum Teil die am Wochenende kostenlos im Briefkasten liegenden Anzeigenblätter besser. Die einst stolze IT-Fachpresse befindet sich im freien Fall. Und die Privatradios, die ihre beste Zeit schon lange hinter sich haben, senden nur noch Brei, eine Entwicklung, der sich der Bayerische Rundfunk freudig anschließt.

Kulturell fliegt München seit dem Tod von August Everding, dem einstmals so umtriebigen General-Impresario des Münchner Staatstheaters, auf Autopilot. So wie es aussieht, wird man Kent Nagano, den Generalmusikdirektor der Münchner Oper, nicht mehr allzu lange halten können bzw. wollen. Schade, denn der Amerikaner mit japanischen Wurzeln verhinderte in den letzten Jahren mit einigem Erfolg, dass die Münchner Klassizszene zu sehr im eigenen Saft schmorte und ins Provinzielle abrutschte. Aber dem Münchner Opernpublikum reicht es ja, wenn die Netrebko zweimal im Jahr in der Stadt ist, um Schuhe zu kaufen.

Man muss auch konstatieren, dass München die Rolle von Deutschland wichtigster und einflussreichster Filmstadt an Berlin verloren hat. Mit der Berlinale findet das meistbeachtete Filfestival der Nation, wie der Name schon sagt, in Berlin statt, und auch die interessanteren Produktionen finden immer häufiger den Weg an die Spree. München lebt da immer noch vom schalen Glanz der Achtziger und davon, dass irgendwann mal die "Unendliche Geschichte" in der Bavaria gedreht wurde. Der Glücksdrache Fuchur, einstmals das Highlight jeder Bavaria-Tour, staubt immer mehr ein, und als ich vor kurzem beim Zappen gewahrte, dass die "Unendliche Geschichte" mal wieder im TV wiederholt wurde, fragte ich mich, warum dieser Mist (ich rede vom Film, nicht vom Buch) damals so hochgejubelt wurde. Man muss leider konstatieren, dass der damals teuerste deutsche Film heute einfach alt aussieht (Der innovativste deutsche Regisseur, Roland Emmerich, wurde ja bekanntermaßen an der Münchner Filmhochscule verkannt und dreht heute in den USA Blockbuster um Blockbuster!).

München galt auch mal als die sicherste deutsche Großstadt. Rein statistisch gesehen mag das heute noch stimmen. Nur muss sich die Stadt spätestens seit dem Fall Dominik Brunner eingestehen, dass auch sie ein Gewaltproblem gibt. Ein böser Kratzer im Lack der angeblich so hohen Münchner Lebensqualität. Auch das Aushängeschild der hochgelobten Münchner Gemütlichkeit, das Oktoberfest, baut immer mehr ab. Aus eigener Erfahrung kann ich sagen: Gemütlich ist woanders. Familienfreundlich ist es wegen der hohen Preise schon lange nicht mehr. Die Gewaltbereitschaft der alkoholisierten Festbesucher steigt von Jahr zu Jahr (wer's nicht glaubt, frage einen der Münchner Taxifahrer), und außerdem ist die Wies'n seit Jahren nur noch ein Treffpunkt für Touristen und Zugereiste (die sich dafür aber in teuren Trachtenklamotten verkleiden und sich am Tag nach dem Wies'n-Besuch fragen, wie man bloß die Kotze wieder abkriegt).

Nicht zuletzt gibt es das typische Münchner Lokalkolorit nicht mehr - es ist wohl spätestens mit dem Mosi-Mord gestorben. Ralph Siegel ist todkrank und wird keinen Grand-Prix-Siegertitel mehr schreiben. Sedlmayr ist schon lange tot. und das Pumuckl sucht vergeblich nach seinem Meister Eder. Alles und alle, was München vor Jahren noch hip, cool, gemütlich, lebens- und vielleicht liebenswert gemacht hat, ist entweder gestorben oder hat seine Zelte abgebrochen. Das Schlimme ist, dass München das alles (hip, cool, gemütlich, lebensa- und liebenswert) nach wie vor sein will, aber eben nicht mehr ist. Und es ist diese Diskrepanz zwischen selbstgestelltem Anspruch und Wirklichkeit, die München besonders unsympathisch macht.

Fassen wir zusammen: München ist die Wiedervereinigungs-Verliererin unter den deutschen Großstädten. Nur ein Flächenbombardement kann daran etwas ändern.