Ich und die Meinen

Ich und die Meinen

Herzlich willkommen!

So, das bin ich! Ich bin Kurt Palfi. Ich habe mir gedacht, jetzt muss mal ein neues Foto her. Leider hat Onkelchen ein Nacktfoto von mir hochgeladen. Aber ich sehe doch noch recht proper aus!
Wir (das sind ich, mein missratener Sohn Gianni Dona und Onkelchen, der alles für uns tippt) lästern in diesem Blog über alles, was gerade anfällt: Fußball, Politik, Film und Fernsehen, alles Mögliche. Viel Spaß!

Donnerstag, 30. Dezember 2010

Der "Spiegel" hinkt wieder mal soo was von hinterher...

Die heutige Ausgabe von "Spiegel Online" geruht uns mitzuteilen, welche ehemals hippen Slang-Ausdrücke in 2011 nicht mehr als akzeptabel gelten. Dabei erwähnen die wackeren Online-Redakteure, dass der Spruch "Zack die Bohne" nun im kommenden Jahr wohl aufs Altenteil geschickt werden würde. Nur komisch: Diese Interjektion datiert zurück in die Achtziger und war damals Teil der angesagten Jugendsprache bei Schülern des Ellwanger Hariolf-Gymnasiums, die aus Pommertsweiler stammten. Bereits 1989 war er jedoch im Schwinden begriffen. Dass "Zack die Bohne" seither noch Teil irgendeines lokalen oder jugendspezifischen Soziolekts gewesen sein soll, erstaunt uns daher sehr! Hat irgendein Spiegel-Online-Redakteur etwa Beziehungen nach Pommertsweiler?

Mein Neujahrswunsch für 2011:
Dreht die "Frühaufdreher" ab!

Momentan ist ja die Zeit, in der sich die Menschen gute Vorsätze für das neue Jahr überlegen. Onkelchen möchte zum Beispiel endlich abnehmen (wie oft denn noch?), Tante Dilein mit dem Rauchen anfangen (nicht wirklich!) und so weiter. Ich finde aber, dass auch öffentliche Institutionen sich Gedanken um gute Vorsätze machen sollten, und einen guten Vorschlag habe ich hier schon mal an den Bayerischen Rundfunk: Schafft die unausstehlichen "Frühaufdreher" ab!

Kontext first: Bei den "Frühaufdrehern" handelt es sich (wie der Name schon andeutet) um das stets schrecklich gut aufgelegte Moderatorenteam der Morgensendung im Radioprogramm Bayern 3. Es sind drei an der Zahl, und schon diese Tatsache lässt an eine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme seitens der genannten öffentlich-rechtlichen Anstalt denken. Denn andernorts bestreitet bestenfalls ein Moderatorenduo die knochenharte Frühschicht (Onkelchen hat selbst mal die Frühschicht bei einem obskuren bayerischen Lokalsender-Konsortium in der Redaktion mitbestritten und weiß, dass das wirklich hart ist), aber die infernale Dreieinigkeit von Bayern 3 ist unseres Wissens ein Unikat im deutschen Äther.

Die Rollen sind in diesem dreifach besetzten Schauerstück klar verteilt: Bernhard Fleischmann gibt den oberbayerischen Lachbär und Bayernfan. Marcus Fahn hat zwar eigentlich das Zeug dazu, eine Sendung klar und schnörkellos zu moderieren, seine einzige Aufgabe scheint jedoch darin zu bestehen, darauf hinzuweisen, dass es neben den Bayern auch noch einen anderen Bundesligaklub im Sendegebiet gibt. Claudia Conrath last but least fällt die Rolle der tantigen Kindergärtnerin zu. Montags gehört es zu ihren Aufgaben, die Diskussion zwischen Clubfan Fahn und Bayernfan Fleischmann mit einem tantigen "Jungs, is' doch nur Fußball!" abzuwürgen. Da die Bundesligaergebnisse zu diesem Zeitpunkt meist ohnehin schon 36 Stunden alt sind und bereits eingehend im "Doppelpass" auf Sport1 besprochen wurden, lohnt das Nachkauen eh nicht, so dass man Frau Conrath für dieses Abkürzen eigentlich regelrecht dankbar sein sollte, wenn es nicht so derart humorlos dahergebracht würde. Allerdings scheint sich Frau Conrath dann und wann durchaus für den einen oder anderen Fußballer erwärmen zu können (z.B. Luca Toni), allerdings nur aus optischen Gründen, nicht wegen dessen spielerischen Qualitäten. Schlimm ist auch die aufgesetzte Betroffenheit der Frau Conrath, wenn sie wirklich mal im Radio etwas vermelden muss, das nicht ins Li-La-Launebär-Schema passt.

