Ich und die Meinen

Ich und die Meinen

Herzlich willkommen!

So, das bin ich! Ich bin Kurt Palfi. Ich habe mir gedacht, jetzt muss mal ein neues Foto her. Leider hat Onkelchen ein Nacktfoto von mir hochgeladen. Aber ich sehe doch noch recht proper aus!
Wir (das sind ich, mein missratener Sohn Gianni Dona und Onkelchen, der alles für uns tippt) lästern in diesem Blog über alles, was gerade anfällt: Fußball, Politik, Film und Fernsehen, alles Mögliche. Viel Spaß!

Sonntag, 11. November 2012

"Wetten, dass...?" mit Lanz? Ich hab' schon Gottschalk nicht gemocht!


Oh, welch ein Sturm brach letzte Woche über die Fernseh-Granden und Unterhaltungspäpste des ZDF herein! Das öffentlich geäußerte Missfallen des vielfach dekorierten US-Filmschauspielers Tom Hanks über den deutschen Vorzeige-Unterhaltungsdampfer "Wetten, dass...?", der in der (sinngemäßen) Aussage gipfelte: "Bei uns wäre der Verantwortliche für so was sofort gefeuert worden", wurde natürlich sofort hämischst von all jenen aufgegriffen, die sowieso noch ein Hühnchen mit der zwangsgebührenfinanzierten quasistaatlichen Bürgerbeglückung via TV zu rupfen hatten.

Da trat das ganze Elend der deutschen Kulturnation zutage, weil man im Beisein eines Weltbürgers wie Tom Hanks nur eine Show zuwege brachte, die das Niveau eines (wenngleich teuren) Kindergeburtstags hatte. Je nach Standpunkt der Kritiker wurde die Provinzialität des deutschen Fernsehens wieder einmal beklagt oder verlacht. Es wurden Reformen, neue Strukturen und Köpfe gefordert, wie es bei der Journaille ja üblich ist, wenn man Zeuge eines Desasters wird. Und über allem tönten die Kassandrarufe: Lanz kann es nicht. Und da und dort wettete man schon, ob Lanz als Moderator des deutschen Fernsehheiligtums "Wetten, dass...?" länger durchhalten würde als Wolfgang Lippert (ja, den gab's auch mal!).
Die Antwort lautet wie so oft: Nebbich. "Wetten, dass...?" war schon unter Gottschalk ruiniert. Und zwar von der ersten Sendung an.
 
Das mag verwundern, denn für viele meiner Zeitgenossen ist ein anderer Moderator als Gottschalk gar nicht denk- und vorstellbar. Und diese müssen sich zum Teil erstmal schütteln, wenn man ihnen erzählt, dass nicht Gottschalk, sondern Frank Elstner das Konzept erfunden und die Show in den achtziger Jahren mit höchstem Erfolg moderiert hat. Nur: Damals war "Wetten, dass..?" noch eine ganz andere Sendung. Sie hatte so etwas wie ein Konzept und einen roten Faden. Nach Elstner gab es nur noch Gottschalk als generationenübergreifenden Weichmacher, harmlosen Talk und noch harmlosere Herrenwitze auf der Couch, Stars, die einen neuen Film und ein neues Album vorstellten (neudeutsch "promoteten") und dann gab es noch ein paar Wetten. In dieser Reihenfolge.

Das war unter Elstner anders. Ich bin zwar kein Fan von Elstners sich etwas immer zu sehr anbiedernden Art der Gesprächsführung und Moderation. Aber unter Elstner standen wirklich die Wetten im Mittelpunkt und die Leute, die irgend etwas Erstaunliches konnten: Eine Wärmflasche bis zum Platzen aufblasen. Alle Päpste nacheinander in der richtigen Reihenfolge aufsagen (obwohl diese Wette scheiterte). Einen Lkw auf Biergläsern parken. Uns so weiter. Das war ja letztlich auch Elstners Konzept: Leute wie du und ich demonstrieren, dass sie etwas ganz Tolles können - dass sie einen größeren Stimmumfang haben als der inzwischen verstorbene Ivan Rebroff oder alle U-Bahn-Pläne der Welt auf Anhieb erkennen. Und die Sendung war auch darum herum aufgebaut. Ich darf mal vorführen, wie eine Wette unter Elstner funktionierte:

1. Der prominente Wettpate erklärte die Wette: "Ich wette, dass Herr/Frau XY aus XY das und das kann."
2. Elstner erläutert die Wette näher. Das war wichtig für die Zuschauer am Bildschirm und die ausgewählten Leute, die per TED (jaa, damals gab es nur 500 repräsentativ ausgewählte Leute, die beim TED anriefen), um zu verstehen, worum es ging und worin die Herausforderung bestand.
3. Der TED wird angezeigt. Das war insofern wichtig, weil die TED-Prozentzahl quasi als Wettquote diente.
4. Die prominenten Wettpaten bekunden per Knopfdruck ihre Meinung, ob der jeweilige Wettkandidat es schaffen kann oder nicht. Das war auch der Hauptunterschied der Sendung zwischen Elstner und Gottschalk: Bei Elstner hatten die Prominenten die nicht unerhebliche Aufgabe, für ihren Wettkandidaten durch geschicktes Tippen Punkte zu sammeln. Dafür waren die TED-Wettquoten von Bedeutung. Nehmen wir mal an, der TED ergab eine Quote von 52 zu 48 Prozent dafür, dass der Wettkandidat die Herausforderung meistert. Die prominenten Wettpaten konnten nun "Ja" (Ja, der Kandidat schafft es) oder "Nein" (Nein, der Kandidat schafft es nicht) tippen. Das wurde dann sichtbar auf kleinen  Konsolen angezeigt, die sich vor dem Sessel jedes Wettpaten befanden. Hatte nun ein Prominenter auf "Ja" getippt und der Kandidat die jeweilige Herausforderung geschafft, dann kamen auf das Konto des Prominenten 52 Punkte. Im umgekehrten Fall (der Kandidat schaffte es nicht und der Prominente hatte auch "Nein" gedrückt) bekam der Prominente die Punkte für die "Nein"-Quote, in diesem Fall 48 Punkte.
Nur bei ihrem jeweils eigenen Wettkandidaten mussten die Wettpaten selbstverständlich auf "Ja" tippen, bei allen anderen Kandidaten waren sie frei, ob sie mit "Ja" oder "Nein" stimmten. Und der Wettpate, der auf diese Weise über alle Wettrunden die meisten Punkte gesammelt hatte hatte, wurde zum Wettkönig. Der vom Wettkönig gesponsorte Wettkandidat gewann dann einen Geldbetrag. Deswegen mussten unter Elstner alle Prominenten über die gesamte Sendungsdauer anwesend bleiben. Und der Fokus lag auf Prominenten aus dem deutschsprachigen Raum, denn sie mussten ja in der Lage sein, zu verstehen, was sie mit ihrer jeweiligen Tipperei für den von ihnen unterstützten Kandidaten anrichteten.
5. Elstner fragt den prominenten Wettpaten, welches Opfer er denn bringen wird, wenn er die Wette verliert.
6. Die Wette wurde angenommen, der/die Kandidat/in zeigte, was er/sie konnte.
7. Die Auswertung erfolgt, je nachdem, ob der/die Kandidat/in die Herausforderung meisterte oder nicht.

Zugegeben, dieses starre Schema, das bei jeder Wette ablief, war nicht ganz einfach, und auch Elstner kam insbesondere während der ersten Sendungen manchmal ganz schön durcheinander. Aber im Gegensatz zu Gottschalk war "Wetten, dass...?" eben noch keine Personality-Show, in der die Prominenten auf der Couch zur Hauptsache und die Wettkandidaten zur reinen Dekoration wurden.

Lanz hätte eventuell eine Chance, wenn er bei "Wetten, dass...?" zur Elstnerschen Version zurückkehrte. Das damalige Konzept war zwar reichlich schematisch, bot aber auch einen stabilen Rahmen, an den sich der Spielleiter halten konnte. Ich sage mal: Wer bei einem Brettspiel wie "Siedler von Catan" den Überblick behält, kann auch die Elstnersche "Wetten, dass...?"-Version moderieren.

Da Lanz und das ZDF sich aber entschieden haben, das schon zu Gottschalks Zeiten entkernte Spielkonzept beizubehalten, ist der Untergang des einstigen Unterhaltungsdampfers unausweichlich.

Montag, 5. November 2012

24 Stunden bis zur US-Wahl: Obama hat noch nicht gewonnen!

Hallo Onkelchen. Vor vier Jahren hast Du ja die US-Präsidentschaftswahl minutiös begleitet. Was hast Du dir für diesmal ausgedacht?

Ich denke, wir werden uns in aller Ruhe betrachten, was passiert. Vor vier Jahren hatte man ja das Gefühl, dabei zu sein, während Geschichte geschrieben wird, wenn der erste Afroamerikaner Präsident der USA wird. Dieses Mal ist die Euphorie weitaus weniger stark ausgeprägt, viele Amerikaner machen Barack Obama zumindest in Teilen für die schlechte wirtschaftliche Lage verantwortlich, zudem herrscht große Sorge wegen der hohen Staatsverschuldung. Viele befürchten, Obama stehe für „mehr Staat“, und das in einem Land, in dem man den staatlichen Behörden ja doch auch misstrauisch gegenübersteht. Ich habe mal gelesen, dass man in den USA – anders als vielleicht hier in Europa – im Staat nicht unbedingt die Lösung aller Probleme sieht, sondern davon ausgeht, dass der Staatsapparat zumindest an einigen Stellen doch auch Teil des Problems ist.
Anders als vor vier Jahren kann es auch passieren, dass es erst ein Ergebnis gibt, wenn bei uns schon wieder die Sonne aufgegangen ist – denn in einigen der entscheidenden Staaten dürfte das Resultat ziemlich knapp ausfallen, und dementsprechend lang muss man warten, bis sich ein klares Bild ergibt.

OK. Gibt es denn einen Favoriten?

Wenn man sich die Umfragen der letzten Wochen ansieht, ist Präsident Obama ganz leicht im Vorteil. Ich habe hier eine Karte der USA, die von der US-Website Realclearpolitics stammt und die aktuellen Umfrageergebnisse einbezieht. Diese Prognose geht davon aus, dass das Team Obama bis auf Florida und North Carolina in allen entscheidenden Staaten gewinnen kann. Dann könnte Präsident Obama im Wahlmännerkollegium mit 303 Stimmen rechnen, und das würde ihm locker reichen, denn die Mehrheit liegt bei 270 Stimmen.


Das sieht doch deutlich aus.

Auf den ersten Blick ja. Aber man darf nicht vergessen, dass in einigen der sogenannten Swing States, die also mal demokratisch, mal republikanisch wählen, die beiden Kandidaten wirklich in ein Kopf-an-Kopf-Rennen verwickelt sind. Da kann es sein, dass ein paar tausend Stimmen den Ausschlag geben. In Bundesstaaten wie zum Beispiel Ohio liegen zum Beispiel Obama und Romney so dicht beieinander, dass die Differenz bereits innerhalb der statistischen Unschärfe liegt. Das heißt also, die Herausgeber der Umfrage sagen deutlich, dass das reale Meinungsbild um bis zu drei Prozent vom Umfrageergebnis abweichen kann. Die Zahlen für Obama und Romney liegen dann aber weniger als diese drei Prozent auseinander. Da kommt es dann zum Beispiel darauf an, ob man die Wahlbeteiligung richtig voraussagt. Gehen etwa die Schwarzen in Scharen zur Wahl, weil sie ihren Kandidaten Obama unterstützen wollen – oder sind sie doch eher von ihm enttäuscht und bleiben zuhause? Solche Details können in einem Swing State wie Florida oder Ohio den Ausschlag geben. Und dann kann die Karte auch so aussehen...

 
Oh.

Ja, ich habe mal ein Szenario entwickelt, bei dem Romney neben Florida auch Colorado, Ohio, Iowa, Virginia und New Hampshire gewinnt. Das ist durchaus möglich, das kann passieren, vielleicht mit etwas geringerer Wahrscheinlichkeit als die Karte, die ich vorher gezeigt habe. Und in diesem Fall liegt Romneys vorne und gewinnt die Präsidentschaft.

Es wird also spannend. Schönen Dank, Onkelchen!

