Ich und die Meinen

Ich und die Meinen

Herzlich willkommen!

So, das bin ich! Ich bin Kurt Palfi. Ich habe mir gedacht, jetzt muss mal ein neues Foto her. Leider hat Onkelchen ein Nacktfoto von mir hochgeladen. Aber ich sehe doch noch recht proper aus!
Wir (das sind ich, mein missratener Sohn Gianni Dona und Onkelchen, der alles für uns tippt) lästern in diesem Blog über alles, was gerade anfällt: Fußball, Politik, Film und Fernsehen, alles Mögliche. Viel Spaß!

Donnerstag, 30. Juni 2011

Frauen-WM: Die Favoritinnen tun sich schwer


Der erste Spieltag bei der Frauen-WM ist vorüber, jedes Team war bisher einmal dran. Gestern haben die Norwegerinnen und die Brasilianerinnen erstmals ins Turnier eingegriffen. Doch egal, ob vom Zuckerhut oder aus dem hohen Norden: So richtig kamen beide nicht in Schwung!

Onkelchen, du warst gestern in Augsburg vor Ort, hast die Teams aus Norwegen und Äquatorialguinea beobachtet. Was war es für ein Spiel?

Es war interessant. Ich war im Vorfeld eigentlich der Meinung, dass alles andere als ein klarer Sieg der Norweger eine Riesenüberraschung wäre. Nun, die Norwegerinnen haben zwar gewonnen - aber sie haben nicht überzeugt. Ihrer Favoritenrolle sind die Olympiasiegerinnen von 2000 und Weltmeisterinnen von 1995 eigentlich nie gerecht geworden. Und Äquatorialguinea hat leider einige klare Torchancen leichtfertig vergeben.

Wenn du von einem "interessanten" Spiel sprichst, dann war es wohl eher ein etwas zähes Ringen.

Teilweise ja. Die Schlussphase der ersten Halbzeit war zum Beispiel echt nicht zum Hingucken, da agierten beide Teams sehr zerfahren. Norwegen setzte zwar praktisch mit dem ersten Angriff einen Akzent, da ihnen ein Schuss an den Innenpfosten gelang, aber in der Folgezeit spielten sie für meine Begriffe viel zu durchsichtig. Äquatorialguinea fiel auf dieses doch recht simple Flügelspiel der Skandinavierinnen nicht herein und war vor allem in der zweiten Halbzeit sogar immer wieder in der Lage, die Norwegerinnen auszukontern. Aber...

... der Ball ging nicht rein ...

Genau! Genoveva Anonman, die nicht zuletzt aufgrund ihrer grünen Zöpfe auffälligste Spielerin bei den Afrikanerinnen, hatte viermal klarste Möglichkeiten, den Ball zu versenken, konnte den Treffer aber nicht machen. Auf der einen Seite war dafür sicherlich auch das gute Stellungsspiel der norwegischen Torhüterin Ingrid Hjelmseth verantwortlich (sie machte stets die kurze Ecke zu, so dass Anonman das lange Eck anvisieren musste), auf der anderen Seite war aber auch schrecklich viel Unvermögen im Spiel. Ein- oder zweimal kann sich eine Spielerin sicherlich von einer Klasse-Torhüterin auf diese Weise leimen lassen, aber viermal ist mindestens einmal zuviel.

Und das rächte sich dann.

Exakt. Das Spiel hatte zwar nicht viele Höhepunkte, aber letztlich war einfach die Spannung mit Händen zu greifen, ob nicht Norwegen schon im ersten Spiel einen kleinen Dämpfer würde einstecken müssen. Denn wenn sie in diesem ersten Spiel nur unentschieden gespielt hätten, dann wären sie in dieser schweren Gruppe D mit Mitfavorit Brasilien und Australien schon im zweiten Spiel unter Zugzwang gestanden. So aber gab es in der 84. Minute noch dieses Dreckstor (wie Jürgen Klopp sagen würde), das die Sache entschied.

Brasilien hat sich gegen Australien ja auch nicht mit Ruhm bekleckert...

