Ich und die Meinen

Ich und die Meinen

Herzlich willkommen!

So, das bin ich! Ich bin Kurt Palfi. Ich habe mir gedacht, jetzt muss mal ein neues Foto her. Leider hat Onkelchen ein Nacktfoto von mir hochgeladen. Aber ich sehe doch noch recht proper aus!
Wir (das sind ich, mein missratener Sohn Gianni Dona und Onkelchen, der alles für uns tippt) lästern in diesem Blog über alles, was gerade anfällt: Fußball, Politik, Film und Fernsehen, alles Mögliche. Viel Spaß!

Sonntag, 28. Februar 2010

Goodbye Vancouver - München 2018: no Chance!

Als großer Kanada-Fan hat Onkelchen die olympischen Winterspiele in Vancouver und Whistler natürlich besonders aufmerksam verfolgt. Schließlich ist er ja zusammen mit Tante Dilein schon vor zehn Jahren dort unterwegs gewesen, wo in den letzten beiden Wochen olympische Medaillen im Skifahren vergeben wurden. Meine Favoritin ist Deutschlands bestes Flintenweib Magdalena Neuner - für mich war sie der absolute Star der Spiele, da kann auch eine Maria Riesch nicht gleichziehen.

Maddy Neuner ist für mich die absolut Größte, nicht nur wegen ihrer unglaublichen Energie in der Loipe und ihrer Kaltblütigkeit beim Schießen, sondern weil sie immer so sympathisch und natürlich rüberkommt. Ich hoffe nur, dass Maddy nie auf die Idee kommt, Großwild und besonders Elefanten zu jagen - da hätte unsereins keine Chance.

Am Ende von Olympischen Spielen wandert der Blick natürlich immer wieder nach vorne, auf die nächsten Spiele. Sotschi wird heute während der Schlussfeier bereits seine Visitenkarte abgeben, und danach? Winter-Olympia 2018 in Deutschland, in München? Onkelchen meint nein, und er hat gute Gründe dafür.

Die deutschen Olympiabewerbungen nach 1972 waren ja allesamt qualifizierte Griffe ins Klo. 1992 scheiterte Berchtesgaden mit seiner Winterbewerbung. Das Konzept war zwar ganz ähnlich wie das von Albertville, wo 1992 die Spiele ja auch tatsächlich ausgetragen wurden. Aber es ist doch klar, dass keiner wirklich Lust auf Olympia unterm Obersalzberg hatte. Insofern war das Scheitern von Berchtesgaden im ersten Wahlgang vorauszusehen gewesen.

Die Bewerbung von Berlin 2000 war von einem unglaublichen Dilettantismus geprägt. IOC-Mitglieder, die sich in der Stadt aufhielten, erhielten teure Geschenke, bei einer Gelegenheit sollen sogar die Berliner Philharmoniker aufgespielt haben, während die Herren Sportoberen beim Frühstück saßen. Der Geschäftsführer der Olympiabewerbung Axel Nawrocki wurde späterhin Chef der Berliner S-Bahn. Zudem gab es eine lautstarke Gruppe von Olympiagegnern, und wahrscheinlich hatten auch wiederum nur wenige Chef-Olympier Lust auf Spiele im Adolfs altem Olympiastadion. Also auch hier ein Flop mit Ansage.

Das gilt auch für die Bewerbung von Leipzig für die Spiele 2012. Die sächsische Heldenstadt schaffte es nicht einmal, in die Endauswahl aufgenommen zu werden. Das hätte man vorher wissen können, denn es gibt ja einen Anforderungskatalog des IOC. Eine IOC-Faustregel lautet, dass in der Regel nur Städte ab einer Größe von 1,5 Millionen Einwohnern über die nötige Infrastruktur für Sommerspiele verfügen. Leipzig ist da mit etwa 500 000 Einwohnern ein bisschen zu klein. Aber wie gesagt, das hätte man vorher wissen können.