Donnerstag, 18. Oktober 2012

Palfis Altersruhesitz

Wahrscheinlich habt ihr gemerkt, dass hier schon seit einiger Zeit Funkstille herrscht. Das hat darin seinen Grund, dass mir mein Onkelchen abgeht, der ja meine geistigen Ergüsse in den Computer hacken soll. Er hat sich mir nichts, dir nichts davongemacht und Tante Dilein gleich mitgenommen. Und zwar ausgerechnet nach Thüringen! Mallorca oder Teneriffa hätte ich ja noch verstanden. Allem Anschein nach herrscht aber im Herzen Deutschlands zur Zeit sehr sonniges Herbstwetter und die Bäume sind bunt. Und vielleicht hatte Onkelchen nach seiner Taiwan-Tour einfach keine Lust, sich ins Flugzeug zu setzen. Das könnte so manches erklären.

Gestern bekam ich dann die Nachricht, dass Onkelchen und Tante Dilein miteinander den Leipziger Zoo besucht hatten. Das ist ja allerhand! Die beiden gehen in den Zoo und lassen mich und meine Rüsselbande alleine zuhause sitzen. Die beiden werden was zu hören kriegen, wenn sie wieder heim kommen. Garantiert.

Denn der Leipziger Zoo wäre so etwas wie die erste Wahl für meinen Altersruhesitz. Man kann ja im Fernsehen bestaunen, wie toll der Elefantentempel ist, den die Sachsen vor ein paar Jahren für uns hochgezogen haben. Viel Platz gibt es da, man wird als Bulle regelmäßig mit Damen zusammengebracht und kann den Elefantendamen sogar von außen beim Baden zusehen. Das wäre etwas für Vaters Sohn! Die meiste Zeit würde ich allerdings mit Dösen verbringen.


Der Leipziger Zoo hat zudem einen anderen Vorteil: Viele Tiere bekommt man gar nicht erst zu sehen, bei manchen Gehegen und Tieranlagen gucken sich die Besucher die Augen aus dem Kopf und finden die ausgestellten Viecher gar nicht. So etwa im Gondwanaland. Da können die Zweibeiner eine Bootstour durch eine künstliche Dschungellandschaft machen, und theoretisch müssten sie dabei auch entsprechende Tropentiere zu sehen bekommen - Krokodile, Tapire, Zwergflusspferde, so was in dieser Preisklasse. Die lassen sich aber gar nicht erst blicken. Das ist prima, da hat man seine Ruhe. Weil sich die Tiere in echt nicht blicken lassen, gibt es seit einigen Jahren eine Fernsehserie. Die zeigt, dass im Leipziger Zoo auch tatsächlich Tiere leben.

Onkelchen, der alte Schmarotzer, wedelte natürlich gleich wieder mit seinem aus zweifelhaften Kanälen erworbenen Presseausweis, weil er damit auf freien Eintritt hoffte. Die Dame am Kassenhäuschen ließ ihn aber abblitzen. Geschah ihm recht! Da musste er dann doch tatsächlich 17 Euro für den Einlass blechen, hihi.  Tante Dilein war etwas fassungslos, als sie den Preis hörte und fragte nach, ob die 17 Euro der Preis für eine Jahreskarte seien. Nö, meinte Cindy, die hübsche Rothaarige vom Kassenhäuschen, das sei der ganz normale Tagespreis. Sie sagte das natürlich mit einem entzückenden sächsischen Akzent, den ich hier lieber mal nicht nachmache. Wenn ich im Leipziger Zoo in Rente bin, darf Cindy mich jederzeit kraulen, wenn sie mag. 

Die Tiere in Leipzig sind ja auch prominent, regelrechte Fernsehstars. Das kostet natürlich ein bisschen mehr, das muss einem im Vergleich zu Popel-Zoos wie Stuttgart oder München schon fünf Euro Mehrpreis pro Nase wert sein. 

Und dann stapften Onkelchen und Tante Dilein fünf Stunden lang durch den Zoo. Wider Erwarten gab es nach der etwas ermüdenden Dschungelbootfahrt dann doch ein paar Tiere zu sehen. Wahrscheinlich hatten die gerade Dienst. Leider waren da auch ein paar Viecher dabei, die ich wirklich furchtbar finde. So wie das hier:


Tante Dilein liebt ja alles, was Schnurrhaare hat, so zum Beispiel dieses Tigerjunge. Ich dagegen finde Tiger mindestens so schlimm wie Onkelchen Vogelspinnen. Und Onkelchen HASST Vogelspinnen.

Nach fünf Stunden waren Onkelchen und Tante Dilein sehr ausgepowert und wankten zum Ausgang, denn beide mussten ja noch zu ihrer Appartementwohnung nach Erfurt zurückfahren. Leider hatten sie keine Möglichkeit, ihre Eindrücke und Eingaben schriftlich niederzulegen, denn am Zoo-Ausgang gab es weder einen Feedback-Fragebogen noch ein Gästebuch. So zogen beide ab, und Palfi freut sich, irgendwann mal in Leipzig einzuziehen.



Mittwoch, 19. September 2012

Going to Taipei

Das Herz von Taipei schlägt an der Zhongxiao-Fuxing-Kreuzung. Hier treffen sich die Durchgangsstraßen Zhongxiao Road und Fuxing Road, darüber hinaus befindet sich hier eine der meistfrequentierten U-Bahnstationen der taiwanischen Hauptstadt, und nicht zuletzt steht hier das gigantische Kaufhaus SOGO - ein Einkaufs-Koloß, der in zwei Gebäuden untergebracht ist, die einander schräg gegenüberstehen und durch die Untergrundstation miteinander verbunden sind. Zhongxiao-Fuxing markiert damit das Zentrum des Einkaufsviertels von Taipei, das von unzähligen überdimensionalen Werbeplakaten und Leuchtreklamen überquillt, die hauptsächlich westliche Luxusprodukte anpreisen.


Das Kaufhaus SOGO ist denn auch weniger ein Warenhaus alter Prägung, sondern vielmehr ein Konglomerat verschiedenster Marken-Outlets, die jeweils alle über eigenes Personal verfügen. Im Erdgeschoss kann man zum Beispiel am Cartier-Shop vorbei flanieren, der mit seiner schwarzglänzenden Marmorverkleidung stark an das Pharaonengrab am Ende des Cleopatra-Filmklassikers erinnert, in dem Liz Taylor und Dick Burton ihr Leben aushauchen. Gegenüber findet man Chanel, allerdings nicht, wie man vielleicht vermuten könnte, die Parfum-Kollektion, sondern das Modelabel, in dem ja bekanntlich Karl Lagerfeld das Regiment führt. Die Parfümabteilung befindet sich entgegen mitteleuropäischen Gepflogenheiten ein paar Stockwerke weiter oben, und dort glotzen Natalie Portman für Dior und ihre zeitweilige Amidala-Vertretung Keira Knightley für Chanel um die Wette.
Die beiden MAWs (ein britischer Ausdruck, der etwas resigniert für das Begriffstrio "Model, Actress, Whatsoever" steht) dürfen aber praktisch schon zur Oma-Kategorie der Frauengesichter gezählt werden, die im Schatten des Taipei 101 an die Wände geklatscht werden. Stattdessen grinsen mandeläugige Kindfrauen von den Omnibussen und Plakatwänden, und man fragt sich ernsthaft, ob das Ablichten dieser Mädchen bei uns zuhause nicht unter das Kinderschutzgesetz fallen würde. Auf manche dieser Kindergesichter darf man sogar ungehemmt drauftreten:


Der Druck, der damit für die Mädchen und Frauen in Taipei entsteht,ist enorm. Denn wie man auf den Straßen rund um Zhongxiao-Fuxing sehen kann, geben sich die Frauen und Mädchen der taiwanischen Hauptstadt alle Mühe, diesem Schönheitsideal zu entsprechen. Matronen reiferen Alters flanieren dort in den Abendstunden jedenfalls eher selten. Wohl deshalb reiht sich in diesem Viertel auch Kosmetikboutique an Kosmetikboutique:

Ja, dieses Bild wurde tatsächlich in Taipei aufgenommen, warum fragen Sie?
Normaler ging es dagegen in der Bar zu, in die es Onkelchen und seine beiden taiwanischen Kumpane heute nach getaner Arbeit verschlagen hat. Im "Jollys" gibt es moderne asiatische Küche, die sich bei Onkelchen auch jetzt noch, Stunden danach, bemerkbar macht. Bei jedem Aufstoßen treibt knoblauchgeschwängertes Gas nach oben und verpestet die Luft in dem Hotelzimmer, in dem Onkelchen nun wenigstens auf ein paar Stunden Schlaf hofft. Bemerkenswert am "Jollys" ist, dass der Besitzer in Deutschland das ehrbare Handwerk des Bierbrauens erlernt hat und in seiner Kneipe eine Hausbrauerei eingerichtet hat. Seine Spezialität ist der sogenannte Sixpack, bei dem jeder in winzigen Gläsern insgesamt sechs Biersorten kosten kann (darunter auch Weizen und Pilsner und ein "Special Brew", das verdächtig nach Pampelmuse schmeckt), ohne dass es ihn/sie zu sehr dreht. Schräg gegenüber redete ein Taiwanese, der wie die asiatische Version des derzeitigen bayerischen Finanzministers Markus Söder wirkte, auf eine attraktive Frau ein, die wie die chinesisch-amerikanische Schauspielerin Ming-Na aussah, allerdings jünger und mit Mausezähnchen. Es war offensichtlich, dass Taiwan-Söder mit der seinem bayerischen Pendant innewohnenden Schmierigkeit versuchte, Mausezähnchen-Ming-Na herumzukriegen. Diese lauschte die meiste Zeit gottergeben den mehr oder weniger geistreichen Komplimenten ihres Gesprächspartners, schien sich aber, als Onkelchen seine letzte Garnele aus ihrer Hülle löste, mit ihrem Schicksal abgefunden zu haben und lachte ein paarmal pflichtbewusst. Hin und wieder guckte sie auch zu Onkelchen hinüber. Ob sie dabei wortlos um Hilfe flehte oder Onkelchens Haupthaar bewunderte, wurde nicht ermittelt, denn kurz darauf verließen Onkelchen und seine taiwanischen Kumpels die Bar, und Ming-Na-Mausezähnchen musste selber sehen, wo sie blieb.
Allerdings ist Onkelchen auch in Taipei durchaus beflissen, dem Wissen seiner Mitmenschen beträchtliche Auswölbungen hinzuzufügen. So erklärte er einem jungen Mann namens Allen, der ihm bei seinen Firmenbesuchen begleitete, am folgenden Beispiel das deutsche Wort "Saftladen".

Ob Allen jedoch die im Deutschen nicht immer positiven Konnotationen des Wortes "Saftladen" auch verstanden hat, kann hier leider nicht weiter erörtert werden.

Dienstag, 18. September 2012

Und der Panda schläft...

... im Zoo von Taipei!

Montag, 17. September 2012

Das Geheimnis des Klistalldlachens

OK, Onkelchen hat es also wieder in den Fernen Osten verschlagen. Wie vor knapp einem Jahr versucht er, ganz Taipei davon zu überzeugen, dass er der einzig wahre Fachjournalist für alles ist, was auch nur im entferntesten mit Computer, Software, Smartphones etcetera zu tun hat - mit vorhersehbar geringem Erfolg, wie wir uns natürlich alle schon gedacht haben. Immerhin hat er sich diesmal Hilfe von Einheimischen geholt, und so steht zu hoffen, dass unser liebes Onkelchen nicht in allzu viele und zu große interkulturelle Fettnäpfchen tritt. Im Gegensatz zu seinem großen Bruder, der in der Chemie- Arzneimittelbranche reüssiert hat und deshalb aus Prinzip Business fliegen darf, musste Onkelchen die Reise nach Taiwan in der Holzklasse der Cathay Pacific antreten. 