Das Spiel habe ich leider nicht in Gänze gesehen, aber was ich gesehen und gehört habe, lässt den Schluss zu, dass es in der Gruppe D sehr eng zugehen dürfte. Insbesondere Norwegen und Australien dürften sich einen harten Kampf ums Weiterkommen liefern. Und Äquatorialguinea würde ich auch noch nicht abschreiben. Sie können Brasilien und Australien sicherlich noch ärgern.

Dienstag, 28. Juni 2011

Frauen-WM: Onkelchen gibt den Netzer!

So kann es nicht weitergehen. Das deutsche Team kann von Glück reden, dass es im Eröffnungsspiel gegen Kanada nicht noch tiefer in Not geraten ist. Da fehlte die Laufbereitschaft, die Aggressivität in den Zweikämpfen. In der zweiten Hälfte wurden zu viele Chancen vergeben, man hat sich zu sehr auf lange Bälle fokussiert. Ich verstehe aber die Spielerinnen nicht, dass sie die Stärke von Kanada zu ihrer Verteidigung anführen - was die angeblich alles besser können und gemacht haben. Das darf kein Kriterium sein! Wir sind immerhin Weltmeister! Das ärgert mich ein wenig.

Onkelchen?

Hm?

Bist du gerade auf dem Netzer-Trip?

Oh, war ich das? Aber irgendeiner muss es ja tun, irgendeiner muss ja die Finger in die Wunde legen, sonst gibt es schon beim nächsten Gruppenspiel gegen Nigeria ein böses Erwachen.

Du musst es ja wissen. Du bist der Experte. Die Betonung liegt auf Ex. Oder wie war das mit den Freistößen? Dass Frauen keine langen Bälle und keine scharfen Freistöße spielen können? Hast du in deinem letzten Blog-Eintrag gesagt. Das Eröffnungsspiel hat dich da eindeutig widerlegt!

(lacht) Ja, das ist richtig. Das muss ich mir durchaus ins Stammbuch schreiben lassen. Ich werde das mit den Freistößen und den langen Bällen in Zukunft auch nie wieder behaupten. Ich muss aber dazusagen, dass diese Behauptung auf einer Beobachtung basiert, die ich beim Viertelfinale der letztjährigen U20-WM zwischen den USA und Nigeria gemacht habe. Damals hat es gerade den Schüssen aus der vielzitierten zweiten Reihe ordentlich an Bums gefehlt. Aber war möglicherweise nur ein Einzelfall, eine Einzelbeobachtung.

Woran lag es denn nun wirklich, dass die deutschen Frauen gegen Kanada am Ende noch in Bedrängnis kommen konnten?

Ich will mal vorausschicken, dass ich das Spiel etwas anders gesehen habe als die meisten übrigen Kommentatoren. Deutschland und Kanada waren, was die Spielanteile betraf, nahezu gleichwertig. Das wurde oft übersehen. Beide hatten in etwa gleich viel Ballbesitz, Kanada laut der FIFA-Statistik sogar einen Tick mehr, 51 zu 49 Prozent zugunsten der Kanadierinnen. Die Kanadierinnen konnten sich allerdings längst nicht so viele Chancen erarbeiten wie die Titelverteidigerinnen, über lange Strecken hatten die deutschen Frauen das gut im Griff. Vor allem in der zweiten Hälfte.
Dann aber haben die deutschen ihre hochkarätigen Chancen nicht genutzt, Kerstin Garefrekes, Alexandra Popp - Kerstin Garefrekes einnerte bei ihrer vergebenen Hundertprozentigen sogar sehr an Mario Gomez, schon von der Körpersprache her!
Und dann wurde in der 71. Minute Melanie Behringer gegen Fatmire Bajmaraj ausgewechselt.

Von der du ja kein Fan bist...