Onkelchen nimmt das inhaltsleere Geplapper der "Frühaufdreher" ja eh stoisch hin, wenn er zum Wochenanfang in den Job fährt und dabei Bayern 3 wegen der Verkehrsnachrichten hört. Kürzlich waren aber Onkelchen und Tante Dilein zusammen im Sendegebiet des BR unterwegs, da sie vom Nürnberger Flughafen in Richtung Süden fliegen wollten. Tante Dilein war geschockt ob des niveauarmen Gewinsels auf dem Sender, das obendrein noch lustig sein sollte.

Denn auffällig (und für eine öffentlich-rechtliche Anstalt letztlich beschämend) ist, dass die allermeisten inhaltlichen Beiträge letztlich von den Hörern kommen. Zum Beispiel der sogenannte Verhörhammer: Hörer mailen ins Studio, dass sie ein englisches Lied kennen, das eine Phrase enthält, die wie eine deutsche Textzeile klingt. Schickt kein Hörer einen Vorschlag ein, fällt der Verhörhammer aus (oder man behilft sich mit einem aus dem Archiv, der bereits in einer früheren Sendung lief). Ein weiteres Beispiel ist die Reihe "Unglaublich, aber wahr". Claudia stellt den beiden Jungs in oberlehrerhaftem Ton die Aufgabe, irgendjemand im Sendegebiet zu finden, der/die eine ganz merkwürdige Kombination von Eigenschaften besitzt - etwa einen Verwandten eines bekannten Hollywoodstars oder einen Menschen namens Boris Becker, der am Tag des ersten Wimbledonsieges des "echten" Boris Becker geboren sein soll. Nun schmeißen sich aber nicht die Moderatoren Marcus und Bernhard selbst ins Zeug, um diese Bekloppt-Recherche selbst anzustellen, sondern überlassen es den Hörern, wichtige sachdienliche Hinweise beizubringen. Aufschlussreich war auch die Reihe "Frühaufbläser", die es im zurückliegenden Herbst eine Zeitlang gab, in der Blaskapellen aktuelle Schlager anspielen durften. Auch diese Beiträge wurden ja letztlich vom Publikum "eingereicht". Interessant ist immerhin, dass viele sogenannte Hits eine schreckliche musikalische Eintönigkeit offenbaren, wenn sie von einer Blaskapelle intoniert werden. Manche Songs, etwa von Katy Perry oder Lady Gaga, zeigen ihre kompositorische Armseligkeit ja erst dann, wenn sie ihrer elektronischen Effekte entkleidet und auf Naturinstrumenten gespielt werden.

Gewürzt wird das Ganze noch mit schrecklich fader Comedy, die letztlich nur Altbekanntes wiederholt, nämlich dass Lothar Matthäus angeblich kein Englisch kann, Seehofer ein aufgeblasener Gschaftlhuber ist und Günther Beckstein eh nie was zu sagen hatte. Tut uns also einen Gefallen, liebe Senderverantwortliche des BR: Hinfort mit den Frühaufdrehern!

Montag, 13. Dezember 2010

Wie verpönt war Karl May?