Prinzipiell hatte er dagegen auch nichts einzuwenden, denn die Cathay Pacific ist ja durchaus eine seriöse Fluglinie und ihr Bordunterhaltungsprogramm sucht in der Economy-Class ihresgleichen. Wo sonst könnte man sich die Zeit mit fast allen Folgen der fünften Staffel der "Big Bang Theory" vertrödeln oder die brandaktuelle zweite Staffel von "Game of Thrones" angucken, gewürzt mit aktuellen Kinoknallern wie "Snow White and the Huntsman", "Merida" und "The Hunger Games"? Und wo könnte man auch die komplizierten romantischen Verwicklungen einer Hong Konger Beziehungskiste nachvollziehen, bei der es beide Beteiligten nach Peking verschlägt - all das im chinesischen O-Ton und mit englischen Untertiteln? Mach das mal nach, liebe Lufthansa, und das dann bitte auch noch so, dass nicht jeder zweite bis dritte Sitz von einer Media Equipment Box verstellt wird, so dass nur Beinamputierte auf den betreffenden Plätzen bequem sitzen können. Also wären eigentlich alle Voraussetzungen erfüllt gewesen, dass Onkelchen auf seinem Platz in dem zwar schon etwas betagten, aber immer noch Vertrauen einflößenden Boeing 747-400 Spaß hätte haben können. Aber auf dem Sitz neben ihm saß nun leider keine feingliedrige Chinesin (wie Onkelchen möglicherweise heimlich hoffte), sondern ein Bär von einem Mann, der Onkelchen sowohl hinsichtlich der Körpergröße als auch in Bezug auf den Bauchumfang wahrscheinlich um jeweils fünf bis zehn  Zentimeter übertraf. Da Onkelchen nun nicht unbedingt an näherem Körperkontakt mit diesem Koloss von Rhodos (der in diesem Fall aus der Gegend von Aachen stammte) interessiert war, wurden die zehn Stunden und zehn Minuten Flug zu einer echten Geduldsprobe. Da der Jumbo-Jet das für diesen Typ bei Rückenwind übliche eher ruppige Flugverhalten an den Tag legte, wurde auch der Darminhalt gut durchgeschüttelt. Dafür hatte Onkelchen bei seiner Ankunft im Hotel keinerlei Probleme mit Verstopfung, wie es ja nach langem Sitzen passieren kann. Insofern kuschelte er sich nach getaner Verrichtung in sein Bettchen und wachte erst vier Stunden später wieder auf, kurz bevor ihn sein Anstandswauwau in Empfang nahm, der ihn bei seinen Touren durch Taiwan begleitet und darauf achtet, dass Onkelchen nicht zuviel Unfug macht.

Heute nun war Onkelchen in Taipei unterwegs, um interessante Menschen aus der dortigen Elektronikbranche kennenzulernen. Taiwan ist ja das Elektronik-Land par excellence. Das einzige Problem, das die Elektronikindustrie in Taiwan nach wie vor hat, ist es, die Welt zu überzeugen, dass die ganz billigen Mainboards alle aus China kommen und man selbst die hochwertigen und zuverlässigen produziert. So schlug er sich tapfer und trotz Jetlag durch vier Termine und tat so, als würde er von dem ganzen Kram, über den er seine Gesprächspartner befragte, tatsächlich etwas verstehen. Heiratsanträge feingliedriger und zartgesichtiger Taiwanerinnen hat er bisher noch nicht bekommen. Ihn wundert allerdings sehr, dass es in Taipei praktisch an jeder Ecke sogenannte "Beauty Clinics" gibt, in denen die leicht(gewichtig)en Mädchen von Formosa ihre Gesichtszüge modifizieren lassen können, vermutlich damit sie mehr wie die Kindfrauen wirken, die als Werbefotos auf jedem Autobus prangen. Selbst Mütter, die schwere Kinderwagen nebst Nachwuchs vor sich her schieben, sehen hier nicht älter als vierzehn oder fünfzehn Jahre aus. 

Und an jeder Ecke gibt es Drachen zu sehen. Tempel erkennt man daran, dass sich schlangenartige Drachenleiber um die pagodenartige Dachfirste ringeln, meistens haben sie je einen pro Himmelsrichtung. Kein Wunder, denn Drachen gelten in China und damit auch in Taiwan als Glückssymbole. Ein solches hat sich ein Geschäftsmann, dessen Büro Onkelchen heute begutachten durfte, in Einzelanfertigung bei Swarovski bestellt (siehe Foto). Dieser supersüße Drachen soll langes Leben und Erfolg und selbstverständlich Gesundheit garantieren. Gut nur, dass Onkelchen dieses zerbrechliche Wunderwerk nicht berührt hat, sondern beim Fotografieren respektvollen Abstand einhielt...        



Montag, 3. September 2012

Henk, der coolste Typ der Welt

Gestern lernten Onkelchen und Tante Dilein den coolsten Typen der Welt kennen. Davon hatten sie noch keine Ahnung, als sie sich mit einer guten Bekannten, die sie beide schon aus der Schulzeit kannten, zum abendlichen Pizzaessen verabredeten. Die Bekannte (nennen wir sie zum beiderseitigen Schutz hier eben einfach Luzie) kommt aus der Landwirtschaft und hatte zuvor noch gefragt, ob sie den Betriebshelfer mitbringen könne, der zur Zeit bei ihnen auf dem Hof aushilft. Onkelchen und Tante Dilein hatten nichts dagegen, Tante Dilein ermahnte Onkelchen noch, nett zu dem Mann zu sein, denn, na ja bei Onkelchen weiß man nie, wenn er es mit Leuten zu tun hat, mit denen er nicht kann, wird er schnell bockig und unleidlich. Onkelchen versprach, nett zu sein, und trottete mit in die Pizzeria. Und dort begegneten sie Henk.

Bei Henk (dem von Luzie mitgebrachten Betriebshelfer) zeigt sich sofort, dass es sich nicht einen der üblichen unglückseligen Bauer-sucht-Frau-Typen handelte. Henk ist der geborene Kuh- und Stierflüsterer und dürfte aller Wahrscheinlichkeit nach auch bei einem Wettstreit mit einem Bären nicht komplett chancenlos sein. Auf jeden Fall ist er ein Typ, der sich stets und immer zu helfen weiß, diesen Eindruck vermittelte er beim ersten Ansehen. Die Berufsbezeichnung "Betriebshelfer" ist zudem völlig unzureichend. Zwar hilft der eigentlich in den Niederlanden geborene und mit 19 Jahren nach Deutschland ausgewanderte (ja, so was gibt es!) Landwirtschaftsexperte auch dann und wann mal auf einem Hof aus, aber er berät auch beim Bauen und Einrichten von Ställen sowie bei der Zusammenstellung des Futters der Rindviecher. Und das vom Niederrhein über Saudi-Arabien bis Kasachstan. Es gab sogar schon Anfragen aus Pakistan.

Onkelchen hatte schon nach kurzer Zeit heraus, dass Henk ursprünglich aus den Niederlanden kommt und so entspann sich ein interessantes Gespräch, das alle Beteiligten gleichermaßen in seinen Bann zog.   Onkelchen erfuhr, dass es nicht viel gibt, was Henk aus der Fassung bringt (mit Ausnahme eines Flugzeugs, mit dem er die Strecke von Moskau nach Sibirien zurückzulegen hatte - das Ding war mit Gepäcknetzen und Holzstühlen ausgestattet, und als Henk noch überlegte, ob er wirklich mit dieser Kiste fliegen wollte, spürte er schon die Hand eines bärenhaften Russen auf seiner Schulter, der ihm versicherte, das Ding würde auf jeden Fall und ganz bestimmt das Ziel erreichen). Dort angekommen, sah er sich mit Temperaturen von 38 Grad unter Null konfrontiert - in das Flugzeug war er mit typischen Reiseklamotten eingestiegen, und als er das Flugzeug verließ, fiel ihm als erstes der sternenklare Nachthimmel auf. Und ganz allmählich, als er noch auf das Gepäck wartete, das direkt am Flugzeug ausgegeben wurde, kroch so langsam die Kälte in ihm hoch - schneller ist nie jemand ins Terminal gelaufen. Aber einmal mit der richtigen Kleidung ausgestattet, die Henk ohnehin im Koffer hatte, war es schließlich kein Problem mehr, den Landwirten im tiefen Sibirien unter die Arme zu greifen.

Weniger abenteuerlich war ein Aufenthalt in Kasachstan, wo Henk einerseits die Freundlichkeit der Menschen und andererseits die Weite der Landschaft zu schätzen lernte. Nur dort, so sagte er, könne man es erleben, dass Himmel und Erde am Horizont ineinander übergehen und miteinander eins werden - was man ja sonst nur vom Meer kennt. Er erzählte darüber, inwieweit sich Deutsche und Russen hinsichtlich der Behandlung des Fleckviehs unterscheiden, und sogar Onkelchen, der vermutlich von der Landwirtschaft am weitesten entrückte Mensch auf Gottes Erden, hörte gebannt zu. Am Ende verabschiedeten sich alle herzlich (nachdem Henk zu Onkelchen gesagt hatte: "Du bist ein Superhirn. Das habe ich jetzt so entschieden..."). Und alle lernten etwas Wichtiges: Man muss nicht Popstar, Manager, Sportler, Pilot oder Model sein, um cool zu sein. Henk, der Küheflüsterer war es jedenfalls auch so...

    

Samstag, 25. August 2012

Ist dieser Spot sexistisch?


Tante Dilein sagt: Nein.

Samstag, 28. Juli 2012

Worin besteht die olympische Idee? Hat sie jemand gesehen?

So, seit gestern beziehungsweise heute morgen brutzelt die olympische Flamme wieder, und wer könnte besser dazu geeignet sein, das Geschehen in und um London zu kommentieren als ... Onkelchen! 

Hallo, Palfi.

Wie hat dir die Eröffnungsfeier in London gefallen?

Journalisten schreiben natürlich immer von einer bunten, farbenprächtigen Show. Das tun sie in der Regel, wenn ihnen nichts Besseres einfällt. Ich muss sagen, es war rundweg die beste Eröffnungsfeier seit Seoul 1988.

Warum gerade Seoul 1988? 

Das war die Zeremonie, die bei mir einfach den nachhaltigsten Eindruck hinterlassen hat. Da gab es zu Beginn eine Schiffsparade auf dem Han-Fluss, der direkt am Olympiastadion vorbeifließt. Vieles war neu und fremdartig, die Feier hat damals viel von der koreanischen Geschichte und Kultur vermittelt. Zudem spürte man den politischen Umbruch in Korea weg von der Diktatur hin zu mehr Demokratie. Und das war großartig.

Leider wurden damals auch ein paar Tauben im olympischen Feuer gegrillt...

Ja, ich frage mich, wie das bei den Eröffnungsfeiern bis dahin gelöst wurde. Ich denke, dass bei den meisten Opening Ceremonies immer wieder das eine oder andere Täubchen geröstet wurde. Nur in Seoul hat man's leider weltweit gesehen.

Was hat dir in London besonders gut gefallen?

Die Mischung, es hat fast alles gestimmt. Und es gab wunderbare Momente. Die Filmeinspielung, in der Daniel Craig alias James Bond die Queen aus dem Buckingham-Palast abholte. Die Entzündung der Flamme, in der sich 204 kleine zu einer großen Flamme vereinigten. Und "Chariots of Fire" mit Rowan Atkinson alias Mister Bean, der gelangweilt immer die gleiche Taste auf dem Keyboard drückt. Ich habe Tränen gelacht. Es war eine sehr sympathische, unpathetische Feier mit dem richtigen Schuss Humor. Es gab zwar auch ein paar Längen, so die eine Tanznummer mit dem Pärchen, wo das Mädel das Handy verliert, war zu lang. Man muss ja auch sehen, dass der Einmarsch der Nationen dauert und dauert und dauert...

Dann hat London der olympischen Idee neues Leben eingehaucht?

Gegenfrage: Kann mir jemand mal sagen, worin die olympische Idee eigentlich besteht?

Wie bitte?

Worin besteht die olympische Idee? Das ist doch eine ganz einfache Frage. Ich habe noch nie jemanden getroffen, der sie mir erklären konnte.

Naja, ist doch ganz einfach... Dabeisein ist alles... und so.

Mach dich nicht lächerlich. Bei Olympia zählt letzten Endes auch die alte Abba-Weisheit "The winner takes it all, the loser's standing small." Der Sieger wird steht im Mittelpunkt, der Verlierer wird vergessen oder gar verlacht. Über Eddie "the Eagle" Edwards haben 1988 alle gespottet, obwohl er wahrscheinlich mehr als jeder andere Schiss davor hatte, 1988 in Calgary die Schanze runterzufahren. In gewisser Weise war er aber der Normalo unter den ganzen hochgezüchteten Athletenmaschinen. Und gerade der "Dabei sein ist alles"-Blödsinn ist aus dem antiken Vorbild überhaupt nicht abzuleiten. Im antiken Olympia galt nur der Sieger etwas. Für Sieger hat man eine Bresche in die Stadtmauer gebrochen, damit er triumphal einziehen konnte. Schon die Zweitplatzierten mussten nachts und auf Umwegen nach Hause schleichen, damit sie nicht mit Kot bekübelt wurden.

Harte Sitten damals.


Das entsprach dem agonalen Denken der Griechen, die zahlreiche Bereiche des Lebens als Wettkampf betrachteten. Der andere Aspekt, den man vielleicht noch unter olympischer Idee subsummieren könnte, ist die Vorstellung der Völkerverständigung durch Sportwettkämpfe. Das ist auch Humbug. Im alten Griechenland mussten wenigstens während der Dauer der Spiele alle Kampfhandlungen ruhen. Im modernen Zeitalter hat das leider nie funktioniert. Es ist ja sogar so, dass Sport nationale Differenzen manchmal sogar noch vertieft hat. Man muss sich dazu nur mal die Schlagzeilen der britischen Presse anschauen, wenn England gegen Deutschland spielt. Da ist zum Teil ja vom "alten Feind" (old enemy) die Rede. Es gab sogar mal einen Fußballkrieg zwischen Honduras und El Salvador im Anschluss an die Qualifikationsspiele zur WM 1970. Die olympische Idee ist also nur ein Begriff ohne Inhalt. Fußball-Weltmeisterschaften sind da wenigstens ehrlich: Es geht darum, wer Weltmeister wird. Punkt. Aus. Schluss. Keine quasireligiösen Obertöne, kein Mummenschanz.