Sie ist sicher eine tolle Fußballspielerin! Aber in den Wochen vor dem Turnier war zu viel von ihrem Aussehen die Rede. Das hat ihr nicht gutgetan, sie stand auf dem Platz etwas neben sich. Und das ist meines Erachtens typisch für die Oberflächlichkeit, mit der einerseits über Fußball insgesamt, andererseits aber auch ganz besonders über Frauenfußball gesprochen und geschrieben wird. Es geht beim Frauenfußball genau wie bei den Männern darum, dass Tore geschossen werden. Da sind Technik, Taktik, Tore entscheidend. Wie einer oder eine aussieht, ist völlig egal!
Das ist so ein Indiz für die Beckhamisierung des Fußballs. Was meine ich damit: Fußballerisch konnte ein David Beckham einem Paul Gascoigne nie das Wasser reichen. Nie! Aber weil der David ganz nett aussah - und Gascoigne mental sehr instabil war, das darf man nicht vergessen - ist Beckham der populärere und weitaus reichere Fußballer geworden. Aber Beckham war ja nur der Prototyp. Wenn man sich vorstellt, dass die Chefreporterin der "Welt" den Bundestrainer Jogi Löw eine ganze Stunde lang interviewt, um mit ihm über praktisch nichts anderes als Kosmetikprodukte zu sprechen, dann sieht man, wohin wir gekommen sind. Zu meiner Zeit hieß es: "Ein Trainer darf aussehen wie Frankenstein, nur Weltmeister muss er werden." Und ich stehe dazu! Weshalb ich davon überzeugt bin, dass unsere Männer-Nationalmannschaft mit Peter Neururer größere Chancen auf einen Titel hätte als mit Jogi Löw. Denn Weltmeister ist der Jogi bis jetzt nicht geworden, und die Prognose wage ich: Auch bei der EM 2012 wird es mit einem Titel nicht klappen.

Das hat jetzt aber nichts mehr mit der Frauen-WM zu tun.

Doch! Denn als Lira Bajramaj eingewechselt wurde, musste Melanie Behringer runter vom Feld. Und sie war für meine Begriffe bis dahin die unbesungene Heldin dieses Spiels. Was sie geackert und gekämpft hat, ist wirklich aller Ehren wert. Sie war die Antreiberin des Spiels, sie hat die Bälle erkämpft, sie hatte die Übersicht. Und als sie rausging, fiel halt alles ein bisschen in sich zusammen und die Kanadierinnen konnten wieder besser ins Spiel finden, nachdem sie eigentlich in der zweiten Hälfte über weite Strecken klinisch tot waren.
Und die Melanie Behringer sieht halt leider ein bisschen wie eine westfälische Jungbäuerin aus, die täglich mit Milchkannen hantiert. Nicht böse gemeint, sie ist halt kein Model. Aber sie war über weite Strecken das Herz und der Kopf des deutschen Spiels! Über sie lief so viel. Das ist oft übersehen worden.

OK: Deine Prognose für das Gruppenspiel gegen Nigeria am Donnerstag?

Klarer Sieg mit zwei Toren Unterschied. Ich denke, die Frauen sind jetzt aufgewacht.

Samstag, 25. Juni 2011

Frauen-WM: Ich bin kein Fan von "Lira" Bajramaj!

Heißa, es ist wieder einmal Fußballzeit! Die Vorfreude auf ein großes Turnier schwebt durchs Land, allerorten grüßen schwarz-rot-goldene Fähnchen und die Wirtshäuser der Region laden zum Public Viewing. Ein neues Sommermärchen bereitet sich vor. Und doch, und doch...

Irgendetwas ist anders. Es kommt mir vor, als läge nicht der Duft von Bier und Bratwurst, sondern eher von Prosecco und Salat mit Putenstreifen in der Luft. Klar - es ist ja auch die Frauen-WM, die sich ankündigt. WM light sozusagen. Statt von Jogis Jungs schwärmt die reichlich einfallslose Presse von den "Fußball-Elfen" beziehungsweise den "National-Elfen", wo doch Onkelchen schon vor fast 20 Jahren (nämlich bei einem Mädchenfußballturnier in Tübingen, das er damals für das Regionalradio verfolgte) mit dem von ihm erschaffenen Ausdruck "Kicker-Küken" viel mehr Sprachwitz bewies.

