Hallo, Onkelchen. Es ist mal wieder Zeit für ein Interview.
Ach du meine Güte. Was willst du denn diesmal wissen?
Ach, da gibt es so einiges. Zum Beispiel, was die
Irland-Reise von Dir und Tante Dilein betrifft. Da gibt es noch ein paar
ungeklärte Fragen.
Welche denn?
Naja, lass uns mal mit deinem ersten Eintrag in dein
Reisetagebuch beginnen. Dort heißt es: „In der Cafeteria des James Pringle
Weaver Shops von Llanfairpwllgwyngyllgogerychwyrndrobwllllantysiliogogogoch arbeitet ein hübsches junges Mädchen
namens Paige.“
Na und? Ich dachte, das könnte ein guter Romananfang sein.
Dieser Satz ergibt keinen Sinn. Warst du high?
Ganz und gar nicht. Es ist alles so, wie es da steht. In Llanfairpwllgwyngyllgogerychwyrndrobwllllantysiliogogogoch (das ist ein Ort in Wales, den es wirklich gibt, siehe hier - wir haben auf dem Weg nach Irland dort Station gemacht) gibt es einen James Pringle Weavers Shop. Das ist so eine
Touristenfalle, wie es sie an manchen touristisch interessanten Punkten
Großbritanniens gibt. Man kann dort vor allem Wollklamotten, Strickpullover und
Socken kaufen, aber auch alle möglichen Arten von Reiseandenken. Sogar
Golfausrüstungen. Und dieser Shop hat eine Cafeteria, wo man zum Beispiel ganz
leckere Scones erstehen und Tee trinken kann. Und dort sah ich ein hübsches
Mädel, auf deren Namensschild der Name „Paige“ eingraviert war. Sie räumte
gerade die Tische ab und hatte ein nettes Lächeln.
Ooooh. Blond oder dunkel?
Dunkel. Ich nehme aber an, dass es eine Schülerin oder
Studentin war, die sich mit dem Job über die Ferienzeit ein bisschen Geld
hinzuverdiente. Deswegen kann es sein, dass du sie nicht triffst, wenn du
zufällig in Llanfairpwllgwyngyllgogerychwyrndrobwllllantysiliogogogoch vorbeischauen solltest.
Aha. Abgesehen davon war deine Irland-Reise also nicht sehr
erfreulich?
Warum das denn?
Weil das der einzige Eintrag in dein Reisetagebuch war.
Wahrscheinlich war ich nur zu faul, weitere Einträge zu
machen. Kennst mich doch.
In der Tat. Du hast mir relativ eindeutige Sachen über
andere Unannehmlichkeiten in Irland erzählt. Hohe Preise, mangelnder
Service – und wie war das mit dem Auftritt, den du da in Irland hattest? Tante
Dilein hatte sich darüber ausgelassen.
Oh, jetzt wird’s kompliziert.
Ich höre.
Zunächst mal glaube ich, dass diese Art der Reise – eine Gruppenreise
im Bus – vielleicht doch nicht ganz das Richtige für uns beide war: Wenn man
eigentlich Land und Leute kennenlernen will, ist es vielleicht nicht ganz das
Richtige, in Gegenden rumzukurven, in denen lauter Busse unterwegs sind, die
ebenfalls voller Deutscher sind. In so einer Gruppe muss man sich leider auch anpassen.
Und das ist für einen Menschen nicht ganz einfach, der einen 7,5 Tonnen schweren
asiatischen Elefantenbullen zum Freund hat. Aber einige Sachen stimmen
tatsächlich: An einigen touristischen Orten sind die Preise für ein Bier oder
für ein ganz simples Essen in einem ganz ordinären Pub wirklich absurd hoch. Und
irgendwann siehst du nur noch grün, als hätte man Dir einen Grünfilter vors
Gesicht geschoben. Last but not least stellt sich dann der Effekt ein, dass im
Reiseführer lauter Orte beschrieben sind, die um Längen interessanter sind als
das, was der Reiseleiter gerade erklärt. Die gesamte Reise litt an einem Zuviel
an grüner Landschaft und einem Zuwenig an interessanten Bauwerken und
archäologischen Stätten. Irland verhält sich in dieser Beziehung also genau
umgekehrt proportional zu Rom. Zumindest was unsere Reiseoute betraf.
Aha. Aber da gab es auch noch diesen Auftritt…
Ich rede nicht so gern darüber.
Ach bitte!
Na gut. Unser Reiseleiter Kurt D. hat mir da einen Streich
gespielt. Es war am dritten Tag nach unserer Ankunft in Irland, wir hatten
gerade den Giant’s Causeway hinter uns gebracht und zockelten an der
nordirischen Küste entlang in Richtung Londonderry. Der Reiseleiter hatte eine
CD mit irischen Folkballaden eingelegt. Das dritte Lied erkannte ich sofort, es
war „Fields of Athenry“. Und ich sang mit. Genauso wie ich im Auto immer singe.
Ja, ich weiß. Da zerspringt immer dein Autofenster.
Korrekt. Kurz darauf machten wir einen Toilettenstop, und
der Reiseleiter fragte mich, ob ich nicht vorher schon mal in Irland gewesen
sei. Was ich verneinte.
Ach was!