Aber die FIFA ist doch ein ziemlich korrupter Haufen?

Es gab auch bei der Vergabe von olympischen Spielen in der Vergangenheit Fälle massiver Korruption im IOC. Das IOC ist darüber hinaus feige, es hat gegenüber den Machthabern in China gekniffen und verweigert den Opfern des Terroranschlags bei den Spielen von München bis heute eine Schweigeminute im Rahmen der Spiele. Mit der FIFA und Sepp Blatter habe ich dagegen kein Problem. Wir haben 2006 die WM bekommen, obwohl Blatter damals massivst Südafrika unterstützt hat. Und das kann uns keiner mehr nehmen. Dagegen sind seit 1972 ALLE  deutschen Olympiabewerbungen gescheitert. Alle. Von daher bin ich mit der FIFA eigentlich recht zufrieden.






Sonntag, 8. Juli 2012

Eine Sanges-Karriere geht zu Ende!

Onkelchen wird heute seine "Karriere" als Chorsänger fürs erste beenden. Das Wort "Karriere" darf man hier durchaus in Anführungszeichen setzen, denn so richtig durchschlagend war sein Erfolg in diesem Bereich ja nie. Als Onkelchen vor ein paar Wochen, durchaus auch im Einverständnis mit Tante Dilein, diesen Schritt vor einigen Wochen ankündigte - denn es gebietet ja die Höflichkeit, die künstlerische Leitung des Chores davon zu unterrichten - war er einigermaßen überrascht, dass der Chorleiter in einer ungewöhnlich besorgten Art und Weise nachfragte, warum Onkelchen denn nicht mehr mitmachen wolle. Schließlich seien er und Tante Dilein ja auch ein sängerischer Gewinn für das Ensemble gewesen. Tante Dilein formulierte dann in Onkelchens Auftrag eine einigermaßen lahme Ausrede - naja, der Zeitaufwand, und die Tatsache, dass Onkelchen jede Woche berufsbedingt von der glamourösen Weltstadt Neuler-Ramsenstrut in das Provinzkaff München pendeln musste - solches Zeug eben. Lahme Ausreden, damit der Chorleiter, der ja unter anderem mit seinen Schulchören ungeahnte Erfolge feiert, zum Beispiel sang sein Schulchor vor kurzem in der Londoner Royal Albert Hall - oder war es die Saint Paul's Cathedral? - sein Gesicht wahren kann. Denn als Badewannen-Caruso ist Onkelchen gar nicht schlecht. Man muss auch ehrlicherweise sagen, dass man von ihm zu jeder Zeit eine passable Version von "You'll never walk alone" bekommen kann, selbst wenn man ihn um drei Uhr früh weckt, vorausgesetzt, er hat am Vorabend nicht zu viel Bier getrunken, was aber ohnehin nur selten vorkommt.
Nein, Onkelchens Abschied vom Chorgesang hat viel mit den oft zitierten "künstlerischen Differenzen" zu tun. Onkelchen ist hellsichtig genug, dass die Sangeskunst, die er darbietet, vermutlich am besten in Gänsefüßchen aufgehoben ist. Das Zeug, auf das der Chorleiter abfuhr, war halt immer schrecklich kompliziert. Und Onkelchen konnte mit Noten noch nie wirklich was anfangen. Das ist ungefähr so, wie wenn man dem nun schon mehrfach genannten Chorleiter ein paar Blätter voll mit Programmiercode in C vorlegen würde und ihn dann aufforderte: "So, jetzt sag' mir mal, was da rauskommt!" Genauso ist es, wenn Onkelchen Noten vor sich liegen hat. Er weiß zwar, aha, hier geht's rauf, hier geht's runter, hier muss man etwas länger aushalten - aber das ist es dann schon. Er kann sich die Verhältnisse, um wieviel höher und wieviel länger, nur dann vorstellen, wenn er das Zeug dann auch mal mehrfach vorgesungen/gespielt/gepfiffen bekommen hat. Wenn's dann aber komplizierter Stoff ist, streckt er die Waffen. Dann ist es nämlich harte Arbeit, sich mit dem Zeug auseinanderzusetzen.Und dafür hat er immer weniger Zeit, weil er ja jede Woche berufsbedingt von der glamourösen Weltmetropole Neuler-Ramsenstrut in das Provinzkaff München pendeln muss. Und manchmal muss er ja auch noch bloggen.
Dadurch, und das war natürlich eine völlig unbeabsichtigte Nebenwirkung seines Karriere-Endes, geriet die Existenz des Chores, der sich anspruchsvoller Vokalmusik verschrieben hat, ins Kippeln. Denn Männer sind heutzutage in Chören ausgesprochen selten. Ich würde sogar soweit gehen, dass Chöre noch eines der wenigen Refugien der heutigen Zeit sind, in denen Männer noch wirklich gebraucht und angemessen gewürdigt werden. Frauen sind ja heute überall auf dem Vormarsch, und Männer werden überflüssig. Eventuell unzureichende Körpergröße können die Damen mit Trittleitern ausgleichen, und für alles andere, wofür Männer früher unerlässlich waren, gibt es heute Batterien. Nur eben in Chören nicht - man kann keine vierstimmigen Motetten oder Choräle singen, wenn nicht wenigstens ein paar Tenöre oder Bässe vorhanden sind. Und deswegen stellt sich für viele Chöre, die mit Frauen zwar mehr als ausreichend bestückt sind, sofort die Existenzfrage, wenn ein Tenor oder Baß das Handtuch wirft.
In Schulchören ist das ja noch einfach. Entweder keilt der Musiklehrer die Jungs mit der Aussicht auf eine Aufwertung der Note im Fach Musik. Oder die Jungs kommen von selber, angelockt von der Möglichkeit, die kleine Blonde oder Brünette mit der glockenhellen Sopranstimme wenigstens aus der Ferne anschmachten zu können. Dann aber kommt unweigerlich der Moment, in dem die allermeisten Jungs realisieren, dass sie bei der kleinen Blonden oder Brünetten nie werden landen können, egal, wie sehr sie sich ins Zeug legen - gesanglich oder anderweitig. Und dann ist es um die Motivation meist geschehen. Und wenn diese Jungs mal erwachsen geworden sind, finden sie nie mehr den Weg zurück in einen Chor, denn die dort vorhandenen Frauen haben oftmals einen leicht verwelkten Zug an sich. Ich habe außerdem noch nie von Männern gehört, die in einen Chor gegangen sind, um Frauen anzubaggern, denn bei den anspruchsvollen (ich meine natürlich Chören) muss man erst mal vorsingen, bevor man mitmachen darf. Und außerdem sitzt man während der Chorproben ohnehin nach Stimmen getrennt und kann keine Konversation betreiben. Die sogenannte Nach-Singstunde mit viel Bier, die früher bei Männergesangvereinen der eigentliche Grund für die Teilnahme war, gibt es zudem in gemischten Chören in aller Regel nicht.
Wenn man Onkelchen wirklich halten wollte, dann müsste man mit ihm über ein etwas anderes Repertoire reden, und zwar Sachen, die er im Schlaf kann. Fußball-Songs zum Beispiel: "You'll never walk alone" wäre da ein guter Titel. Oder "Three Lions" (natürlich nur die beiden guten Versionen von '96 und '98). "Ferry 'cross the Mersey" - ebenfalls jederzeit. Da käme schon was Anständiges zusammen. Dann würde auch das Publikum wieder kommen. Und auch ein paar Männer. Wetten?

Montag, 25. Juni 2012

EM-Halbfinale: (Noch) Kein Grund zur Verzweiflung!


Wenn man sich einem Chor anschließt, dann erlebt man allerlei interessante Dinge. Mal singt man Bach auf Speed, mal performt man moderne klassische Musik, die so lächerlich kakophon ist, dass man sich manchmal wünscht, irgendjemand aus dem Publikum würde einfach mal laut „Hurz!“ rufen. Auch abgesehen davon können Chorproben sehr anregend sein. Man erfährt zum Beispiel, dass in einem kleinen Dörflein namens Bachhagel ein Mädel von geradezu lenameyerlandrutesker Grazie lebt, das auch noch mit einem glockenhellen Sopranstimmchen gesegnet ist. Wir werden sie bestimmt bald in einer der zahlreichen Casting-Shows wiedersehen, vielleicht holt die Blume aus Bachhagel ja den nächsten Titel beim Eurovision Song Contest!

Seit nun Italien als Halbfinalgegner der deutschen Elf bei der EM feststeht, ist es ausgemachte Sache, dass wir den EM-Titel erst nach dem nächsten Sieg beim Song Contest erringen werden. Denn nie hat Deutschland gegen Italien bisher bei einem großen Turnier gewonnen. Und diese EM scheint nicht das Turnier zu sein, in dem langanhaltende Serien reißen – sonst hätte England nicht schon wieder im Elfmeterschießen die Segel streichen müssen. Der erste Turniersieg gegen Italien ist deshalb mit hoher Wahrscheinlichkeit noch nicht bei der Euro 2012 fällig.

Das ist jetzt nicht die übliche Unkerei im Stile von Onkelchens „Wir werden in der Vorrunde ausscheiden, uuuh – uuuh, das Viertelfinale ist Endstation – uuuh, uuh“. Es ist vielmehr so, dass in der Endphase wichtiger Turniere einfach gewisse Gesetzmäßigkeiten greifen. Zum Beispiel: England verliert im Elfmeterschießen, und Deutschland unterliegt gegen Italien.

Aber ist das wirklich so? Betrachten wir Deutschlands bisher nicht besonders ruhmvolle Tunierspielserie gegen Italien etwas näher, dann gibt es durchaus einige Details, die zu Hoffnung Anlass geben. Denn so häufig sind Deutschland und Italien bisher bei Turnieren nicht aufeinandergetroffen. Mitunter war es sogar so, dass Italien gerade in den Turnieren sehr früh ausschief, in denen Deutschland sehr weit gekommen ist. 1966 zum Beispiel – damals erreichte Deutschland das Finale, und Italien flog gegen Nordkorea aus der WM. Oder 1974, als Deutschland den Titel holte – damals flog Italien bereits nach der Gruppenphase raus.

Apropos Gruppenphase: Egal ob EM oder WM, wenn Deutschland und Italien in der Gruppenphase eines Turniers aufeinandertrafen, gab es immer ein Unentschieden.

WM 1962: 0-0

WM 1978: 0-0 (Die 2. Finalrunde wurde 1978 im Gruppenmodus ausgetragen)

EM 1988: 1-1

EM 1996: 0-0

Nur dreimal trafen die beiden Länder in der KO-Phase eines Turniers aufeinander, nämlich bei den Weltmeisterschaften 1970, 1982 und 2006. 1970 und 2006 war es jeweils das Halbfinale, 1982 das Finale. Bei diesen drei Partien zog jeweils Deutschland den Kürzeren, aber hier ist noch ein weiteres Detail zu betrachten. Deutschland musste in allen drei Fällen im vorherigen Spiel in die Verlängerung gehen, nämlich 1970 im WM-Viertelfinale gegen England, 1982 im Halbfinale gegen Frankreich und 2006 im Viertelfinale gegen Argentinien. 1982 und 2006 musste Deutschland sogar ins Elfmeterschießen.

Das bedeutet: Die deutsche Elf hat zwar bisher nie in einem Turnier gegen Italien gewinnen können, aber:

-          Die drei Niederlagen 1970, 1982 und 2006 ereigneten sich jeweils bei einer WM. Bei einer EM hat Italien dagegen noch nie gegen Deutschland gewinnen können (Deutschland war bei einer EM allerdings auch noch nie gegen Italien siegreich).  

-          Den Niederlagen gegen Italien ging jeweils stets ein Spiel voraus, in dem Deutschland in die Verlängerung gehen musste. Dies ist diesmal nicht der Fall.

-          Bei den Niederlagen 1982 und 2006 griff eine weitere seltene Gesetzmäßigkeit, die bis dato noch nicht intensiv erforscht wurde. 1982 und 2006 waren jeweils die ersten Weltmeisterschaften, die nach einer Papstwahl stattfanden. Bei der Papstwahl 1978 wurde ein Pole gewählt, beim Konklave 2005 ein Deutscher. Italien gewann jeweils im Halbfinale gegen das Land des amtierenden Papstes, und zwar jeweils mit 2-0 (1982 gegen Polen und 2006 gegen Deutschland). Im Finale 1982 gewann dann Italien gegen das Land des kommenden Papstes.