Es ist also WM und irgendwie auch nicht. Immerhin gibt es ein Panini-Album mit den Fußball-Frauen (allerdings ganz offensichtlich in viel geringerer Auflage, mir ist es bisher noch nicht in die Finger geraten), aber in Duplo und Hanuta habe ich bisher noch keine Sammelbildchen entdeckt. Na ja. Vielleicht finden sie sich ja zielgruppengerecht in der leichten Yogurette!

Insgesamt kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, als sei die Frauen-WM ein Ereignis, für das die Aufmerksamkeit und Begeisterung künstlich erzeugt werden muss - ganz anders als bei den Männerturnieren. Wie bangten wir vor Jahresfrist um Michael Ballack, nur um dann mitzuerleben, dass Sami Khedira und Bastian Schweinsteiger eine großartige WM als Doppel-Sechs spielten. Wie diskutierten wir über Lahms Ansprüche aufs Kapitänsamt und (nicht zu vergessen) über die unfehlbaren Prognosen des inzwischen verblichenen Kraken Paul. Wie fluchten wir über Podolskis verschossenen Elfer gegen Serbien und glucksten über das nicht gegebene Tor der Engländer! Stattdessen las ich gestern, dass die Organisatoren derzeit sehr darüber besorgt sind, dass das Berliner Olympiastadion beim morgigen Eröffnungsspiel nicht komplett ausverkauft sein könnte - ganz so, als komme Deutschland seiner moralischen Plicht nicht ausreichend nach, dem Frauen-Weltturnier seine ganze gebührende Aufmerksamkeit zu schenken.

Und es ist ja auch so: Der ganze Diskurs über die Frauen-WM hat einen Anflug von bemühter politischer Korrektheit. Erst gestern wurde ein Radioreporter (der normalerweise Männerspiele kommentiert) im Sender SWR1 gefragt, warum er denn Frauenfußball gut fände. Er meinte, zum einen seien im Frauenfußball die üblen Sitten (Schwalben, Zeitspiel, Schauspielerei) noch nicht so eingerissen und zum anderen seien Frauen stets bemüht, spielerische Lösungen für missliche Spielsituationen zu finden - d. h: die Frauen dreschen den Ball in solchen Fällen nicht einfach hinten raus in der Hoffnung, dass jemand ihn vorne erwischt.

Beide Argumente haben beim ersten Hinsehen durchaus etwas für sich, sind aber näher betrachtet sehr bemüht. Natürlich ist es eine Schande, wenn sich Fußballer wie sterbende Operndiven auf dem Platz wälzen, in der Hoffnung, die Zeit möge vorübergehen. Es ist nicht mit anzusehen, wenn sie einander an den Trikots zerren, Fouls vortäuschen und beißen und spucken, wenn der Schiedsrichter gerade nicht hinsehen. Das alles ist nachgerade unmännlich, und man ist da schon versucht, den Jungs einzubleuen, sie möchten sich doch mal die Frauen zum Vorbild nehmen.

Aber: Die Ursache dieses Trends liegt doch darin, dass die Schiedsrichter die ehrliche, kompromisslose Grätsche mittlerweile fast durchgängig mit der roten Karte bedenken. Das hat auch dazu geführt, dass die Zerstörer alter Schule (Andoni Goycoechea! Förster! Gentile! Kohler!) mittlerweile komplett ausgestorben sind. Das ist schade. Das Resultat sind Fußballspieler, die auf dem Platz zickiger auftreten als ein kompletter Mädchenkindergarten.