Ein Flop mit Ansage steht auch für München 2018 zu erwarten. Denn der Name München ist leider in der olympischen Geschichte auf ewig mit dem Olympia-Attentat auf die israelischen Sportler und dem anschließenden dilettantischen und deswegen auch desaströs gescheiterten Rettungsversuch verbunden. Wenn München allen Ernstes damit wirbt, die erste Stadt sein zu wollen, die sowohl Sommer- als auch Winterspiele austrägt, dann wird eben auch diese Erinnerung wieder aufgerührt - ein nicht zu unterschätzendes Handicap. Außerdem kann niemand voraussehen, wie die Auswirkungen des Klimawandels bis 2018 aussehen werden. München verspricht zwar grüne, weil umweltfreundliche Spiele - aber die Gefahr dräut, dass wir grüne Hügel und Matsch statt Schnee und Eis erleben werden.

Auch gegen München 2018 formiert sich inzwischen Widerstand, der sich nicht zuletzt daraus speist, dass in Oberammergau Einrichtungen für Langlauf und Biathlon gebaut werden sollen, obwohl Ruhpolding bereits für die Biathlon-WM 2012 modernste Sportanlagen bekommt. Aber München möchte halt die Zahl der olympischen Standorte möglichst eng begrenzen, ähnlich wie bei den zurückliegenden Spielen in Vancouver. Bei den Spielen in Albertville und Turin hatte sich die Kritik daran entzündet, dass die Wettkämpfe auf zu viele Orte verteilt waren und deshalb keine rechte Stimmung aufkam.

Die deutschen Olympiabewerbungen waren außerdem seit 1972 davon geprägt, dass sich die deutschen Olympier nach dem (vorhersehbaren) Scheitern jeweils beleidigt in ihr Schneckenhaus zurückzogen, anstatt aus den Fehlschlägen zu lernen und für die nächste Ausschreibung ein verbessertes Konzept vorzulegen. Der südkoreanische Bewerber Pyeongchang hat nun zum Beispiel schon für 2018 den dritten Anlauf unternommen, nachdem man mit den Bewerbungen für 2010 und 2014 gescheitert war. Dieses Nicht-Aufgeben ist bemerkenswert, inzwischen haben die Koreaner auch mit der Austragung von Winter-Wettbewerben Erfahrung gesammelt und irgendwann wird es klappen! Wahrscheinlich für die Spiele von 2018. Etwas mehr Durchhaltevermögen würde den Deutschen bei ihren Olympia-Bewerbungen daher nicht schlecht anstehen.

Ein weiterer Umstand, der bei deutschen Olympiabewerbungen stets ignoriert wurde, ist: Winterspiele werden häufig als Trostpreis für eine Nation vergeben, die zuvor mit einer Sommerspiele-Bewerbung gescheitert sind.
Ein paar Beispiele gefällig? Italien unterlag mit der Bewerbung von Rom für die Spiele von 2004 gegenüber dem späteren Austragungsort Athen. Italien bekam aber die Winterspiele 2006 in Turin.
Die kanadische Bewerberstadt Toronto musste sich bei der Ausschreibung für die Spiele 2008 Peking geschlagen geben. Die Winterspiele 2010 gingen - wie bekannt - nach Vancouver. Eine erfolgversprechende Strategie für die deutschen Olympier wäre daher, eine Sommerspielebewerbung auf den Weg zu bringen und auch eine Winterspiele-Bewerbung in der Hinterhand zu haben. Dass sich diese Strategie auszahlt, scheint bis zum DOSB noch nicht durchgedrungen zu sein. Mit hoher Wahrscheinlichkeit gehen die Winterspiele 2018 also nach Korea - und wie lang bleiben die deutschen Olympier dann im Schmollwinkel?

Meine Prognose für Olympia in Deutschland lautet daher: Nicht mehr in diesem Leben. Und wir Elefanten sind langlebig...

Sonntag, 14. Februar 2010

Adel verpflichtet!