Kurz vor Weihnachten ist ein Buchladen natürlich eine der unverzichtbaren Stationen beim Einkaufsbummel für das kommende Christfest. Und so begab sich auch Onkelchen mit seinem anvertrauten Weibe in die Stadt Aalen, um dort zu betrachten, welche Bücher ihren Lieben denn nun Freude machen würden.
Wie nicht anders zu erwarten, waren die Regale des Buchladens voll mit Vampirromanen für halbgare Teenager, mittelalterlichen Wanderhuren-Phantasien und Romanen über überspannte lebensuntüchtige Großstädter à la "Hummeldumm". Allesamt Bücher, deren Heizwert weit über ihrem literarischen Anspruch oder auch nur ihrem Unterhaltungswert liegt.
Onkelchen nutzt eine solche Gelegenheit ja gerne dazu, sich über den Verfall der Sitten zu ereifern. Und so fragte er an der Kasse, wo denn die guten alten Jugendbuch-Klassiker von Karl May oder "Tom Sawyer" von Mark Twain zu finden seien.
Die Frau an der Kasse, ohne Zweifel eine gebildete Händlerin, die die Vorlieben des heutigen Publikums sicher genau kennt, verwies darauf, dass eine Buchhandlung ja allein schon für Karl Mays gesammelte Werke ein Extra-Regal braucht.
"Das gab's früher in jeder Buchhandlung", entgegnete Onkelchen.
"Vor dem Krieg vielleicht", meinte die Buchhändlerin. "Heute liest das kein Mensch mehr."
"Vor dem Krieg war Karl May verpönt", gab Onkelchen zurück.
"War er nicht", entgegnete die Buchhändlerin.
"War er doch", blaffte Onkelchen zurück. "Oder warum glauben Sie, sind die Bücher erst in den sechziger Jahren verfilmt worden?"
Tante Dilein schlichtete die Auseinandersetzung, indem sie Onkelchen das Strickbuch von Magdalena Neuner (Deutschlands bestem Flintenweib) zeigte und die Frau an der Kasse meinte, das sei nun wirklich das ideale Geschenk für Männer.
Genau das ist das Problem, findet Onkelchen. Es geht nicht darum, ob Karl May nun in der Nazi-Zeit verpönt war oder nicht - das spielt letztlich keine Rolle. Es geht vielmehr darum, dass den Jungs immer mehr die Abenteuer verloren gehen. Jungs (oder Männer) dürfen keine Abenteuer mehr erleben oder auch einfach losziehen und Spaß haben. Bücher, in denen die guten Jungs sich an die Fersen der bösen Jungs heften und den bösen Jungs das Spiel verderben, sind out. Die Political Correctness verbietet das. Stattdessen sind die Buchhandlungen voll von Geschichten, in denen es Mädchen gegen alle widrigen Umstände ganz nach oben schaffen. Gegen solche Stoffe ist nichts zu sagen, es muss aber das Entsprechende für Jungs geben, Geschichten eben, mit denen sich Jungs identifizieren können.

Ich weiß also nicht, ob Karl May in der Nazi-Zeit verpönt war. Heute ist er es auf jeden Fall. Werde mal den "Schatz im Silbersee" wieder aus dem Regal holen. Gelesen habe ich ihn nämlich noch nicht...

Nachtrag: Dr. Peter Kruck, seines Zeichens Lektor und damit ohne Frage ein bibliophiler Mensch, hat jüngst bei seinem Auftritt bei "Wer wird Millionär?" den jungen Menschen die Lektüre von Karl May eindringlichst ans Herz gelegt. Das ist nur fair, denn dank Karl May konnte er die 125.000 Euro-Frage richtig beantworten. Gefragt war nach der Herkunft schratiger Romangestalten wie zum Beispiel "Tante Droll" - dieser kommt im "Schatz im Silbersee" vor. Alse, liebe Kinder und junge Menschen: Karl May lesen bildet! Es muss nicht immer das Tolkien- und Star Wars-Glump sein!