Auch das zweite Argument ist leicht zu entkräften. Das "kick and rush" ist bei Frauen nicht zuletzt deshalb seltener zu finden, weil ihnen für lange Bälle oft einfach der Bums fehlt. Onkelchen hat es im letzten Jahr bei der U20-WM der Frauen im Viertelfinale zwischen den USA und Nigeria eindeutig festgestellt: Lange Bälle und auch Schüsse aus der zweiten Reihe verpufften zum Teil deshalb wirkungslos, weil die Mädchen sie nicht mit der notwendigen Kraft und Präzision schlagen konnten. Deswegen sorgten auch Freistöße von der Strafraumgrenze - bei den Männern meist außerordentlich kritische Spielsituationen - praktisch nie für Gefahr.
Ich will damit nicht sagen, dass Frauen nicht Fußball spielen können. Vor allem die Erfolge der deutschen Frauennationalmannschaft der letzten Jahre nötigen Respekt ab. Es ist aber ein etwas anderes Spiel als bei den Männern. Eine Analogie sei erlaubt. Vor ein paar Jahren kursierte zum Beispiel beim Tennis der Spruch: Es gibt Tennis und Damen-Tennis. Während die Herren in der Regel ein kompromissloses Serve-and-volley praktizierten, hauten sich die Damen die Bälle von der Grundlinie bis zur Grundlinie um die Ohren, bis eine der beiden nicht mehr aufpasste und dadurch den Punkt verlor. Wenn man ehrlich ist, muss man das beim Frauenfußball halt etwas Ähnliches konstatieren.

Vor ein paar Jahren kriegte FIFA-Chef Sepp Blatter überdies noch von den versammelten Medien eine auf die Fresse, weil er meinte, die Frauen sollten doch eine weiblichere, den Körper besser betonende Spielkleidung tragen, um entsprechende Sponsoren anzuziehen. Genau das passiert jetzt auch (siehe dazu auch den passenden Artikel der Deutschen Welle). Ob man damit den Fußball-Frauen einen Gefallen tut, sei dahingestellt.

Zudem wird allenthalben versucht, mit Fatmire "Lira" Bajramaj ein medienkompatibles Aushängeschild für die WM zu finden. Erstmal spielt sie gut Fußball, ist aber auch optisch attraktiv und hat den momentan ach so wichtigen Migrationshintergrund (es lebe die Political Correctness!). Mich stört das, denn zu meiner Zeit war es egal, wie ein Spieler/eine Spielerin aussieht, Hauptsache, er/sie schießt Tore oder verhindert diese erfolgreich. Ein Maradona war nach heutigen Standards kein Adonis (selbst zu seinen besten Zeiten war er etwas dick), konnte den Abwehrspielern aber Knoten in die Füße dribbeln. Deshalb gebe ich gerne fünf Euro ins Phrasenschwein und rufe den Mädels zu: Wichtig is' auf'm Platz! Holt den Titel!

Nachwort von Palfi: Ich gebe ja gerne zu, dass ich kein Fan von "Lira" Bajramaj bin. Dafür aber von Annike Krahn. Ich finde sie einfach zuckersüß...

Freitag, 24. Juni 2011

Bilanzbuchhalterinnen unter sich

Dieser Dialog zweier frischgebackener Bilanzbuchhalterinnen (kurz BiBu) ist wirklich dem Leben abgelauscht - auf Ehre und Gewissen!

BiBu 1: Am Sonntag ist bei uns im Dorf Feuerwehrfest mit Frühschoppen.

BiBu 2: Welche Geschäfte haben da offen? Wo kann man da shoppen?

Mittwoch, 22. Juni 2011

Candice und die Kleiebrötchen

>>Interessant ist, dass man bei der Beurteilung fast sämtlicher Popmusik mit dem Adjektiv „verzeihlich“ auskommt.<< (Frei nach Max Goldt)

Ein Beitrag von Onkelchen, der sich nach einem fast endlosen Urlaub in Norddeutschland und Mittelitalien wieder zurückmeldet!

Wenn ich jetzt über Musik schreibe, bitte ich mir nachzusehen, dass ich niemals so etwas wie einen richtigen Musikgeschmack hatte. Ich war immer ein Eklektiker, sagte mir: Dieses Stück gefällt mir und das nicht – auch wenn es aus der gleichen Richtung oder sogar von der gleichen Band stammte. Ich weiß bis heute nicht, wo der Unterschied zwischen Pop, Funk, Ska und Acid liegt – und wann man es mit Rap und wann mit HipHop zu tun hat, bleibt für mich ein ewiges Mysterium.