Onkelchen kramt wieder in seinen Studienerinnerungen. Diesmal will er's aber selber erzählen.
Eine der merkwürdigsten Bekanntschaften, die ich während meines Studiums in Eichstätt machte, war Liv. Sie war die erste waschechte Adelige, die ich - naja, mehr oder weniger - kennenlernte. Liv verbrachte nämlich nur ein Semester in der Eichstätter Journalistik und ward danach nie wieder gesehen. Und während dieses Semesters hatte ich auch nur dreimal die Gelegenheit, mit ihr ins Gespräch zu kommen. Was aus ihr wurde, weiß ich nicht. Ihren Namen fand ich beim Googeln nur ein einziges Mal, und zwar im Zusammenhang mit Kristallsalz aus dem Himalaya. Aber vielleicht verwendet sie ja jetzt einen anderen Namen.
Liv kam im Sommer 1993 nach Eichstätt - der Journalistik-Studiengang beginnt jeweils im Sommersemester, dies nur zur Erklärung. Es war Mai, und wie es in Eichstätt so üblich ist, sammelte sich so ziemlich die ganze Studentenschaft, die gerade nicht zu irgendeiner Vorlesung oder einem Seminar musste, auf der Terasse der Cafeteria (im Studi-Jargon auch kurz "Cafete" genannt). Zum Semesteranfang bewegten sich die Journo-Neulinge meist noch im lockeren Pulk, und so ergab es sich einfach, dass die Neulinge sich dann auf den Bänken der Cafete-Terasse zu den älteren Semestern gesellten. Ich bin mir nicht sicher, wer noch dabei war (ich vermute, dass mir Thorsten H. an diesem Tage einen gewissen André K. vorgestellt hatte - womit ich meine erste schicksalhafte Begegnung dieses Tages schon hinter mich gebracht hatte), und dann setzten sich ein paar Jungs und Mädels zu uns auf die Bank. Da war auch Liv dabei, allerdings stellte sie sich uns nur mit ihrem Vornamen vor. Ich dachte mir nichts dabei - Studis gehen ohnehin sehr zwanglos miteinander um, man sagt, "Hallo?", "Servus" und "Wie geht's" und redet sich ausschließlich per Du und mit dem Vornamen an. Ich erinnere mich aber, dass Liv nicht so viel sagte und dass ihr Akzent sich für mich so anhörte, als sei sie in Amerika oder auch in Skandinavien aufgewachsen (ihr Akzent klang sehr nach Amerika, aber ihr Name deutete skandinavische Wurzeln an), weswegen ich mir hier noch keine klare Meinung bildete.
Wie sah sie aus? mag sich nun mancher fragen. Mir fällt nur ein Vergleich ein, nämlich Brianne, die in der schönen Stadt Kamloops in British Columbia in einer Texaco(?)-Tankstelle arbeitet - oder vielmehr dort arbeitete, als ich und meine Frau im Jahre 2001 dort drüben waren. Mit diesem Vergleich kann leider nur meine Frau etwas anfangen, aber der Name Brianne ist für meine Frau der Inbegriff für ein sehr hübsches, wenn auch ein bisschen kräftiges, aber beileibe nicht dickes Country Girl. Brianne war ein brünetter Typ und das traf auch auf Liv zu. Wer also um das Jahr 2001 im Raum Kamloops unterwegs war und dort an einer Tankstelle Brianne getroffen hat, der darf sich nun die Erkenntnis ans Revers heften, dass Liv ein ähnlicher Typ war. Genauer kann ich leider nicht werden.
Nach diesem ersten kurzen Kennenlernen wusste ich beileibe noch nicht, dass Liv von Adel und Geblüt war. Das fand erst Jochen heraus, der damals im dritten Semester war und mit den Neulingen ein paar gemeinsame Seminare hatte. Jochen verklickerte uns, dass sie tatsächlich eine "von und zu" war und er nannte uns auch ihren Namen, der ein bisschen wie "von Hinkelstein" klang. Jochen war schon damals das, was man heute einen Netzwerker nennen würde. Er knüpfte vorrangig Verbindungen zur konservativen Kreisen und hatte daher auch für alten Adel etwas übrig.
Nun hätte man ja meinen können, dass unsere Lehrkräfte sehr geschmeichelt waren, dass eine echte Adlige unseren Studiengang beehrte, und sie deshalb besonders zuvorkommend behandelten. Aber dem war nicht so (und ich bin mir sicher, dass Liv das auch nicht wollte). Aber irgend etwas muss wohl schief gelaufen sein, Liv verkündete kurz vor Semesterende bei der Journalistenparty, dass sie nicht weitermachen würde. Ich hatte mir damals in meiner Phantasie ausgemalt, wie es denn wäre, wenn ich sie während ihres weiteren Fortkommens als Mentor unterstützen würde. Aber dazu kam es nicht. Dazu kam, dass ich zu dieser Zeit immer in Fußballtrikots herumlief (vorzugsweise dem grünen Auswärtstrikot der deutschen Nationalmannschaft - jaa, liebe Kinder, die spielten damals in grün!). Ein solches Trikot trug ich auch, als ich mich bei dieser Party mit Liv unterhielt. Ihr erstes Semester hatte sie wohl ziemlich frustriert, und ich sagte leichthin, das würde sie doch überleben. "Ich will mein Studium aber er-leben", entgegnete sie und verschwand kurz darauf in die Nacht. Ein paar Tage zuvor hatte sie beim Hofgartenfest noch mit einem Juniorprofessor geflirtet und dabei wirklich hinreißend ausgesehen. Wahrscheinlich waren ihr einfach Typen suspekt, die in Nationaltrikots herumrannten, altkluge Sachen sagten und sich mehr für Fossilien als für die Arkana der Kommunikationswissenschaft interessierten (das begann damals gerade). Und damit endete mein erster und letzter Kontakt mit dem europäischen Hochadel.