Keiner dieser Begleitumstände trifft bei der Partie zwischen Deutschland und Italien am Donnerstag in Warschau zu. Es gibt genug statistische Anhaltspunkte, die darauf hindeuten, dass sich den bisherigen Pflichtspiel-Niederlagen nicht unbedingt eine weitere hinzugesellen muss. Schwer genug wird’s trotzdem.

Freitag, 22. Juni 2012

Halbfinale! Ja! Aber erkenne dich selbst!

Onkelchen hätte sich so sehr einen Sieg der Griechen gewünscht! Wie in diesem legendären Aufeinandertreffen der Deutschen und der Griechen:
 

Samstag, 26. Mai 2012

Kurt Palfi garantiert Stil und Qualität!

Auch wenn dieser Blog noch nicht zu den meistfrequentierten Anlaufstellen im Web zählt, sind ich und mein Onkelchen stets bemüht, unseren verstreuten Lesern in unseren Elaboraten die höchste Qualität und den besten Stil zukommen zu lassen.

Und hierfür wurde jetzt auch der unwiderlegbare Beweis geführt! Auf der Website der hochwohllöblichen F.A.Z. wurde ein kleines Tool namens "Ich schreibe wie..." veröffentlicht. Dort kann man eine Textprobe eingeben, und die Textprobe wird dann auf ihren Stil analysiert. Und - pfft! - kommt dann heraus, welchem großen oder kleineren deutschsprachigen Schriftsteller der Stil am ehesten entspricht.

Onkelchen hat da natürlich gleich zwei Textproben eingereicht, zum einen den Beitrag "Die vierte Walküre von links, bitte!" Und dies war das Ergebnis:


Nicht ganz schlecht, oder? Und dann hat er den Test wiederholt, nämlich mit dem Text zum Hunger-Games-Update. Und dieses wurde folgendermaßen bewertet:

Dafür muss man sich auch nicht schämen. Daher gilt jederzeit: Kurt Palfi bietet Stil und Qualität. Und das sagt auch die F.A.Z.!

Sonntag, 20. Mai 2012

Fish & Chips statt Münchner Weißwurst - und was das für die EM bedeutet

Tja, seit dem Champions League-Finale sind jetzt ein paar Stunden vergangen, das "Traumfinale dahoam" hat sich als Alptraum entpuppt und wir sind hier alle ziemlich ratlos. Grund genug, das Ganze mal mit Onkelchen zu diskutieren. Onkelchen, hast Du dieses Ergebnis erwartet?

Im Leben nicht. Wie so viele hatte ich eigentlich gedacht: Finale im eigenen Stadion, ein spielerisch eher limitierter Gegner - was sollte da schiefgehen? Aber als ich gestern früh ein Paket in die örtliche Postagentur brachte, sah ich dort einen Knirps in einem AS Rom-Trikot von Francesco Totti. Und da musste ich instinktiv an das 1984er-Finale des Europacups der Landesmeister denken. Damals empfing der AS Rom im römischen Olympiastadion den FC Liverpool, nach der Verlängerung stand es unentschieden, die Sache ging ins Elfmeterschießen, und Liverpool gewann schließlich. Bruce Grobbelaar im Tor des FC Liverpool machte sich damals unsterblich, weil er die römischen Elfmeterschützen total entnervte, indem er immerzu Faxen machte. Der Gedanke daran ging mir dann den ganzen Tag nicht mehr aus dem Kopf. Und so ist es ja dann auch gekommen. Gut, Petr Cech im Tor des FC Chelsea hat keine Faxen gemacht, aber im entscheidenden Moment war er da! Sogar bei den Elfern, die trafen, hatte er die Hand dran oder zumindest die Ecke geahnt. Das war fast unheimlich. Petr Cech war ein ganz wichtiger Faktor beim Sieg des FC Chelsea.

Warum konnte der FC Bayern das Spiel nicht in der regulären Spielzeit oder doch in der Verlängerung entscheiden?

Carsten Jancker hat gestern im Vorfeld des Spiels etwas Wichtiges gesagt: Es kommt daran, den zu erwartende Ballbesitz in Torchancen umzumünzen. Das hat nicht oder zumindest nicht immer geklappt. das hat ganz klar damit zu tun, dass sich Chelsea ganz weit zurückgezogen hat und den Bayern praktisch das Feld überließ. Im Strafraum war dann alles vollgestellt. Und Mario Gomez hing drin wie eine Marionette, der man die Fäden abgeschnitten hat. Das war eines der Probleme: Gomez ist ein Stürmer, den man mit Zuspielen füttern muss. Es kam aber nicht viel zu ihm durch. Und bei den paar Chancen, die sich ihm boten, brachte er entweder den Ball nicht richtig unter Kontrolle oder irgendein Bein war dazwischen, das den Weg verstellte. Gomez hat für die Bayern in dieser Saison unglaublich viele wichtige Tore geschossen, aber ich frage mich, was passiert wäre, wenn an seiner Stelle Olic gespielt hätte, der auch ein paar Schritte mit dem Ball machen kann und eher der Typ des Strafraumwühlers ist.

Aber da gab es noch einige andere Probleme: Robbens verschossener Elfmeter in der Verlängerung, was wohl auch der Grund war, warum er zum Elfmeterschießen nicht antrat. Der Holländer entwickelte leider auch nie die Durchschlagskraft wie vor zwei Jahren bei der WM oder in dem legendären Viertelfinal-Rückspiel gegen Manchester United. Und dann befleißigten sich die Bayern leider einer beängstigenden Einfallslosigkeit bei Standardsituationen wie Ecken und Freistößen. Immer hoch rein - nie der Versuch, die Ecke auch mal kurz zu spielen. Ich habe auch vermisst, was Lahm im Halbfinalhinspiel gegen Madrid gemacht hat - nämlich bis fast zur Grundlinie durchzustoßen und dann quer zu Gomez zu spielen. Das führte ja dann zum entscheidenden Treffer. Robben und Lahm sind praktisch immer zum Strafraumeck eingebogen und haben dann meistens probiert, quer zu spielen. Da war dann halt immer volle Betriebsversammlung. Ribery hat es eher mal versucht, einen Pass in den Rücken der Abwehr anzusetzen. Auch Kroos konnte keine entscheidenden Akzente setzen. Und dann kommt Drogba einmal frei zum Kopfball und trifft..

Wo lagen denn die entscheidenden Probleme?

Ich glaube, das zentrale Problem war, dass Bayern mit Robben und Ribery starke Flügelleute hat, aber von den Flügeln ist das Tor eben ziemlich weit weg. Die Bälle in die Zentrale fanden meist nicht ihr Ziel. Und man muss auch respektieren, dass Chelsea, wie man so schön sagt, eine geschlossene Mannschaftsleistung geboten hat. Die haben abgewartet und das Maximale aus ihrer Chance gemacht. Das war ein Team, das wusste, dass sie nur noch diese einzige Möglichkeit haben, einen großen Titel zu holen. Es war ihre Zeit. Reife und Können waren bei Chelsea auf dem Höhepunkt. Letztlich waren sie abgezockter und sie hatten mit Petr Cech einen überragenden Torhüter.

Was bedeutet das jetzt für die EM?

Ich bin ja bekannt dafür, bei den Chancen der deutschen Elf eher negativ einzuschätzen. Manchmal sehe ich zu schwarz, aber diesmal kann man nicht schwarz genug sehen. Man muss sich das ja nur mal ansehen: Die halbe deutsche Nationalmannschaft war in dieses Spiel eingebunden - Neuer, Boateng, Lahm, Schweinsteiger, Kroos, Müller, Gomez. Kommt noch Badstuber hinzu, der gestern wegen einer Sperre nicht gespielt hat. Das Spiel war ungeheuer intensiv, alle (bis auf Badstuber) haben unglaublich viel Kraft gelassen, physisch wie mental. Die kommen nächste Woche übergangsfrei ins Trainingslager und müssen diese Niederlage erst noch aus dem System kriegen, um sich neu zu motivieren. Dann steht die schwerste Vorrundengruppe der EM an, vielleicht sogar der EM-Geschichte. Keine guten Aussichten. Ein Vorrunden-Aus ist eine realistische Option.

Das ist deine Standard-Prognose. Hast du nicht mehr zu bieten?

Naja, mich hat beeindruckt, dass Chelsea auf eine Weise gespielt und gewonnen hat, die man früher von deutschen Mannschaften kannte. Zweikampf- und kopfballstark, schnörkellos und schwer zu schlagen, immer gefährlich bei Ecken und Standardsituationen. Joachim Löw hat kürzlich in einem 11Freunde-Interview gesagt, es sei heute praktisch nicht mehr möglich, Titel zu gewinnen, ohne attraktiv zu spielen. Chelsea hat ihn widerlegt, aber so was von! Es kommt ja gerade auch im internationalen Fußball zu einer kleinen Renaissance der Manndeckung, für die Ästheten wie Löw offensichtlich ein "das geht ja gar nicht" übrig haben.

Ich bleibe bei meiner Prognose, dass man mit Löw als Trainer und mit seiner Philosophie der Schönspielerei maximal Halbfinalteilnahmen und zweite Plätze holen kann, aber keine Titel. Deutsche Mannschaften haben ja oft gerade deswegen Titel geholt, weil sie spielerisch stärkere und attraktiver spielende Teams neutralisiert haben - die WM 1974 und das Finale gegen die mit totalem Fußball auftretenden Niederländer war das beste Beispiel dafür. Natürlich ist es wichtig, Spielsituationen auf spielerische Weise lösen zu können. Aber ich sehe momentan im deutschen Kader keinen, der den Hammer auspacken kann, wenn man spielerisch nicht mehr weiter kommt. Auch in der 1972er-Mannschaft, die ja so oft als Vorbild herangezogen wird, stand ein Eisenfuß wie Horst-Dieter Höttges!

OK, du wirst jetzt sicher gleich sagen, dass Peter Neururer der Nachfolger von Löw werden sollte.

Ich habe keinen Grund, von dieser Meinung abzurücken. Neururer steht zum Beispiel im Ruf, exzessiv Standardsituationen und Ecken üben zu lassen. Da hatte unsere Nationalelf in letzter Zeit doch gewisse Defizite.

Noch was? Hat dich sonst noch was gestört?

Ich hab gestern natürlich auch auf Twitter die Kommentare zum Spiel verfolgt, wir leben ja im Zeitalter der sozialen Medien. Und dabei ist mir eines sauer aufgestoßen - und ich muss betonen, dass ich HSV-Fan bin, also mit den Bayern nicht unbedingt sympathisiere: Da hat eine junge Frau den FC Chelsea unterstützt - was an sich in Ordnung ist. Sie meinte, Chelsea hätte absolut verdient gewonnen. Man kann dieser Meinung sein, auch wenn ich sie nicht teile. Die Dame hat dann aber in einem späteren Tweet betont, dass sie natürlich die deutsche Nationalmannschaft unterstütze, wenn diese auflaufe.

Ja und?

Es sind doch dieselben Spieler! Wie gesagt: Neuer, Boateng, Lahm, Schweinsteiger, Kroos, Müller, Gomez plus Badstuber - das ist doch schon fast die komplette Nationalmannschaft. So richtig passt das nicht zusammen. Das ist kein Augenschmaus, sie an einem Tag leiden sehen zu wollen und an einem anderen Tag sollen die plötzlich gewinnen. Ziemlich schizophren.





Samstag, 5. Mai 2012

The Candice Night Palace Identification

Onkelchen hat die Gabe, seine Umwelt immer wieder zu verblüffen. Meistens wandelt er ja durch die Welt wie ein Vier- oder Achtkernprozessor im "Idle"-Modus. Die meisten Dinge, mit denen normale Menschen im Alltag zu tun haben, interessieren ihn gar nicht.

Dagegen beißt er sich manchmal an nachgerade abstrusen Problemen fest und gibt nicht eher Ruhe, bis er sie gelöst hat. Da ist er so wie die Charaktere Howard Wolowitz und Rajesh Koothrappali in der Folge "The Panty Piñata Polarization" der hier bereits mehrfach erwähnten und streckenweise sogar anbetungswürdigen TV-Serie "The Big Bang Theory".

