Ich und die Meinen

Ich und die Meinen

Herzlich willkommen!

So, das bin ich! Ich bin Kurt Palfi. Ich habe mir gedacht, jetzt muss mal ein neues Foto her. Leider hat Onkelchen ein Nacktfoto von mir hochgeladen. Aber ich sehe doch noch recht proper aus!
Wir (das sind ich, mein missratener Sohn Gianni Dona und Onkelchen, der alles für uns tippt) lästern in diesem Blog über alles, was gerade anfällt: Fußball, Politik, Film und Fernsehen, alles Mögliche. Viel Spaß!

Freitag, 3. Januar 2014

Die Liebe in den Zeiten der Borgia


Erst einmal ein herzliches Hallo an alle Freunde. Und willkommen im neuen Jahr 2014! Möge es viele kuriose und schräge Dinge mit sich bringen, denn dann haben wir auch 2014 genug zum Schreiben und Lästern. Nach all den Katastrophen, die Onkelchen und Tante Dilein gegen Ende des alten Jahres heimsuchten, haben sich die Wogen in der Zwischenzeit ein wenig geglättet. Onkelchen hustet sich nach wie vor die Seele aus dem Leib. Gleichzeitig versucht er, im Internet und im Pschyrembel ein Heilmittel gegen Tante Dileins fortschreitende Lungengicht zu finden. Das wird leider dadurch etwas erschwert, dass der Begriff "Lungengicht" in der gesamten medizinischen Fachliteratur nicht bekannt ist. Deswegen verfällt er auf ungewöhnliche Heilmethoden (dazu später mehr), die Tante Dilein aber kategorisch ablehnt.

Im alten Jahr gab es noch ein bisschen Stress zwischen den beiden. Denn da sich beide ein und denselben Fernseher teilen, wird der Kampf um die Programmgestaltung schwierig. Während Tante Dilein Zoo- und Kochsendungen liebt, wollte Onkelchen mal ein paar DVDs einwerfen, um mit seiner ständig wachsenden Spielfilmsammlung Schritt halten zu können. Leider verfällt Onkelchen dabei immer auf Endlosserien wie das himmelweit überschätzte "Game of Thrones". Tante Dilein lehnt es ab, sich auch nur eine Folge dieser TV-Serie reinzupfeifen, weil die Serie ihrer Meinung nach blöd ist und die vielen verschlungenen Figuren und Handlungsstränge zu verwirrend sind, um dem Geschehen folgen zu können. Onkelchen hat natürlich alle verfügbaren Bände der Buchvorlage gelesen und ist so tief in der Materie drin, dass er die weit verzweigte Familiengeschichte der konkurrierenden Familien Stark und Lannister blind hersagen kann. Wenn man ihn fragt, kann er wahrscheinlich sogar die Abfolge der Targaryen-Könige seit ihrer Landnahme in King's Landing aufzählen. Und die merkwürdige Theologie in der Welt von "Game of Thrones" (z.B. alte Götter versus neue Götter) hat er auch zumindest soweit drauf, dass er ein Oberseminar zu diesem Thema halten könnte. Und als letztes Frühjahr die gesamte Fernsehöffentlichkeit der USA davon geschockt wurde, dass bei der Bluthochzeit - dem sogenannten Red Wedding -  der hoffnungsvolle Thronerbe Robb Stark samt Gemahlin von den rachsüchtigen Freys hingemeuchelt wurde, winkte er nur ab. Er hatte es bereits 13 Jahre zuvor in der Buchvorlage "Storm of Swords" gelesen. (SPOILER ALERT: Ihr wollt nicht wirklich wissen, was mit Jon Snow am Ende von "Dance with Dragons" passiert, hmmm? Und welches Ende der fiese Kindkönig Joffrey findet? Auch er wird eine Hochzeit nicht überleben, höhö...)

Halten wir also fest: "Game of Thrones" ist nicht nach Tante Dileins Geschmack. Grundsätzlich hat sie aber nichts gegen ein bisschen Mantel-und-Degen-Romantik, nur gut gemacht muss es sein. Also dachte Onkelchen, naja, vielleicht könnte er sie ja mit einem historischen Stoff begeistern, zumal er und Tante Dilein bereits an den Originalschauplätzen dieses spezifischen Historiendramas gewesen sind. Die Rede ist natürlich von den berüchtigten Borgias. Dieser spanisch-italienische Clan hat in den letzten Jahren eine unglaubliche mediale Aufmerksamkeit erfahren. Denn nicht nur eine, sondern gleich zwei konkurrierende TV-Serien über die Intrigen der Borgia wurden quasi zeitgleich produziert. Zum einen die amerikanische Produktion "Die Borgias" mit Jeremy Irons in der Rolle des Papstes Alexander VI. (aka Rodrigo Borgia, siehe Bild oben) und zum anderen eine europäische Serie namens "Borgia", in der der weniger bekannte Schauspieler John Doman die Rolle des berühmt-berüchtigten Papstes übernimmt.