Daran sind zwei Umstände schuld: Zum einen fand ich aufgrund meiner Unmusikalität zu vielen Liedern nur über die Texte Zugang. So konnte es passieren, dass mich ein Stück nicht nur ansprach, sondern sogar regelrecht ansprang, weil mir der Text etwas sagte, obwohl die Vertonung eher schlapp war. „Wallflower“ von Peter Gabriel zählt zu dieser Kategorie, obwohl das Stück gegen Ende einen ganz hübschen akustischen Sonnenaufgangs-Effekt hat. Zum anderen versaute mir Rob Hubbard die Geschmacksfindung, um es einmal mit den Worten einer meiner Romanfiguren auszudrücken. Dieser Herr dürfte mittlerweile nur noch sehr wenigen Zeitgenossen etwas sagen, einige werden ihn sicher mit dem Gründer der Scientology-Sekte namens L. Ron Hubbard verwechseln. Eins weiß ich aber gewiss: Wer den Namen Rob Hubbard kennt, hat vor vielen, vielen Jahren mit einem Commodore 64 gespielt. Ihm gebührt die Ehre, manche der weniger erinnernswerten Spieletitel mit seiner Musik zu echten Perlen gemacht zu haben. „Commando“, „Delta“, „Sanxion“, „Auf Wiedersehen Monty“, „Gerry the Germ goes Body Poppin'“, „W.A.R.“ und nicht zuletzt „Thrust“, das viele (zumindest ich) für sein opus magnum halten, sind ewig leuchtende Beispiele dafür, was man aus dem SID-Chip mit drei Sound- und einem Rauschgenerator herausholen konnte. Nur Chris Hülsbeck spielte in einer ähnlichen Liga – aber da ging's schon los: Ich bevorzugte Hubbard, er lieferte eher rhythmisch orientierte Stücke ab. Ich glaube zumindest, dass das der Grund war. Vor einigen Jahren hörte ich mal wieder die Extended Version von Chris' Hülsbecks „Shades“ und fand es meiner Erinnerung nach etwas zu kleinteilig im Vergleich zu Hubbard. Aber ich kann mich auch täuschen.

So, jetzt habe ich mich ganz langsam an das Thema herangetastet. Ich bitte festzuhalten, dass ich in Sachen Musik für vieles offen bin, allzu extreme Dinge jedoch nicht goutiere. An den meisten aktuellen Stücken stört mich der stampfende Rhythmus – es klingt immer, als ob man den Drumcomputer in der Ausgangsstellung „Schmiedehammer“ belassen hätte. Wahrscheinlich finden aus diesem Grund die angesagtesten Technopartys auch immer in aufgelassenen Fabriken statt.

Trotz dieser allgemeinen Indifferenz gegenüber den aktuellen Trends beschäftigte ich mich zu vor einiger Zeit mit einer Art akustischem Tapetenwechsel. Dilein hörte meist eine Country-CD von Terri Clark, die ich aus Kanada mitgebracht hatte. Für mich war das zu ruhig. Andererseits hatte ich mich an den krachigen Mini-Opern aus der Feder Jim Steinmans ein wenig abgehört. Steinman, ein überzeugter Wagnerianer, ist hierzulande vor allem durch die Stücke bekannt, die er für Meat Loaf geschrieben hat. Einmal kaufte ich mir sogar, ich gebe es schamhaft zu, eine Céline-Dion-CD, weil ein sieben Minuten langes Steinman-Stück drauf war. Den Rest hörte ich so gut wie nie, aber „It's All Coming Back To Me Now“ lief eine ganze Zeit lang rauf und runter in meiner Autoradio/CD-Kombination.

Ich war damals drauf und dran, wieder zu den Wurzeln – sprich zum Elektropop der frühen Achtziger mit den Buggles und den Men Without Hats – zurückzukehren, als ich aus lauter Langeweile auf SAT.1 den unsäglichen Nibelungen-Zweiteiler mit der kühlen Norwegerin verfolgte, die Arnie im dritten Terminator-Film so viele Schwierigkeiten gemacht hat. Die Norwegerin spielte die Walküre Brünhild (wen sonst?), Alicia Witt übernahm die Rolle der Kriemhild in der Sparte „mal nicht blondes, sondern abwechslungsweise rothaariges Dummchen“. Interessant waren nicht die Schauspieler, auch nicht die abgrundtief schlechten Spezialeffekte. Eigentlich ging es mir nur um den Pausentrailer, der auf die CD zum Filmereignis des Jahres hinwies.