Stiefel sind Macht

Vor einigen Jahren hieß es "Die hat die Hosen an", wenn man sagen wollte, dass sich eine Frau nicht mehr mit ihrer überlieferten Rolle zufrieden gab. Heute passt das nicht mehr: Frauen sind (glücklicherweise) emanzipiert. Roger Cicero sang sogar sehr richtig "Frau'n regier'n die Welt", aber nicht alle tragen Hosen. Es gab sogar wieder eine Renaissance des Rockes. Das wahre Machtsymbol der Herrschaft der Frau über den Mann ist daher nicht mehr die Hose, sondern der Stiefel.
Stiefel sind ja grundsätzlich eine praktische Fußbekleidung, wenn man im Matsch oder im Stall herumlatschen muss. Man kann das Hosenbein in den Schaft stecken, so dass die Hose sauber und/oder trocken bleibt. Auch für Reitstiefel gibt es praktische Gründe, die sich mir als Nicht-Reiter allerdings verschließen. Ein Modeartikel waren sie allerdings bis weit ins 20. Jahrhundert hinein nicht.

Merkwürdig ist aber, dass Männer heutzutage im Alltag so gut wie nie hohe Stiefel tragen, Frauen dagegen schon. Und was für welche! Bei manchen Stiefelmodellen würde jeder Landsknecht aus dem 30jährigen Krieg geradezu neidisch. Siehe zum Beispiel hier:


Hohe Stiefel waren immer auch ein Machtsymbol. Ein frühes Beispiel dafür ist aus der römischen Geschichte überliefert. Julius Caesar war als Pontifex Maximus - also als römischer Oberpriester - dazu berechtigt, bei bestimmten religiösen Zeremonien die Tracht der Könige von Alba Longa anzuziehen. (Kurzer Einschub: Alba Longa war eine Stadt in Latium, die angeblich von Iulus, dem Sohn des Trojaners Aeneas, gegründet worden war. Aeneas wurde als Stammvater des römischen Volkes angesehen. Einschub Ende.) Zu diesem Outfit gehörten hohe rote Stiefel. Die normalen römischen Schuhe (auch die caligae, die Soldatenstiefel oder besser Kampfsandalen der Legionäre) reichten lediglich bis zum Knöchel, die Stiefel der Könige von Alba Longa dagegen bis zum Knie. In den letzten Monaten seines Lebens trug Caesar diese Stiefel täglich in der Öffentlichkeit. Dieser Modetick (die Romanautorin Colleen McCullough meint, Caesar habe die Stiefel wegen seiner Krampfadern getragen - Stützstrümpfe gab es ja noch nicht) war letztlich ein Grund für Caesars Ermordung! Denn einige der Senatoren meinten, Caesar wolle mit diesen Stiefeln seinen Anspruch auf den römischen Königstitel demonstrieren. Für die Römer war das ein Tabu - das Ergebnis ist bekannt.

Dass Stiefel über die Jahrhunderte ein Symbol für Macht und Stärke blieben, ist leicht einzusehen. Denn wer die Botten trug, saß meistens auf dem hohen Ross. Für Kaiser und Könige gab es sogar spezielle reich verzierte Krönungsstiefel. Dass heutzutage praktisch nur noch Frauen mit diesem Schuhtyp herumstiefeln (auf die sexuellen Konnotationen von Stiefeln als Fetischobjekt möchte ich hier nur am Rande eingehen - ist denn eine Domina ohne Stiefel überhaupt denkbar?), zeigt eindeutig, dass die Männer den Geschlechterkampf endgültig verloren haben. Caesar ist tot. Männer schlurfen, Frauen stiefeln.

Donnerstag, 9. Dezember 2010

Wie wehrt man sich gegen Wohltäter?