Pst! (Ich bin's wieder, Euer Palfi.) Ich bin froh, dass es so gekommen ist. Die Alternative währe nämlich vielleicht so etwas wie das da gewesen:

Abi-Countdown für Maja!

An dieser Stelle muss ich einen wichtigen Aufruf starten. Es geht um nichts weniger als die Zukunft meiner Kusine! (Manche sagen auch Base dazu.) Denn wenn ich die Verwandtschaftsverhältnisse meines Onkelchens richtig deute, bin ich der Neffe von meinem Onkelchen. Mein Onkelchen hat aber auch eine Nichte (mehr als eine, um genau zu sein, aber es geht jetzt erst mal um eine ganz bestimmte). Da diese Nicht nicht meine Schwester ist, ist sie logischerweise meine Kusine. Alle Klarheiten beseitigt?
Gut. Diese Kusine - sie heißt Maja - macht dieses Jahr Abitur. Und jeder weiß, dass sehr viel von einem guten Schulabschluss abhängt, fast alles. Ich rufe hiermit alle dazu auf, hier im Kommentarbereich Tipps für ein gutes Abitur dranzuhängen. Und am Tag vor der ersten Prüfung schicken wir das dann alles gesammelt an Maja.
Ist das ein Deal? Zur Motivation habe ich hier ein Bild von Maja drangehängt.