In der Episode "The Panty Piñata Polarization", einem echten Meisterwerk der Hochkomik, geht es unter anderem darum, dass Howard und Rajesh herausfinden wollen, in welchem Haus im Großraum Los Angeles die Topmodel-Aspirantinnen der Show "America's next Topmodel" untergebracht sind. Dazu benutzen sie digitale Satellitenkarten und Google Street View. Howard leitet sogar eine unbemannte Aufklärungsdrohne des Pentagon um, um eine Luftbildaufnahme des Topmodel-Hauses zu bekommen.

Onkelchen hat vor kurzem etwas ganz Ähnliches angestellt. Nur ging es bei ihm nicht um schnöde Topmodels, sondern um ein Schloss, das in einem Musikvideo der bezaubernden Sängerin Candice Night vorkommt. Candice Night war auch mal Model, von da her ist eine gewisse Parallele der Handlung durchaus erkennbar.

Witzigerweise war Onkelchen vergangene Woche mit Tante Dilein abends im Theater (das Stück mit der Chorprobe). Und wie es manchmal so geht, hatten beide nach der Vorstellung noch Hunger. Nun gingen beide nicht in ein schickes Restaurant, sondern zu Burger King. Und wie es heute in Schnellrestauranrts so üblich ist, gab es dort Flachbildfernseher, die rauf und runter Musikvideos spielten.

In der Regel zeigen diese Musikvideos Teenie-Plastikpopsongs, bei denen verhungerte Sängerinnen klagende Weisen von sich geben (ein gutes Beispiel für das Genre ist Julia Sheers Coverversion von Taylor Swifts Lied "Safe & Sound"). Onkelchen war umso überraschter, als er mal auf den Bildschirm guckte und dabei Candice Night erspähte, die ein ebenso klagendes Lied von sich gab, in dem es laut Titel-Einblendung um irgendwelche schwarzen Rosen ging. Ein Großteil des Videos handelte davon, wie die auch nicht mehr ganz junge Dame versonnen und gedankenschwer eine Treppe herunterschreitet, an deren unterem Ende ein Mädel Geige spielt.



In einer Einstellung des Videos ist zudem ein Schloss zu sehen (so ungefähr bei 2:43), und Onkelchen hatte sofort den Geistesblitz, dass er dieses Schloss kannte, dass er dort schon mal gewesen war. Aber wo? Das Rätsel ließ ihn nicht los.

Zuhause schaute er sich das Video ein paarmal an. Er kramte in seinen Erinnerungen und stellte fest, dass es bei dem Schloss eine Greifvogelwarte oder so etwas Ähnliches gegeben hatte, wo Tante Dilein mit einer Geierfamilie Blutsbruderschaft geschlossen hatte. Den Rest konnte er sich dann ziemlich schnell ergoogeln. Es handelte sich um das Schloss Schillingsfürst in der Nähe von Rothenburg ob der Tauber. Befriedigt konnte er sich also zurücklehnen und sagen, dass er in "driving distance of the palace" lebt, in dem das Musikvideo von Candice Night geschossen wurde, naja, zumindest die Außenaufnahmen.

Was Onkelchen mit diesem nutzlosen Wissen anfangen wird, ist allerdings noch offen.

Sonntag, 29. April 2012

Warum ist das Licht gegeben dem Mühseligen? (Hiob 3,20 ff, auch Brahms)



Kultur und Onkelchen haben ungefähr soviel miteinander zu tun wie Kaviar und Zwetschgenmus: Man könnte sich zwar rein theoretisch ein Universum denken, in dem beides irgendwie miteinander zusammengeht, aber so recht vorstellen möchte man sich das nicht. Deswegen ist er nicht dort, wo Kultur stattfindet, und Kultur ist nicht dort, wo Onkelchen ist. Das ist so ein bisschen wie ein Paar, das sich geeinigt hat, einander aus dem Weg zu gehen und das sich auf diese Weise eigentlich ganz gut eingerichtet hat.
Nur heute nicht. Da musste Onkelchen doch tatsächlich ins Theater, weil Tante Dilein eine Dauerkarte für zwei für den Aalener Theaterring gekauft hat. Normalerweise geht sie da mit Freundinnen und Bekanntinnen hin und verbringt mit denen einfach einen schönen Abend unter Mädels. Onkelchen fehlt da nichts, denn er hat ja mich!
Aber zurück zum Theater. Auf dem Spielplan stand ein Stück namens "Chorprobe", und darunter kann man sich ja alles Mögliche vorstellen. Von einer absurden Komödie über ein scharf beobachtetes satirisches Stück bis hin zu einem Psychothriller. "Chorprobe" ist ein Platzhalter, der für alles Mögliche stehen kann. 
Was herauskam, war eine abgedrehte Komödie, die mit allen Klischees spielt, die jeder kennt, der schon mal in einem Chor mitgesungen hat oder auch nur eine Chorprobe miterlebt hat. Der zauselige Typ, der immer zu spät kommt und die Singstunde ständig unterbricht, weil er aufs Klo muss. Der geckenhafte Tenor, der sich stets in den Vordergrund spielt, ganz nach dem Motto: "Pavarotti ist tot, Carreras hat Fieber, Domingo ist in Rente, aber ich bin da!" (Tante Dilein kennt einen dieser Typen besser, als ihr lieb ist!) Die alte Jungfer, die den Dirigenten anhimmelt, aber in jeder Probe einpennt. Und die Sopranistin, die ständig strickt. Den Dirigenten, den die von Chor erzeugten Kakophonien an den Rand des Wahnsinns bringen und der stets mit dem Gedanken spielt, den Bettel endgültig hinzuschmeißen. Die Träume vom Durchbruch, einer Chorreise ins Ausland und einem Fernsehauftritt. Und absurde moderne Stücke à la "Hurz", im Stück beispielhaft dargeboten durch das Stück "Warum ist das Licht gegeben den Mühseligen" (eigentlich Hiob, aber auch Brahms). 
Insgesamt war es ein sehr vergnüglicher Abend, auch wenn das Stück anfangs etwas schwer aus den Startlöchern kam. Der einleitende Teil, bis schließlich alle Akteure auf der Bühne waren, geriet etwas langatmig. Und einige der Gags im einführenden Teil waren doch eher Rohrkrepierer. Wenn aber der Dirigent (er heißt mit bürgerlichem Namen Werner Weber, gespielt von Karl-Heinz Kraehkamp) gegen Ende des ersten Aktes allen Sangesfreunden einen Korken in den Mund steckt, um deren Artikulation zu verbessern, und der zauselige Typ seinen Korken zu verschlucken scheint, dann bekommt die Sache Fahrt. Und in den Zugaben wurde schließlich das ganze Repertiore des nur aus vier Personen bestehenden Chores dargeboten. Zum Piepen, oder auf Neudeutsch: Hilarious.
Ach ja, Kultur. Da tut sich einiges, man könnte fast von einer Kontinentalverschiebung sprechen. Onkelchen (wir kennen ihn ja als Schlockmeister) hat sich nun von seinem bereits an dieser Stelle vorgestellten Fantasy-Sujet abgewandt und schreibt jetzt an einem Science-Fiction-Roman. Onkel erklärt diesen Sinneswandel damit, dass er in seinem Buch (es trägt den Arbeitstitel AlienSeeker und wenn man ihm zuhört, ist es das nächste große Ding nach The Hunger Games, zu Deutsch Die Tribute von Panem) gern mal Wörter wie "rekompilieren" oder "dekompilieren" verwenden möchte.
Zudem hat er bereits einige Details für die Verfilmung festgelegt. Als Titelmusik hätte er gerne die Ouvertüre von Richard Wagners Walküre, und Regie soll bitte schön ein gewisser Herr Michael Vejar führen, der angeblich mal ein paar Babylon 5-Episoden inszeniert haben soll. Das Schrägste ist aber: Er hat vor kurzem die bisherige, noch etwas lückenhafte Fassung auf Tante Dileins Kindle geladen und sie hat es in einem Rutsch duchgelesen und fand es sogar gut! Und Tante Dilein läst sich nicht so leicht beeindrucken. Sollten Kaviar und Zwetschgenmus am Ende doch in irgendeinem Universum zusammengehen? 
Wir warten gespannt auf die Lösung dieses Rätsels.

Sonntag, 22. April 2012

Clasico 2012: War das das Ende der glorreichen Barca-Ära?

So richtig konnte ich es nicht glauben: Real Madrid hat es seit langer Zeit endlich wieder geschafft, den Erzrivalen aus Katalonien in dessen eigener Festung zu bezwingen. 1:2 hieß es gestern am Ende dieser neuesten Auflage des ewig jungen Klassikers. Dabei ist es noch nicht lange her, dass Barcelona die stolzen Madrilenen mit einer 5:0-Klatsche nach Hause geschickt hatte. Das war am 29. November 2010, es war Mourinhos erster Clasico als Trainer von Real, und ich erlebte das Spiel auf Teneriffa mit spanischem Originalkommentar.

Ich kann eine gewisse Freude über diesen Ausgang des Spiels nicht verhehlen. Gewiss ist Barcelona eine Traum-Mannschaft, die für kultivierten Fußball steht. Aber schon in einem früheren Blog-Beitrag habe ich meine Sympathie für Teams ausgedrückt, die das Zerstören kultivieren. Damals war es ja Inter Mailand, damals ebenfalls von Mourinho trainiert, die Barca aus der Champions League warfen. Inter hatte damals kräftig Beton angerührt.

Aber das Real Madrid von 2012 kann man nun wirklich nicht als klassische Betonmischer-Truppe bezeichnen. Ein rein defensiv eingestelltes Team schießt keine zwei Tore im Camp Nou. Es ist vielmehr so, dass Madrid den schnellen, überfallartigen Konter zur Perfektion entwickelt hat und damit nun auch - neben einer stabilen Verteidigung, die ja die Basis jeder erfolgreichen Mannschaft ist - ein Mittel gegen die vorher unbesiegbar scheinenden Ballzauberer Messi, Xavi und Iniesta gefunden zu haben scheint.

Es ist nicht so, dass damit der schöne Fußball gegen eine Holzhammer-Truppe unterlegen ist. Und es ist auch verfrüht, jetzt schon das Ende der Barcelona-Ära auszurufen. Denn auch wenn die spanische Meisterschaft entschieden zu sein scheint, kann Barca immer noch die Champions League gewinnen. Möglicherweise sogar wieder gegen Madrid, denn die müssen zuhause im Bernabeu-Stadion nur ein Tor gegen die Bayern aus München aufholen. Barca muss gegen Chelsea schon deren zwei schießen, und wenn Chelsea in Barcelona wieder nach der Devise "Grätscht um euer Leben" spielt, dürfte das eine frustrierende Angelegenheit für die im Vergleich zu Real nicht minder stolzen Katalanen werden.

Am Sieg von Real Madrid (und Chelseas Erfolg von letzter Woche) freut mich einfach, dass die manchmal außerirdisch wirkende Truppe von Trainer Guardiola nun mal ein bisschen Bodenkontakt bekommen hat. Denn es ist nicht alles Gold, was bei den Katalanen so glänzt. Da denke ich einerseits an Torwart Valdes (nicht umsonst wird Tim Wiese gerüchteweise gelegentlich auch mit Barcelona in Verbindung gebracht, obwohl ich es für wahrscheinlicher halte, dass er in die englische Premier League geht), vor allem aber daran, dass die Katalanen schon zum Flug ansetzen (zur Schutzschwalbe nämlich), sobald man sie nur böse anguckt. Und für versteckte Fouls sind sie sich nicht zu schade, fragen Sie mal Herrn Dani Alves. Das wirklich Schlimme ist aber, das die Schiris reihenweise auf diesen Zirkus hereinfallen. Nur eben letzte Woche der Herr aus München nicht, der das Spiel zwischen Chelsea und Barca gepfiffen hatte. Und Herr Undiano, der diesmal den Clasico geleitet hat, wohl auch nicht. Das österreichische Portal "Laola1.at" schrieb hellsichtig bereits im Vorfeld über ihn:

Die Real Federacion Espanola de Futbol (RFEF) tut gut daran, einen ihrer Top-Leute für diese Partie zu nominieren. Zu groß war die Brisanz in den letzten Aufeinandertreffen der Erzrivalen, zu schlecht der Ruf der Unparteiischen in dieser Saison.


Wobei wir uns an Herrn Undiano auch noch aus dem WM-Vorrundenspiel Deutschland gegen Serbien erinnern. Er war der Mann, der wenig nachvollziehbar Miroslav Klose vom Platz stellte. Aber er scheint mit seinen Aufgaben gewachsen zu sein. Insofern bleibt es dabei: Wir haben keinen grundlegenden Paradigmenwechsel im europäischen Fußball erlebt, aber ein bisschen verwundbarer ist Barcelona in der letzten Woche schon geworden. Das macht die ganze Sache spannender. Und was wäre Fußball, wenn man schon vorab wüsste, wie es ausgeht?