Nach dem etwas länglichen und wenig zielführenden Beitrag von Onkelchen über eine zu Recht schon fast vergessene Fernsehserie (keiner meiner Bekannten und auch keiner unserer Pfleger hat meines Wissens jemals regelmäßig "Lindenstraße" geguckt) bin nun ich, der Herr dieses Blogs, wieder an der Reihe und möchte mal wieder ungehemmt lästern.

Der Advent ist ja die Zeit, in der viele Menschen Weihnachtsstress haben. Ich als Elefant rätsele ja, warum das der Fall ist. Es geht letztlich ja darum, dass man über Weihnachten ein paar nette ruhige Tage verbringt. Warum man sich dann in der Zeit davor so abhetzt, geht mir nicht in meinen Kopf hinein. Und warum man dann auch noch teure Geschenke für all die mehr oder weniger Lieben kauft, die dann ein paar Tage später ohnehin in der Ecke landen, sehe ich auch nicht bein. Die besten, weil nachhaltigsten (da immer wieder gebrauchten) Weihnachtsgeschenke, können ja ohnehin unter dem Kürzel SOS zusammengefasst werden - aber nur wenn man Schwabe ist: Socka, Onderwäsch, Schloafanzug (alternativ auch: Socka, Onderhemd, Schlüpfer). Das braucht man nämlich täglich.

Ein weiteres Phänomen der Adventszeit ist, dass minder begabte Chöre, Flötenkreise und Kindergartengruppen in Altenheime und Seniorenresidenzen einfallen, um dort adventliche Stimmung zu verbreiten, in der törichten (weil oft irrigen) Annahme, den alten Menschen würde damit eine Freude bereitet. Dem ist mitnichten so. Derartige Auftritte sind zwar in der Regel gut gemeint - aber gut gemeint ist ja nicht erst seit gestern das Gegenteil von gut gemacht. Und alte Leute sind ja nun allein nicht deswegen weniger schutzbedürftig, weil sie alt sind. Vielleicht fallen ihnen schräge Töne nicht so sehr auf, wenn sie ohnehin schon ein Hörproblem haben. Aber damit sollte man nicht unbedingt rechnen: Onkelchens bester Freund arbeitet für einen der bedeutendsten Hörgerätehersteller, und ich darf sagen, dass diese kleinen Geräte inzwischen sehr leistungsfähig geworden sind! Aber sie haben den großen Vorteil, dass man sie abstellen kann, wenn das Gesinge und Gepfeife zu infernalisch wird.

Onkelchen ist Mitglied in einem solchen Chor, der am kommenden Wochenende das Altenheim St. Korbinian in Baldham bei Vaterstetten heimsuchen wird. Hiermit möchte ich alle Insassen des betreffenden Seniorenheimes vor dieser Invasion warnen! Alternativ empfehle ich Abwehrmaßnahmen, wie sie bereits das Seniorenstift am Höcklager Industrieweg in Stenkelfeld ergriffen hat. Wie sich die Senioren tapfer gegen die vorweihnachtlichen Krachmacher zur Wehr setzen, sehen Sie hier:

Mittwoch, 8. Dezember 2010

Ich habe nur einmal "Lindenstraße" geguckt

Es ist ja so eine Sache mit Jubiläen und Jahrestagen: Manche will man gar nicht wahrhaben ("Ist das wirklich schon so lange her?"). Das trifft vor allem auf diejenigen Jubiläen zu, an denen wir sehen, dass wir alle ein gutes Stück älter geworden sind. Ein Beispiel dafür ist der 20. Jahrestag der Wiedervereinigung, präziser gesagt des Beitritts der fünf neuen Bundesländer zur Bundesrepublik Deutschland. In dem aufregenden Jahr, das dem Jubeltag vorausging, wollten viele, mich eingeschlossen, nur zu gerne glauben, dass jetzt der Weltfrieden ausgebrochen sei. Und außerdem wurden wir kurz zuvor auch noch Fußball-Weltmeister. Vom Endspiel 1990 habe ich auch noch eine DVD, die ich mir manchmal angucke, wenn ich Zeit habe und allein bin.
Andere Jubiläen werden mehr oder weniger pflichtschuldigst registriert. So etwa der Kniefall von Willy Brandt vor 40 Jahren in Warschau. Das war eine wichtige und gute Geste, für die Willy allerdings damals auch sehr angefeindet wurde (unter Konservativen war es eine Zeit lang Mode, ihn als "Willy Weinbrand" zu bezeichnen). Das sind in der Regel die Jahrestage, die dazu dienen, unser staatsbürgerliches Koordinatensystem wieder angemessen einzunorden.
Zur dritten Gruppe der Jubiläen zählen jene, auf die man mit der fassungslosen Frage reagiert: "Gibt's den/die/das immer noch?". Und ein solches Jubiläum hat vor kurzem die Fernseh-Endlosserie "Lindenstraße" gefeiert - das 25., das will ich hier nicht verschweigen.
Die Welt, in der die Lindenstraße spielt, hat Max Goldt einmal als "Parallel-München jenseits der Zeitleiste" (oder so ähnlich) bezeichnet. Er war laut seinen Kolumnen eine Zeitlang wohl leidenschaftlicher Lindenstraße-Gucker, stieg dann aber aus, als die Katastrophen, die da jede Woche auf die Bewohner ebenjenes Parallel-Münchens einprasselten, nicht mehr zu ertragen waren. Es gab wohl kurz vor oder nach der Wiedervereinigung eine Folge, die komplett in der früheren DDR spielte, die Goldt, den wir hier wohl zu Recht als Arbiter Elegantiarum anführen dürfen, nicht goutierte. Ich musste mal vor ewigen Zeiten eine Lindenstraße-Folge gucken, weil ich mich damals um ein Volontariat beim WDR bewarb und eine der Aufgaben für die Bewerber darin bestand, die Folge 589 ("Reiner Wein") zu kommentieren. Da das mit dem Volontariat letzlich nicht klappte, darf ich die dafür aufgewendete Lebenszeit durchaus als verschwendet betrachten. "Reiner Wein" war also die erste und einzige Lindenstraße-Folge, die ich von Anfang bis Ende ohne Unterbrechung guckte. Seither nie wieder.
Man darf den Machern der Serie durchaus zugute halten, dass sie versucht haben, gesellschaftlich mehr oder weniger relevante Themen wie AIDS, gleichgeschlechtliche Liebe, Zuwanderung, Rechtsradikalismus und Ähnliches im Lindenstraße-Kosmos quasi wie in einem Brennspiegel in dramatischer Form aufzubereiten. Vielleicht ist ja der oder die eine oder andere dadurch zum Nachdenken gekommen ("Was wäre, wenn mein Sohn schwul wäre/AIDS hätte/in rechtsradikale Kreise abgleiten würde?"). Das Problem ist aber, dass Hans W. Geißendörfer und Konsorten bei alledem vergessen haben, interessante Geschichten zu erzählen. Das liegt auch daran, weil die Serie von Anfang an als Endlosserie konzipiert wurde. Jedes ordentliche Drama hat einen Anfang, eine Mitte und einen Schluss - und einen Spannungsbogen. Die Lindenstraße dagegen dümpelt und dümpelt und dümpelt. Es geht immer weiter ... und weiter ... und weiter. Alles dreht sich im Kreise. Immer dasselbe.
Eines will ich noch erzählen. Einmal war ich mit meiner Frau am Kölner Hauptbahnhof und dort erblickte sie einen Typen, der in der Lindenstraße einen Menschen namens "Hajo" spielte. Ich hätte Hajo nie erkannt. Ich sah ihm nach, wie er auf dem Bahnsteig stand und traurig und verloren vor sich hinguckte. Wenn man schon in einer Parallelwelt gefangen ist, so schien sein Blick sagen zu wollen, dann doch besser in einer, die ein bisschen Spaß macht.