Freitag, 5. Februar 2010

Es waren einmal – Jo, der Captain, Finger-Man und die Dasda-Steffi

Onkelchen ist im letzten Jahr 40 Jahre alt geworden. Damit ist man zwar noch nicht wirklich alt, aber statistisch gesehen steht der Mann mit Vierzig schon eher in der zweiten Lebenshälfte. Dessen ist sich Onkelchen durchaus bewusst. Daher denkt er immer mal darüber nach, wie die Welt in seiner ersten Lebenshälfte aussah und welche Veränderungen vielleicht noch auf uns alle zukommen. Mit ein bisschen (aber nur einem bisschen) Wehmut erinnert er sich daher auch an die Zeit, als er Student an der zu Unrecht eher unberühmten Katholischen Universität Eichstätt war (In letzter Zeit macht die Uni eher durch gewisse interne Querelen von sich reden, tsk, tsk). Das war ziemlich genau die Zeit zwischen dem WM-Titel 1990 und dem EM-Titel 1996. Onkelchen hat zwar nie aktiv Fußball gespielt, aber sich immer sehr für Fußball interessiert. Und insofern ist es durchaus bemerkenswert, dass seine Uni-Zeit von den – zumindest bisher – letzten internationalen Titeln der deutschen Fußball-Nationalmannschaft der Männer eingerahmt wurde.
Es war damals die Zeit, in der die Lebenslauf-Optimierung noch nicht die erste Pflicht für einen Studenten oder eine Studentin war. Es gab keine austauschbaren Facebook-Profile, das Schreckgespenst Hartz IV existierte noch nicht, wer schon in Amerika gewesen war, verstand unter 9/11 bestenfalls die dortige Notrufnummer, und anstelle von Globalisierungsängsten feierte man Eine-Welt-Festivals. Die jungen Intellektuellen (zu denen sich Onkelchen damals gewisslich zählte) maulten zwar herum, dass „der Dicke“ – gemeint war Kanzler Helmut Kohl – doch jetzt endlich weg müsse. Dennoch sehe ich exzellente Chancen, dass sich diese Epoche zwischen dem WM-Titel 1990 und dem EM-Titel 1996 einmal als „gute alte Zeit“ qualifizieren wird.
Eichstätt war und ist noch immer eine hübsche überschaubare Bischofsstadt mit barocken Fassaden, einer wildromantischen Burg über der Altmühl und der kleinsten deutschen Universität. Da Onkelchen Journalistik studieren wollte (wieso eigentlich?), Eichstätt aber nicht weit weg von zuhause entfernt lag (zudem war Onkelchen noch nie ein Großstadtmensch), war dieser Ort die beste Wahl für die Schärfung seines Intellekts. Im Wesentlichen besteht Eichstätt aus zwei Straßen, der Ostenstraße und der Westenstraße (einfach zu merken, gell?). Dann gibt es noch eine ganze Menge von Gassen und zwei oder drei wirklich schönen Plätzen. Im Frühling, wenn die Natur zu blüht, so pflegt Onkelchen heute noch zu sagen, gibt es keinen schöneren Ort als den Frauenberg über Eichstätt, um von dort auf das Städtchen zu gucken. Im Herbst und Winter, wenn grauer Nebel aus der Altmühl steigt und die Bäume kahl sind, gibt es dagegen nur wenige trostlosere Orte.
Man muss sich vor Augen halten, dass Onkelchen damals lange nicht so dick war wie heute – er war sogar für seine Verhältnisse sportlich und hielt sich mit regelmäßigem Schwimmen fit. Heute traut er sich mit seiner Wampe leider nicht mal mehr in die Nähe eines Schwimmbads! Dass er damals trotzdem lange kein Mädel abkriegte, schreibt er heute seiner Verbissenheit zu, mit dem er damals zu Werke ging. Die schicken Studentinnen waren alle schon vergeben und für die anderen hatte er leider damals kein Auge (legendär sein Spruch: „Du Schlachtschiff“, mit dem er mal eine vor den Kopf stieß, die ihn ansprach). Es gab sogar mal eine, die ihn beim alljährlichen Hofgartenfest (dem gesellschaftlichen Höhepunkt des Uni-Jahres im Sommer) zum Tanzen aufforderte, ehrlich. Und die sah gar nicht mal übel aus. Onkelchen tat jedoch, als hätte er sie nicht gesehen und machte sich aus dem Staube. Er war halt ziemlich stoffelig damals (und ist es zum Teil heute noch).