Donnerstag, 19. April 2012

Neues aus Panem - Das "Hunger Games"-Update

Es ist geschehen: Diese Woche habe ich mir den Film "The Hunger Games" in der englischen Originalversion angesehen. Es war schon ungewöhnlich, so viele Frauen im Kino zu sehen, die sich ein Splatter-Movie reinziehen. Hinter mir saßen zwei Amerikaner, die sich ständig über ihre körperlichen Übungen und ihren Fitnesszustand unterhielten. Zumindest bevor der Film anfing. Während des Films hatten sie dann die Güte, still zu sein.

Die Filmumsetzung war ziemlich packend. "Relentless" ist der richtige Ausdruck dafür. Der Film geht einem, ähnlich wie das Buch, ziemlich an die Nieren. Harter Stoff. Nur bin ich es langsam leid, wenn die Regisseure meinen, der Geschichte durch ständig wackelnde Kameraeinstellungen einen Pseudo-Dokumentationscharakter verleihen zu müssen. Das fiel mir besonders bei den Szenen im Distrikt 12 zu Beginn des Films auf. Vielleicht war der Kameramann aus dem Distrikt 12 ja vor Hunger so geschwächt, dass er die Kamera nicht richtig halten konnte.

Und dann diese Close-Ups. Jennifer Lawrence alias Katniss guckt wie eine waidwunde Pietà in die Kamera. Immer derselbe schockiert-verzweifelt-trotzige Blick. Die hoffnungsvolle Schauspielerin mag zwar für den Film auf Bäume geklettert sein und Bogenschießen gelernt haben, aber ihre Mimik in den ultranahen Close-Ups ist nicht gerade abwechslungsreich. Irgendjemand muss ihr spätestens bis zum nächsten Film verklickern, dass sie keine trauernde Muttergottes spielen soll, sondern eine Jeanne d'Arc. Das muss sie hinkriegen, sonst droht für den Nachfolgefilm "Catching Fire" die Goldene Himbeere. Unausweichlich.

Der Regisseur des ersten Teils hat ja bereits signalisiert, dass er für den zweiten Film nicht zur Verfügung steht. Angeblich sind zeitliche Probleme daran schuld. Aber ich befürchte, er hat das zweite Buch gelesen und gemerkt, dass man daraus leider nicht viel machen kann, weil es über weite Strecken leider nur eine schwache Reprise des ersten Teils ist.

Eine komische Note zum Schluss: Unmittelbar nach Beginn des Filmes singt Katniss ihrer kleinen Schwester ein Schlaflied, um sie zu beruhigen. Ich war in diesem Moment so sehr versucht, "Soft Kitty" zu singen. So ungefähr wie hier (ab 1:07):



Aber das hätte wohl keiner kapiert. Das Publikum hätte mich wahrscheinlich gelyncht, obwohl die beiden Amis, die hinter mir saßen, die Anspielung möglicherweise verstanden hätten. Es ist einfach ein Sakrileg,  Idole zu dekonstruieren. Dabei hätte ein kleiner befreiender, witziger Moment dem Film gutgetan, der ansonsten völlig humorfrei und ziemlich beklemmend war. Ein bisschen "Soft Kitty" hätte daher nicht geschadet.

Sonntag, 15. April 2012

Mist wurde schon vor dem Online-Zeitalter geschrieben


Onkelchen verehrt schon sehr lange den Herrn Peter Gabriel, einen Popbarden von seltener Güte. Wie sehr Onkelchen das Werk des Herrn Gabriel mag, kann man daraus ersehen, dass er böse wird, wenn ich über ihn lästere - bei allen anderen Sängern und Sängerinnen darf ich das. Onkelchen hat sogar Karten für ein Konzert mit Peter Gabriel erstanden, das Anfang Mai in München stattfindet. Und darauf freut er sich ganz offenbar sehr!

Interessant ist, dass Kulturredakteure mit Peter Gabriel so ziemlich ihre Schwierigkeiten haben. Das ist aber nicht erst seit dem Siegeszug des Internet der Fall. Heute ist das Motto ja meist: Egal, ob es stimmt, was im Artikel drinsteht, die Meldung muss raus, wir brauchen die Klicks! Wenn sich jemand dann über Unrichtigkeiten im Text beschwert und sich daraus eine Diskussion entspinnt, dann bringt das wieder Klicks! So ungefähr funktioniert heutzutage das Arbeitsethos im Online-Journalismus.

Aber auch 1987, also zu einem Zeitpunkt, als die Medien das Internet noch keineswegs zu fürchten brauchten, da es noch gar nicht existierte, wurde vor allem im Kulturressort gern mal ein bisschen geschlampt. Die pfeifeschmauchenden Feuilleton-Redakteure wurden von ihren damals im Teenager-Alter befindlichen Kindern zu Popkonzerten geschleppt, und um wenigstens die Karten umsonst zu kriegen, schrieb man halt eine Rezension - egal, ob die Fakten stimmten oder nicht.

Das ist sehr gut an dem oben abgebildeten Artikel zu ersehen, der 1987, also vor 25 Jahren, in der SÜDWEST PRESSE erschien. Der Artikel handelt von Peter Gabriel, der sich damals auf Konzertreise durch Deutschland befand. Und der Autor Heinz Koch erlegte gleich drei fette Böcke mit dem Beitrag:

 1. Auf dem Foto ist nicht Peter Gabriel, sondern Phil Collins abgebildet. Collins folgte Gabriel als Frontmann der Band "Genesis" nach.

 2. Im Text heißt es, Gabriel habe Genesis "so vor drei oder vier Jahren" verlassen. Mitnichten. Gabriel war laut Wikipedia bereits 1975 von Genesis weggegangen. Das war zum Zeitpunkt, als der Artikel erschien, bereits zwölf Jahre her. 

 3. Zum Schluss erklärt der Autor, er werde nie wieder an einem Mega-Konzert im Münchner Olympiastadion teilnehmen, "es sei denn, die Beatles kämen, mit John Lennon!" Lennon war zu diesem Zeitpunkt bereits sieben Jahre tot. Das scheint dem Autor entweder nicht bewusst gewesen zu sein oder er wollte damit unterstreichen, wie ausgeschlossen es aus seiner Sicht ist, dass er nochmal zu einem Konzert ins Oly geht. Selbst wenn man der zweiten Variante anhängt: Besonders intelligent ist der Schlusssatz gerade nicht.

Sonntag, 8. April 2012

"Die Tribute von Panem" - Analyse eines Hypes



Es wird wieder einmal Zeit für ein tiefschürfendes Zwiegespräch mit Onkelchen. Heute soll es zur Abwechslung mal nicht um Fußball gehen, sondern um im weitesten Sinne um Kultur. Wir wollen uns nämlich über den Blockbuster „Die Tribute von Panem“ (im Originaltitel „The Hunger Games“) unterhalten, der gerade alle Kinokassen sprengt. Und wir wollen gleich ins Thema einsteigen. Onkelchen, hast Du den Film schon gesehen? 


Abgesehen von ein paar Trailern im Internet habe ich vom Film bisher noch gar nichts gesehen. Mir ist allerdings vor ein paar Wochen auf dem Nachhauseweg ein riesiges Plakat aufgefallen, das auf den Film hinwies. Ich erinnere mich noch, dass ich mir dachte: „Die Tribute von Panem – was für ein behämmerter Titel.“ Da hatte ich noch keine Ahnung, dass das so eine Riesen-Nummer wird. Ich bin erst dann wieder auf den Film gestoßen, als ich – ich glaube, es war auf der Online-Seite der FAZ – eine sehr positive Besprechung des Films las. Erst dann wurde mir klar, dass die „Tribute“ zumindest als Jugendliteratur einen ganz ähnlichen Stellenwert wie die Twilight-Romane oder Harry Potter haben. Ich habe mir dann das erste Buch „The Hunger Games“ auf meinen Kindle geladen. Inzwischen habe ich alle drei Bände gelesen.

Erklär uns mal kurz: Worum geht es in der Trilogie?

Die Handlung, ganz kurz zusammengefasst: In der Zukunft existieren in Nordamerika die Staaten USA und Kanada nicht mehr. An ihre Stelle ist ein Staat namens Panem getreten. Deshalb auch der deutsche Name "Die Tribute von Panem". Panem wird von einem Hauptstadtbezirk, dem sogenannten Capitol, diktatorisch regiert. Der Rest von Panem sind 13 Distrikte. Diese Distrikte beliefern die dekadente Bevölkerung des Capitol mit allen möglichen Waren. Bis auf den Distrikt 13, der wurde während eines Aufstandes praktisch ausgerottet. In Erinnerung an diesen Aufstand müssen die 12 verbleibenden Distrikte jedes Jahr zwei Jugendliche - jeweils einen Jungen und ein Mädchen - als Tribute zu den sogenannten Hunger Games entsenden. Diese 24 werden dann in eine Arena gesperrt. Sie müssen sich dann gegenseitig eliminieren. Regeln gibt es nicht. Wer am Ende als einziger noch lebt, ist der Sieger beziehungsweise die Siegerin der Hunger Games. Das Ganze ist gleichzeitig eine gewaltige Fernsehshow. Alles, was in der Arena passiert, wird in jeden Winkel von Panem übertragen, und das Zusehen ist für alle Einwohner Pflicht. Die Geschichte wird aus Sicht von einem 16-jährigen Mädchen namens Katniss Everdeen erzählt, die aus dem Distrikt 12 stammt, der sehr arm ist. Distrikt 12 versorgt das Capitol mit Kohle. Als ihre kleine Schwester ausgelost wird, um als Tribut an den 74. Hunger Games teilzunehmen, meldet sich Katniss freiwillig als Tribut.

Was ist Dein Eindruck? Ist das nur wieder ein typischer Hype oder steckt mehr dahinter? 

Bis jetzt kann ich nur über die Bücher sprechen. Und da muss man auch unterschieden. Das erste Buch ist ungeheuer intensiv, man ist sofort drin in der Geschichte. Man muss auch sagen: Die Autorin Suzanne Collins ist eine ausgezeichnete Erzählerin, Man merkt das gerade auch, wenn man sie mit anderen Bestsellerautoren wie Dan Brown vergleicht. Es wird alles aus der Ich-Perspektive im Präsens erzählt, der Leser erlebt die Story wie einen Alptraum, der ihn fortreißt. Es gibt keine langatmigen Erläuterungen dazu, wie das Land Panem aus den Ruinen von Nordamerika entstanden ist, wie es dazu kam, dass die Hauptstadt die anderen Distrikte unterjocht hat. Das ist eine Stärke – man erfährt nur so viel, wie man gerade braucht, um der Geschichte folgen zu können. Es fühlt sich alles so an, als stecke man drin im Kopf von Katniss (der Heldin und Ich-Erzählerin der Geschichte), als erlebe man das hautnah. Das schafft eine unglaubliche Intensität und Unmittelbarkeit, alles ist sehr fokussiert. Für den Leser ist das alles sehr eindrucksvoll.

Das gilt aber nur für das erste Buch! Die Bände 2 und 3 sind deutlich schwächer. Das zweite Buch „Catching Fire“ ist im Wesentlichen eine Reprise des ersten: Da Katniss es in der ersten Runde geschafft hat, die Macher der grausamen Spiele zu überlisten, muss sie (zusammen mit ihrem Freund/Partner/Kamerad/Whatever Peeta) zurück in die Arena, weil das Regime glaubt, sie auf diese Weise unauffällig entsorgen zu können. Der zweite Band erreicht an keiner Stelle die Intensität des ersten, weil sich viele Dinge wiederholen, die man aus der ersten Runde kennt. Und das dritte Buch „Mockingjay“ ist nur noch wirr.

Warum? 

Es geht im dritten Band sehr stark um Politik, um die Revolution gegen das herrschende Regime. Katniss wird zur Symbolfigur des Widerstandes und führt in der zweiten Hälfte sogar eine Kommandoeinheit an, die sich ins Herz der tyrannischen Hauptstadt einschleicht, um den Diktator Präsident Snow zu töten. Am Ende erschießt sie mit ihrem Bogen aber die Präsidentin der Rebellen – und geht straffrei aus. Motivation und Logik sucht man im dritten Band nahezu vergeblich. Ich kann hier nur Sheldon Cooper zitieren: It fails as drama, science fiction and is hopelessly derivative. 


Das hat Sheldon Cooper aber nicht über “Mockingjay” gesagt. Sondern über Babylon 5.

In Bezug auf Babylon 5 kann ich ihm nicht zustimmen, aber wenn er es über „Mockingjay“ gesagt hätte, hätte er zweifellos recht.