Vor Onkelchens gestrengem Auge fand die amerikanische Variante des Borgia-Stoffes schon einmal keine Gnade, denn mit dem eher hageren Jeremy Irons wurde ein Schauspieler besetzt, der dem bekanntermaßen adipösen Papst Alexander VI. (siehe Bild oben) in keiner Weise ähnlich sieht. Onkelchen konnte sich davon im Juni letzten Jahres auf dem Flug nach Kalifornien überzeugen, denn das Bordunterhaltungssystem der Delta Airlines hatte unter anderem auch ein paar Folgen der "Borgias" vorrätig. Die europäische Produktion "Borgia" bemüht sich da - ich betone hier das Wort bemüht - um einen Tick mehr historische Authentizität. John Doman, obwohl ebenfalls Amerikaner, wirkt als Papst Alexander VI. zumindest optisch etwas glaubwürdiger als Jeremy Irons. Allerdings kommt er in den ersten Folgen der Serie fast schon zu lieb rüber. Und ob der Umbau der Peterskirche tatsächlich die Idee des Borgia-Papstes war (erst sein Erzfeind Giuliano della Rovere alias Julius II. wagte sich an das Monsterprojekt), wie die Serie suggeriert, findet nicht nur Onkelchen sehr zweifelhaft.

Da sich die europäische Serie um etwas mehr Authentizität bemüht (ich betone hier nochmals das Wort bemüht), sind die einzelnen Episoden zum Teil so trocken wie ein historisches Oberseminar (war ja auch zu erwarten, schließlich beteiligte sich das öffentlich-rechtliche ZDF an der Produktion). Zwar werden hin und wieder mal ein blanker Busen oder ein zünftiger Mord eingestreut. Doch diese "Schauwerte" sind so unmotiviert in die ansonsten praktisch nicht vorhandene Handlung eingebaut, dass man sich fragen muss, warum jetzt eine Figur hingerichtet, ermordet oder geschwängert wird.  Zudem wirft die Reihe bedenkliche Fragen auf: War der gefürchtete Cesare Borgia in seiner Frühphase wirklich so ein religiöser Eiferer, wie er in der Serie dargestellt wird? Und war Lucrezia Borgia, die femme fatale par excellence, wirklich so eine blöde Kuh? Während ihr Vater Rodrigo Borgia im Konklave zum Papst gewählt wird, liegt sie fieberkrank im Kloster Subiaco. Sie fiebert und ist ständig am Husten, was sie nicht dran hindert, ihre rotblonden Haare lasziv auf dem Krankenbett hin- und herzuwälzen. Glücklicherweise hat das Kloster ein untrügliches Heilmittel vorrätig. Dort wird nämlich die Kopfreliquie der heiligen Petronilla, die angeblich die Tochter des Apostels Petrus gewesen sein soll, aufbewahrt (ein Foto der bizarren Pseudo-Reliquie findet ihr hier). Was natürlich aus historischer Sicht vollkommener Humbug ist. Um nun Lucrezia genesen zu lassen, wird eines Morgens anstatt des Frühstücks die Kopfreliquie der Petronilla ins Krankenzimmer getragen, die die künftige Papsttochter nun küssen muss. Was Lucrezia Borgia auch tut. Das ganze führt zu einer bizarren Persönlichkeitsspaltung: Einerseits hält sich Lucrezia nun selbst für die heilige Petronilla, welche sich der Legende nach lieber köpfen ließ als ihre Jungfräulichkeit zu verlieren. Andererseits hält dies sie nicht davon ab, mit einem hübschen Herrn ein Schäferstündchen hinter Klostermauern abzuhalten. Unglaublich konsequent, nicht wahr?

Daraus kann man zweierlei schließen: Erst einmal ist die Kunst des Drehbuchschreibens ganz offenbar im Niedergang begriffen. Ist ja auch klar - wenn man einen Stoff wie "Borgia" verfilmt und Unsummen für Kostüme, Locations und Dekorationen ausgibt, kann man sich nicht auch noch um so etwas Banales wie einen stimmigen Plot kümmern. Dass es heutzutage mit der Drehbuchlogik nicht mehr weit her ist, sieht man ja auch bei jedem Tatort. Und zum zweiten: Tante Dilein wollte sich nicht von Onkelchen nach Rom karren lassen, um ihrerseits den Kopf der heiligen Petronilla zu küssen. Onkelchen weiß sogar ganz genau, wo der Kopf aufbewahrt wird. Aber Tante Dilein will nicht. Und sie will nicht. Und sie will nicht.

Deshalb muss Onkelchen seine Borgias jetzt ganz tief in der Nacht gucken, wenn Tante Dilein schon schläft.

PS: Wie in jeder Familie gab es sogar bei den Borgias ein schwarzes Schaf. Oder andersrum: Da es in der Borgia-Familie an schwarzen Schafen nur so wimmelt, überrascht es, zur Abwechslung mal ein weißes Schaf zu finden. Francisco Borgia (1510 - 1572), der Urenkel des berüchtigten Papstes, war zunächst Herzog von Gandia in Spanien und trat nach dem Tod seiner Gattin in den Jesuitenorden ein. Dort brachte er es durch Umsicht, Organisationstalent und Frömmigkeit bis zum Ordensgeneral. Anders als seine Vorfahren starb er im Ruf der Heiligkeit und wurde ungefähr hundert Jahre später sogar heiliggesprochen. Kurioserweise haben ich und Onkelchen das Gefühl, dass diesem Herrn in den "Borgia"-Serien keine einzige Sendeminute gewidmet werden wird. Warum eigentlich?

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