Über Onkelchens Eichstätter Zeit lässt sich aber auch positiv sagen, dass er sich in Gesellschaft all der stromlinienförmigen Student/inn/en, die sich schon im ersten Semester als unverzichtbar für die FAZ oder das ZDF hielten, nie wohl fühlte. Er mochte eher die schrägen Typen wie zum Beispiel den Politikstudenten Max, mit dem zusammen er die Juso-Hochschulgruppe an der Uni Eichstätt gründete (OK, ein paar andere waren auch dabei). Er und Max verließen die Jusos dann aber bald wegen unüberbrückbarer ideologischer Differenzen – Onkelchen und Max drifteten zu sehr nach links und der von beiden propagierte „ökologisch orientierte Globalsozialismus“ (kurz öoGS, eine Synthese aus Marx und dem damals ungeheuer angesagten Politdenker Johan Galtung) war dem Rest der Jusos denn doch zu suspekt.
Onkelchen war auf dem besten Weg, zum Sonderling zu werden – nicht nur ideologisch –, bis er auf André traf, einen Journo-Studenten, der aus der Gegend von Lutherstadt Wittenberg stammte (genauer gesagt, aus Straach, einem Dorf, dessen Name auf Deutsch „Ort der Angst“ bedeutet) , in Leipzig sein Studium begonnen und dann nach Eichstätt gewechselt war. André hielt immer wieder Autorenlesungen und Onkelchen wurde zu seinem Heftchenmann, das heißt, er verkaufte die Heftchen mit Andrés Geschichten an die Zuhörer. Onkelchen trug dabei immer ein ganz düsteres Outfit mit schwarzem T-Shirt, schwarzer Jeans und einer schwarzen Baseballkappe mit dem Schriftzug „PSYGNOSIS“ – PSYGNOSIS war ein damals bekannter Hersteller von Computerspielen, ihr größter Hit war das legendäre „Lemmings“, aber das weiß heute keiner mehr.
Onkelchen verdiente sich als Heftchenmann nicht nur ein bisschen Geld, sondern er fand auch Zugang zu den noch etwas schrägeren Kreisen der Eichstätter Studentenschaft. Dazu zählten Jo und der Käpt’n. Die beiden wohnten zusammen mit André in einer WG im Spindeltal. Das war eine Gasse am hintersten Ende von Eichstätt, die brutal steil anstieg. Jo hieß eigentlich Joachim, aber alle nannten ihn Jo, und der Käpt’n sah aus wie Käpt’n Iglo aus der Fischstäbchenwerbung, nur eine ganze Ecke abgerissener. Heute würde man vielleicht sagen, der Käpt’n sah aus wie der Mitbewohner von Hugh Grant im Film Notting Hill, aber da dieser Mitbewohner im Film eine Taucherbrille trägt, hat auch er etwas Maritimes. Was Jo und der Käpt’n genau studierten, weiß Onkelchen heute nicht mehr (es war auf jeden Fall nicht Journalistik), aber beide waren furchtbar trinkfest und da musste Onkelchen manchmal eben mitziehen. Das hat ihm Tante Dilein später abgewöhnt, und zwar richtig.
Jo war nicht nur trinkfest, sondern er konnte mit seinem Bauch auch „Onko“ sagen – das war eine sehr populäre Kaffeesorte, die man damals bei Aldi kriegte. Jo hatte zudem wahnsinnig viele Militaria-Artikel gebunkert – Uniformen, Helme, Messer, Koppelzeug, Orden und dergleichen. Jo war allerdings kein Rechter und sympathisierte auch nicht mit den Nazis, das muss hier ganz klar gesagt werden. Er war auch einer der wenigen, die bei einem völlig verregneten Open-Air-Konzert, bei dem Bands mit den Namen „Freaky Fukin Weirdoz“, „Solon Tschak“ und „Susu Bilibi“ auftraten, bis zum Ende durchhielten. Aus Zucker war er nicht, der Jo.
Dann gab es den Käpt’n, wie gesagt. Zusammen mit Jo rauchte er oft Selbstgedrehte undefinierbaren Inhalts. Der Käpt’n hatte das Meerschweinchen seiner Freundin auf dem Gewissen. Ich möchte an dieser Stelle des namenlosen Meerschweinchens gedenken, das die Freundin dem Käpt’n übers Wochenende zur Pflege daließ, das dann aber zuerst den einen und dann den anderen Nagezahn verlor und dann einging. Gerüchteweise konnte der Käpt’n trotz des Wochenendes ein Ersatzmeerschweinchen besorgen. Ob die Freundin dahinterkam und ob sie ihm verziehen hat, entzieht sich allerdings meiner Kenntnis.
Dann gab es im Spindeltal noch einen vierten Mitbewohner, dessen Name meinem Onkelchen partout nicht mehr einfällt. Dieser Mitbewohner unternahm ständig ausgedehnte Wanderungen im Naturpark Altmühltal, wo er Dolinen (nicht Mandolinen) und die Fossa Carolina entdeckte, von denen er immer schwärmte. Jo behauptete allerdings (hinter dessen Rücken), der notorisch unbeweibte Mitbewohner habe sich auf seinen Wanderungen immer nur für Astlöcher interessiert.