Es war, wie man so schön sagt, ein „defining moment“. Die Tonspur des Trailers hatte was – allein, ich konnte noch nicht sagen, was – und so besorgte ich mir die so beworbene Fernsehfilm-CD.

Bis dato hatte ich noch gar nicht gewusst, dass es so etwas wie Renaissance-Rock oder Mittelalter-Metal überhaupt gab. Nun aber hörte und glaubte ich. Zwei Bands waren es, die auf dem Sampler meine besondere Aufmerksamkeit fanden: Within Temptation und Blackmore's Night.

Nun muss man wissen, dass diese Musikrichtung (oft auch „Goth Metal“ genannt) bei vielen Puristen auf Ablehnung stößt. Typisch ist in aller Regel eine bombastische Instrumentierung, nicht selten mit vollem Orchester, plus Geräuscherzeugern pseudo-keltischer Herkunft wie etwa dem Dudelsack. Dazu kommen volle Bässe (mit Schmackes) und düstere Chöre, denen eine ätherische Frauenstimme als Lead Vocal gegenübergestellt wird. Das Ganze klingt dann entweder wie Annett Louisan vor dem Hintergrund einer startenden Concorde oder eben wie Within Temptation. Nicht selten finden sich dann noch tiefe Männerstimmen, die so genannte Growls beisteuern, also eigentlich nichts anderes tun als unverständlich herumzurülpsen. Das ist dann die akustische Repräsentanz des Bösen, das von der ach so lieblich klingenden Frauenstimme Besitz ergreifen will.

Wie gesagt: Puristen mögen das nicht. In Kritiken aus dieser Ecke liest man meistens: „Seit dem Erfolg des Herrn der Ringe scheint man ja wieder zu glauben, Chöre einsetzen zu dürfen. Hoffentlich geht diese Bombastik-Welle bald vorbei.“ Leider bin ich kein Purist, sondern für Bombast sehr zu haben. Auch die Texte sind ansprechender als das ewige „F*** mich, f*** mich, f*** mich“ der lange Zeit als „in“ gehandelten Gruppen im Britney-Spears-Kielwasser. Bei Within Temptation geht es textlich zum Beispiel um das Verhältnis zur Natur („Mother Earth“), um Trauer und Verlust („Jillian“), um das Sich-nicht-Unterkriegen-Lassen („Stand My Ground“), um Sehnsucht nach der/dem Liebsten („Somewhere“).

Etwas weniger bombastisch als Within Temptation gibt sich die Formation Blackmore's Night. Hier stimmt das Etikett Goth Metal schon nicht mehr, ich würde die Musikrichtung gerne stabreimend zwischen Renaissance-Rock und Fairytale-Folk einordnen. Fairytale auch deshalb, weil die Leadsängerin Candice Night so richtig tolle, elfenhaft lange blonde Haare hat wie eine mir bekannte Latein- und Französischlehrerin aus Erlangen. Fehlen nur noch die Feenflügelchen.

Ihr Partner ist die von „Deep Purple“ und „Rainbow“ bekannte Rockgitarrenlegende Ritchie Blackmore, den sich besagte Candice Night vor ein paar Jahren als Lebensgefährten geangelt hat. Irgendwann – es muss so um das Jahr 1997 gewesen sein – schmiss Ritchie die Lederklamotten weg und hüllte sich in mittelalterliches Gewand. Und während seine Alte (die erst halb so viele Lenze zählt wie die mittlerweile stramm auf die 60 zugehende Rocklegende) im Vordergrund steht und munter mittelalterlich-folkige Liedchen trällert, klampft er im Halbdunkel der Bühne.