Man geht ja davon aus, dass die Hunger Games nun im Film das nächste große Ding nach Harry Potter und Twilight werden. Wie würdest Du das sehen? 


Wie gesagt, ich kenne den Film – noch – nicht, aber nach allem, was man hört, ist es eine gute Umsetzung. Da die Buchvorlage im zweiten und dritten Teil zumindest nach meinem Dafürhalten stark abfällt, dürfte es aber eine ziemliche Herausforderung sein, aus dem Material überzeugende Filme zu machen. Der erste Teil hat einfach Momente, die beim Leser einen unglaublich starken Eindruck hinterlassen, so zum Beispiel Katniss‘ Entscheidung, anstelle ihrer kleinen Schwester Prim, die ja dafür ausgelost wurde, in die Arena zu gehen – und dabei mit hoher Wahrscheinlichkeit zu sterben.

Oder die ganze Strecke zwischen der Ankunft in der Hauptstadt und dem Moment, in dem die Hunger Games beginnen. Die Tribute – also die Jugendlichen, die für die tödlichen Spiele ausgelost wurden – werden für eine Parade und eine Fernsehshow herausgeputzt. Sie dürfen den Luxus der Hauptstadt genießen und wissen dabei zu jedem Zeitpunkt, dass sie eigentlich zum Morden verdammte Mordopfer sind, um Umberto Eco zu zitieren.

Das ist alles sehr beklemmend und geht dem Leser sehr lange nach. Oder die Stelle, an der Rue stirbt, mit der sich Katniss in der Arena verbündet hat. Gerade die letztgenannte Stelle hinterlässt einen viel stärkeren Eindruck als der Moment im dritten Band, bei dem Katniss‘ Schwester Prim ums Leben kommt. Da entgleist die Geschichte komplett, denn letztendlich wurde alles dadurch ausgelöst, dass Prim im ersten Band als Tribut für die Spiele ausgelost wurde. Prims Tod hinterlässt wie gesagt aber lange keinen so starken Eindruck wie der Tod von Rue.

Ich finde es auch blöd, dass Katniss im dritten Band ein extra Kostüm und ein spezielles Styling braucht, bevor sie in den Krieg gegen das Regime zieht. Da ist man fast versucht zu sagen: Typisch Mädchen!

Warum wird Hunger Games so gehypt? Das Medienecho ist ja gewaltig. 

Zunächst mal sicher deshalb, weil Katniss eine weibliche Heldin ist. Das gibt es nicht so oft, die Genres Science Fiction und Fantasy sind ja ziemlich männlich dominiert. Nein, Katniss ist ein starker weiblicher Charakter. Das wird von der Presse wohlwollend zur Kenntnis genommen. Katniss ist aber auch nicht übermäßig idealisiert – eigentlich trifft sie in der ganzen Geschichte nur eine einzige moralische Entscheidung, nämlich die, anstelle von Prim in die Arena zu gehen. Ansonsten sind ihre ganzen Handlungen vom Gedanken bestimmt, zu überleben. Sie ist insgesamt ziemlich opportunistisch. Sie hält sich zwar aus dem übelsten Gemetzel heraus. Aber nicht deshalb, weil sie nicht töten kann oder will, sondern weil sie sich realistischerweise bessere Chancen ausrechnet, indem sie sich bedeckt hält. Sie ist durchaus in der Lage, kaltblütig zu töten. Das sehen wir, wenn sie den Mörder von Rue umbringt.

Amüsant ist, dass wir in den „Hunger Games“ eine ironische Brechung beziehungsweise Umkehrung des literarischen Topos der „Damsel in Distress“ erleben. Katniss ist eine Überlebenskünstlerin, weil sie nach dem Tode ihres Vaters dafür sorgen musste, dass ihre Familie nicht verhungert. Deswegen ging sie auf die Jagd, erlegte Wild mit Pfeil und Bogen und ist somit eine mehr als kompetente Kämpferin. Peeta, der Bäckerjunge, zusammen mit ihr als Kandidat für den Sektor 12 ausgelost wurde, hat diese Fähigkeiten nicht – sie muss ihn sogar beschützen. Hier schützt also das Mädchen den Jungen, anders als es in der Genreliteratur üblich ist.

Viele wohlwollende Kritiker in den Zeitungen sehen in dem Film vor allem eine Mediensatire auf die allgegenwärtigen Casting- oder Reality-Shows wie das Dschungelcamp. Diese Sichtweise greift aber zu kurz. Ich finde es hochinteressant und bemerkenswert, dass eine – wohlgemerkt, amerikanische – Autorin das Thema der Ungleichheit thematisiert. Die materielle Not der Menschen im Distrikt 12, in dem Katniss lebt und aufwächst, ist gewollt. Das Regime der Hauptstadt, deren Bewohner in Saus und Braus leben, hat ein hohes Interesse daran, dass sich an den Verhältnissen nichts ändert. Das ist nicht so sehr eine Parabel auf irgendwelche totalitären Regimes der Vergangenheit, sondern auf den Kapitalismus der Gegenwart, in dem zum Beispiel internationale Konzerne in Chile Lachsfarmen anlegen, die die Lebensgrundlagen der örtlichen Fischer zerstören.

Es ist auch eine Kritik am Jugendkult und dem Schönheitswahn, denn die Bürger der Hauptstadt sind ganz verrückt danach, sich operativ verschönern zu lassen und den jeweils trendigen Look auszuprobieren. Sie sprechen auch total affektiert, ganz ähnlich wie die oberflächlichen„Valley Girls“ in Kalifornien. Katniss fragt sich an einer Stelle: „Why do the ends of their sentences go up as if they’re asking a question?” Das ist dem Soziolekt dieser “Valley Girls”, dem sogenannten Valspeak, abgelauscht (Angeblich soll auch George W. Bush sich dieser Inflektion, dem sogenanten High Rising Terminal, immer wieder bedient haben). Da steckt also ziemlich viel drin, aber unsere Journos können darin nur eine Mediensatire erkennen. Sie raffen halt nicht, dass sie selber damit gemeint sind. Aber ich bin skeptisch, dass sich das alles im Film transportieren lässt.

Die Buchvorlage hat dich also beeindruckt? 

Das erste Buch stellenweise ja. Wie gesagt, es gibt Momente, die einen nicht leicht loslassen. Aber es gibt auch Ungereimtheiten. Zum Beispiel ist immer wieder von den „Career Tributes“ die Rede. Das sind Jugendliche aus den wohlhabenderen Bezirken des Landes Panem, die ganz bewusst auf die Teilnahme an den Spielen hinarbeiten. Ich halte das für nicht sehr logisch. Plausibler wäre es doch, wenn Jugendliche aus den ärmeren Bezirken in den Spielen eine Karriereoption sähen. Gerade im Distrikt 12, wo Katniss und Prim aufwachsen, wo Hunger und Minenunglücke quasi an der Tagesordnung sind, haben die Menschen nichts zu verlieren. Dort müsste also die Motivation viel größer sein, an den Spielen teilzunehmen, als in den reicheren Distrikten. Katniss sagt an einer Stelle selbst sinngemäß, dass sie lieber durch eine Kugel sterben würde als zu verhungern. Gleichzeitig verachtet sie die Career Tributes. Da passt was nicht zusammen.

Und an einer anderen Stelle entgleist die Geschichte geradezu. Katniss ist verwundet und Thresh, der Junge aus Distrikt 11, hätte leichtes Spiel mit ihr. Er verschont sie aber, weil Katniss Threshs Kameradin Rue gerächt hat (Rue kam aus demselben Bezirk wie Thresh). Das ist völliger Stuss! Es ergäbe viel mehr Sinn, wenn Thresh Katniss einen schnellen, sanften Tod geben würde. Denn Katniss ist für ihn ja selbstverständlich nach wie vor eine Konkurrentin. So wie die Hunger Games konfiguriert sind, ist es eine Er-oder-ich-Situation. Denn nur der letzte, der übrig bleibt, darf überleben.

Auch die letztendliche Auflösung, in der Katniss und Peeta mit Selbstmord drohen, als beide als letzte übrig sind, kommt mir wenig glaubwürdig vor. Das ist sehr konstruiert und übermäßig dramatisch. Wahrscheinlich hätte es zum selben Ende geführt, wenn beide einfach ihre Waffen niedergelegt hätten, so nach dem Motto „Genug gemordet“. Eine Publikumsentscheidung per TED (grins) hätte dann schon dazu geführt, dass beide Hand in Hand aus der Arena wandeln dürfen. Der dramatischen Drohung, dass sich beide mit giftigen Beeren ins Jenseits befördern, hätte es also gar nicht bedurft. Außerdem traue ich es Katniss durchaus zu, dass sie mit halbgeöffnetem Auge rüberblinzelt und wartet, bis Peeta als erster in die tödlichen Beeren beißt. Sie muss ja nur einen Sekundenbruchteil abwarten. Und sie hätte gewonnen. Wie gesagt – Katniss ist eine ziemliche Opportunistin.

Schönen Dank, Onkelchen. Schaust Du dir den Film dann mal an? 

Ich weiß nicht. Ich empfand die Bücher als ziemlich deprimierend. Ob ich mir den Film dann auch antue, muss ich mir gut überlegen.

Sonntag, 1. April 2012

Wichtige und unwichtige Fragen von Medienmenschen

Medienmenschen stellen sich komische und oft sehr überflüssige Fragen. Ob das nun daran liegt, dass sie in den Medien zu tun haben oder daran, dass es einfach Menschen sind, vermag wahrscheinlich niemand so recht zu sagen. Als Beispiel möchte ich eine Filmkritik anführen, die vor kurzem in der New York Times erschienen ist. Darin ging es um den Film The Hunger Games, der unter dem Titel Die Tribute von Panem in Deutschland angelaufen ist und nach Meinung vieler Insider das nächste große Ding nach Harry Potter und den Vampir-Filmen der Twilight-Reihe sein wird. Die New York Times meinte nun, dass die Hauptdarstellerin Jennifer Lawrence zu gut genährt gewesen sei, um die Hauptrolle überzeugend spielen zu können (der Film heißt ja nicht ohne Grund The Hunger Games). Als ob das nicht unwichtig genug sei, meldeten sich nun Kritiker des Kritikers zu Wort. Diese Kritikerkritiker befürchteten, es würde Ernährungsstörungen wie Bulimie und Magersucht beim jugendlichen weiblichen Publikum Vorschub leisten, wenn man so sehr betone, dass Frau Lawrence nicht verhungert genug für die Hunger Games ausgesehen habe.

Jetzt kurz vor Ostern drängen ja glücklicherweise andere Themen in den Vordergrund als die fürchterlichen Kloppereien in den Hunger Games, bei denen es nur einen Überlebenden geben kann. Denn die Natur erwacht. Die Läden sind voll von Schoko-Ostereiern und Hasen. Und Onkelchen singt wieder aus voller Kehle seine Lieblingslieder (nein, keine Wagner-Arien, sondern Herzliebster Jesu, was hast Du verbrochen, Des Königs Fahne tritt hervor – letzteres mitunter auch im lateinischen Original Vexilla regis prodeunt und Beim letzten Abendmahle). Da Onkelchen nämlich lange Messdiener war und um die Osterzeit stets Großkampfzeit für die Ministranten war, kennt er diese Lieder natürlich auswendig. Und was ihm beim Singen an Innigkeit fehlt, macht er durch Lautstärke wett!

Früher gehörte es ja zum guten Ton der Sendeanstalten, in der Osterwoche und vor allem am Karfreitag Jesus-Filme zu zeigen. Besonders beliebt war da der Vierteiler Jesus von Nazareth von Franco Zeffirelli aus den siebziger Jahren, der sich besonders um Authentizität bemühte und viele Historienfilme nachhaltig beeinflusst hat – und, wenn auch sicher ungewollt, die Monty-Python-Parodie Das Leben des Brian. Als Onkelchen heute die ersten zwei DVDs der Jesus-Serie wieder mal angeguckt hat, kam er nicht umhin, an einigen Stellen Vergleiche zu dem Monty-Python-Film zu ziehen oder daraus zu zitieren, zum Beispiel den unsterblichen Satz „Er hat Jehova gesagt!“ oder auch „Folget der Flasche! Der heiligen Flasche von Jerusalem!“

Aber obwohl Onkelchen auch ein Medienmensch ist, hat er sich beim Wieder-Sehen des Jesus-Films eine Frage gestellt, die vermutlich sehr viel mehr Tiefgang hat als vieles, mit dem sich Medienleute so beschäftigen. Die Frage (naja, eigentlich waren es zwei) lautete: „Wie muss es gewesen sein, Jesus zu begegnen? Welchen Eindruck hat er auf die Menschen gemacht?“ Und auf die wirklich wichtigen Fragen gibt es keine einfachen Antworten.