Dann gab es Finger-Man. Finger-Man war ein Typ, den André und Onkelchen nur vom Sehen kannten. Er hatte seinen Spitznamen aber weg, als er bei einem Gig einer Band in einer Eichstätter Kneipe immer nur rhythmisch mit dem Zeigefinger zuckte, während der Rest seines Körpers stocksteif stehen blieb. Dieses Verhalten legte Finger-Man gelegentlich auch im Dasda, der einzigen Diskothek Eichstätts, an den Tag.
Im Dasda gab es keinen Türsteher, im Gegenteil, es gab sogar einen Biergarten dort. Es war das, was man eine Wohlfühl-Disko nennt. Sogar Onkelchen war ein paarmal da! Dort gab es die Dasda-Steffi. Ich befürchte, dass niemand ihren richtigen Nachnamen kannte. Sie war einfach die Dasda-Steffi, eine Studentin, die im Dasda manchmal bediente. Soweit die unbestreitbaren Fakten. Gerüchteweise gehörte ihr aber der Laden damals. Onkelchen wurde das Gefühl nie los, dass die Dasda-Steffi unglücklich in André verliebt war. Irgendwann machte Andrés damalige Freundin Schluss und die Dasda-Steffi war plötzlich ziemlich oft in seiner Nähe zu sehen. Onkelchen fand die Dasda-Steffi eigentlich OK, obwohl sie rauchte (das war für ihn damals ein KO-Kriterium). Irgendwie ergab es sich aber anders, und aus André und der Dasda-Steffi wurde nichts Festes. Nichts Festes wurde aber auch aus André und Wiebke der Elfengleichen, die einen Chinchilla als Haustierchen hatte, fantastisch singen konnte und André (immerhin!) ein Candlelight-Dinner abtrotzte, in dessen Verlauf sie ihn herumzukriegen versuchte. Wiebke war ein Star unter den Journalistikstudentinnen - sie inszenierte zum Beispiel Musicals mit Studenten als Darstellern. Aber sie war zu dürr. Das hatte Onkelchen gleich geahnt.
Onkelchen drängte es nicht so sehr ins Rampenlicht, er ließ sich aber bei dem Musical Oklahoma, das Wiebke inszenierte, als Tonmeister anheuern. Er baute die Beschallung auf und spielte die Musikstücke ein. Dazu ließ er sich eine Lösung einfallen, mit der er den Audimax der Uni mit dem Sound von Wiebkes kümmerlichem Hifi-Türmchen beschallen konnte. Während der Premiere stoppte er das Band mit der Musikbegleitung aus Versehen ein bisschen zu früh. Regisseurin Wiebke kriegte einen Tobsuchtsanfall. Onkelchen war darüber so sauer, dass er später Wiebkes Versuche, bei André zu landen, nach Kräften hintertrieb.
Onkelchen war sogar ein Trendsetter. Er machte Eichstätt mit dem Friesensport Boßeln bekannt. Boßeln ist nicht kompliziert, es gibt zwei Teams, es gibt einen Punkt A und einen Punkt B, die beide ein paar Kilometer voneinander entfernt und durch eine Straße miteinander verbunden sind. Das erste Mitglied des ersten Teams schmeißt die Kugel von Punkt A die Straße entlang. Dann ist das erste Mitglied des zweiten Teams dran, das seine Kugel ebenfalls von Punkt A aus schmeißt. Das Mitglied vom ersten Team schmeißt von dem Punkt ab, an dem die erste Kugel liegen blieb, das zweite Mitglied des zweiten Teams schmeißt von dem Punkt ab, an dem die zweite Kugel liegen blieb. Irgendwann kommen beide Teams an Punkt B an und wer weniger Würfe brauchte, hat gewonnen. Das Ganze gewinnt dadurch Würze, dass der Schiedsrichter bestechlich ist.
Irgendwann merkte Onkelchen aber, dass für ihn die Eichstätter Zeit zu Ende ging. Die Student/inn/en wurden immer stromlinienförmiger. Über eine dieser Studentinnen sagte Onkelchen einmal, man könne ihre Schädeldecke sehen, wenn man ihr in die Augen guckte. Aber Onkelchen und André verabschiedeten sich mit einem Knalleffekt – einem Raketenstart im berühmten Figurenfeld von Eichstätt. Onkelchen startete Modellraketen und eine ganz ansehnliche Zahl von jungen Menschen brachten Bier und Schlafsäcke und wohnten dem Ereignis bei. Jo war dabei, ob der Käpt’n dabei war, weiß Onkelchen nicht mehr sicher. Max und Finger-Man waren nicht dabei und auch nicht die Dasda-Steffi. Eigentlich schade.