Glücklicherweise hat uns Candice auf ihrer Website ein paar Aufzeichnungen überliefert, die uns ahnen lassen, wie es zugegangen sein mag. Als ihre Modelkarriere nicht so recht in Schwung kam, half sie bei einer Radiostation in New York aus. Irgendwann besuchte sie ein Konzert von Rainbow, Ritchie Blackmore's damaliger Band. Und um es mit den Worten eines anderen Rockbären zu sagen: Es machte „Zooomm“.

Das Ganze hätte nun wie jenes tragische Liebesdreieck um Bob Geldof, Michael Hutchence (der allzu früh verstorbene Leadsänger von INXS) und Paula Yates enden können. Von den dreien lebt nur noch Bob Geldof. Sonderlich glücklich kann man ihn wohl aber nicht nennen, da ihn seine ehemaligen Band-Kollegen von den Boomtown Rats laut Wikipedia inzwischen wegen unterschlagener Tantiemen verklagt haben. Dass es für Ritchie nicht so kam, ist sicher Candice zu danken. Sie wird dem Gitarrengott die Flausen ausgetrieben haben. Ich kann mir richtig greifbar vorstellen, dass sie ihn trocken gelegt (welcher Musiker trinkt nicht gern mal einen? Und dann noch so'n Altrocker!) sowie auf Biokost und gesunde Kleiebrötchen gesetzt hat. Das ist zumindest meine Vermutung. Aus lauter Dankbarkeit hat er dann eine Band um sie herumgebaut, mit der er jedes Jahr durch Europa tourt, um dort in alten Burgen zu konzertieren.

Nun geschah es aber, dass sich Candice die Feindschaft einer mächtigen und übersinnlich begabten Frau zuzog. Deren Gatte hatte sich nichts ahnend in einem Münchner Media Markt die Blackmore's Night-CD „The Romantic Collection“ gekauft. Jenes Album enthielt als Zugabe eine DVD mit Videos von einigen Auftritten der Band. Erfreut legte der Gatte jenes seherisch begabten Weibes die DVD in den PC und erfreute sich am Gesang sowie wahrscheinlich auch an der Gestalt der nicht ganz unansehnlichen Frontfrau. Dabei überraschte ihn seine Frau. Sie schalt ihn: „Ich wusste doch, dass du auf langhaarige Blondinen stehst! Du, du, du!“ Der so Gescholtene wand sich, er stehe nicht auf die blonde Frontfrau, sondern auf die brünetten Background-Sängerinnen.

Dieser Vorfall war fast vergessen, als der Gatte übers Internet zwei Karten für ein Konzert von Blackmore's Night in München bestellte. Zu seiner Überraschung stimmte seine Gattin zu, als er sie fragte, ob sie mitkommen wolle. Sie aber plante ihre grausame Rache.

Und wie sie Rache nahm! Als das Konzert begann, verstrahlte sie ihre negativen Energien wie ein leck geschlagenes Atomkraftwerk. Diese Vibrationen wirkten sich zunächst äußerst schädlich auf die Konzentration von Ritchie Blackmore aus. Ein paarmal hörte er mitten im Stück auf zu klampfen und latschte geistesabwesend von der Bühne. Candice reagierte darauf sehr irritiert; einmal hörte man sie sogar sinngemäß „Was machst du denn jetzt schon wieder?“ zischen. Als sich Ritchie schließlich wieder fing, bereitete die übersinnliche Frau ihren größten Coup vor: Candice war gerade dabei, das nächste Lied anzusagen, als das Mikro plötzlich einen Röhrer tat, der dem Publikum durch Mark und Bein fuhr. Selbst jenen hartgesottenen Fans, die sich in mittelalterliche Gewänder gehüllt hatten. Es war, als hätte sich ein anderer Sender auf die Beschallungsanlage aufgeschaltet – und zwar einer, der unendlich lange eineinhalb Sekunden „Burrrp“ machte. Ein echter Maulfurz.

„Reicht's jetzt endlich?“ fragte ich Dilein. Sie aber grinste im Halbdunkel.

Der Rest des Konzerts ging störungsfrei über die Bühne.