Auf jeden Fall fuhren wir dann nach Londonderry und dann
weiter nach Stranorlar in der Grafschaft Donegal, wo unser Hotel war. Ein
wirklich tolles Hotel namens „Kee’s“ übrigens. Die Zimmer waren zwar klein,
aber das Haus hatte Atmosphäre und die Leute dort waren wirklich nett. Nach dem
Abendessen hatte ich schon ein Bier intus und wir wackelten rüber an die Hotelbar,
wo für den Abend Irish Folk and Dance angekündigt war. Wir waren gespannt. Da
waren junge Mädels, die im Stil von Riverdance tanzten und ein Folk-Barde, der
auf der Gitarre irische Weisen sang. Alles wirklich ganz nett. Dann aber
unterbrach der besagte Folk-Barde seinen Vortrag und sagte sinngemäß, im Raum
befinde sich ein junger Freund aus Deutschland, der den Anwesenden doch
sicherlich das schöne Lied „Fields of Athenry“ vortragen würde.
Und dabei
zeigte er auf mich.
Ach du … ! Woher wusste er das denn?
Wie gesagt, der Reiseleiter hat mir da einen Streich
gespielt. Er hatte es dem Hotelbesitzer gesteckt. Ich weiß gar nicht mehr
genau, was ich in diesem Moment dachte. Ich muss total rot angelaufen sein. Und
natürlich kam ich aus dieser Nummer nicht mehr raus. Ich schlich also rüber,
dorthin, wo der weißhaarige Barde sein Mikro und seine Anlage aufgebaut hatte.
Ich war mir zuerst nicht sicher, ob ich überhaupt eine Liedzeile rauskriegen
würde. Aber irgendwie hielt ich mich am Mikrofon fest, der Barde begleitete
mich auf der Klampfe, und meine Knie zitterten.
Faszinierend.
Du darfst nicht vergessen, dass es für mich das erste Mal
war, dass ich überhaupt solo vor Publikum in ein Mikro sang. Bei der ersten
Strophe musste ich textlich noch ein bisschen schummeln, beim Refrain war ich
mir dagegen schon sicherer, da sangen schon alle mit! Und die zweite und dritte
Strophe kamen dann einfach Zeile für Zeile. Und am Ende muss es wohl ziemlich
gut gewesen sein. Die Dame an der Bar brachte mir hinterher sogar einen sehr
gut eingeschenkten Whisky von Leo (dem Hotelbesitzer) und sagte, es sei „very
good“ gewesen. Der Hotelbesitzer fragte mich am folgenden Abend, ob ich nicht
nochmal singen wollte.
Und hast du?
Nein. Weil – irgendwie war es schon toll, aber es wäre nicht
dasselbe gewesen.
Dir scheint aber dieser Irish Folk irgendwann mal etwas über
geworden zu sein.
Ja, das hat auch ein bisschen damit zu tun, dass man an fast
allen Touristenorten damit beschallt wird. Und auch wenn man Irish Folk generell
mag, gibt es halt Lieder, die einem besser und solche, die einem weniger gut
gefallen. Das ist bei jeder Art von Musik so.
Klar. Aber du bist mit Tante Dilein am letzten Abend in eine
Musikkneipe gezogen.
Ja, das war toll. Wir waren am letzten Tag noch einmal in
Dublin und obwohl wir wussten, dass wir am nächsten Morgen früh raus müssen,
sind Tante Dilein und ich mit dem Doppeldeckerbus in die Stadt gefahren. Das
Hotel lag ziemlich außerhalb, und da mussten wir erst mal nachfragen, wo wir
eine Bushaltestelle finden. Wir haben also das Abendessen ausgelassen und sind
reingefahren. Wir landeten im Temple Bar-Bezirk, dem Künstlerviertel von
Dublin, und Tante Dilein schleppte mich dann in eine Kneipe, aus der Musik kam,
die ihr gefiel. Es war ausgerechnet die Temple Bar, also der Laden, der dem
ganzen Viertel den Namen gegeben hatte. Und da waren also drei Jungs zugange,
die so klassische Popsongs drauf hatten. American Pie, Country Roads und solche
Sachen. Alles aber ein bisschen roh, mit zwei Gitarren und einer Geige. Und in
den Liedern, in denen keine Geige vorgesehen war, kümmerte sich der Geigenmann
um die Percussion, indem er auf die Kiste klopfte, auf der er saß!
Die Bude war voll, wir schoben uns Stückchen für Stückchen weiter rein, ich holte mir ein Kilkenny, Dilein trank ein Cider Shanty (auf Deutsch würde man wohl Apfelmost-Schorle sagen). Später orderten wir noch exzellente Thunfisch-Sandwiches. Als die Jungs aufgehört hatten zu spielen, gingen wir dann. Wir holten uns aber noch ein paar gefüllte Brötchen bei einem Argentinier, bevor wir zum Bus gingen und wieder zum Hotel rausfuhren.
Die Bude war voll, wir schoben uns Stückchen für Stückchen weiter rein, ich holte mir ein Kilkenny, Dilein trank ein Cider Shanty (auf Deutsch würde man wohl Apfelmost-Schorle sagen). Später orderten wir noch exzellente Thunfisch-Sandwiches. Als die Jungs aufgehört hatten zu spielen, gingen wir dann. Wir holten uns aber noch ein paar gefüllte Brötchen bei einem Argentinier, bevor wir zum Bus gingen und wieder zum Hotel rausfuhren.
Woher wusstest du, dass der Typ Argentinier war?
(grinst) Ich hab ihn gefragt. Ich hatte aber auch einen
Anhaltspunkt: Über seinen Kühlschrank hing unübersehbar eine argentinische
Flagge. Und auf der Flagge klebte ein Bild von „D10s“ Maradona. Das war also
nicht schwer zu raten.
Warum habe ich nur das Gefühl, dass es bei Dir immer um
Fußball geht?
Ja, warum nur?
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