Der gestrige erste Wahlgang hat ja noch kein Ergebnis gebracht…
Ja, aber das war auch keine Überraschung. Ein bisschen
überrascht war ich über das Ausmaß des schwarzen Rauches, der da aus dem
Schornstein der Sixtinischen Kapelle quoll. Ich denke, die Kardinäle überlassen
diesmal nichts dem Zufall und arbeiten mit Rauchkartuschen, damit das Ergebnis
eindeutig und für jeden nachvollziehbar ist. Ich hoffe, dass auch der weiße Rauch
so eindeutig sein wird, wie es gestern der schwarze war. Aber nochmal zum
ersten Wahlgang: Wenn man schon im ersten Wahlgang zu einem Ergebnis gekommen
wäre, dann hätte schon etwas ganz besonders Ungewöhnliches passieren müssen.
Das Einzige, was ich mir hätte vorstellen können, was zu so einem Ergebnis hätte
führen können, wäre eine Wiederwahl Benedikts gewesen. Du merkst an der Zahl
der Konjunktive im letzten Satz, dass das an der Grenze des Wahrscheinlichen gelegen
hätte.
Die Frage, die sich
jeder stellt, ist: Wie lange wird das Konklave dauern?
Andreas Englisch, der Papstbiograph und langjährige
Vatikankorrespondent, hat in einem Interview gesagt: Am Donnerstag werden wir
einen neuen Papst haben. Ich habe vorgestern gesagt: Spätestens am Freitag
werden wir Klarheit haben. Ich will aber nicht ausschließen, dass es schneller
gehen kann.
Also heute?
Ich will nichts
beschreien! Aber es gab in der Vergangenheit Papstwahlen, die eine merkwürdige
Eigendynamik entwickeln. Das erste Konklave des Jahres 1978 war ein solches. Ich
bin mir zwar nicht sicher, wie weit man den Aufzeichnungen von David A. Yallop
trauen kann, der in seinem Buch „Im Namen Gottes?“ eine Chronik des Konklaves
aufzeigt, in dem Albino Luciani zum Papst Johannes Paul I. gewählt wurde. Aber einige
Punkte darin scheinen mir plausibel zu sein. Erstmal ist es wichtig, dass ein
Kandidat mit einer Startrampe von zwanzig bis dreißig Stimmen ins Konklave geht.
Wenn das im ersten Wahlgang eines Konklaves der Fall ist, dann kommt es darauf
an, diese Basis im Laufe der Abstimmungen weiter auszubauen. Im Konklave wird
ja solange gewählt, bis es passt. Bis eine Zweidrittel-Mehrheit erreicht ist.
Dann darf man nicht vergessen, dass die Teilnehmer des Konklaves ja auch
gemeinsam zum Abend- und Mittagessen gehen oder fahren. Da tauscht man sich
aus, da werden Koalitionen geschmiedet. Da kann es aber auch sein, dass sich
die Fronten bilden: Nein, den nicht – den müssen wir verhindern. Bei Luciani
war es offenbar so, dass er auf relativ breite Unterstützung der italienischen
Kardinäle zählen konnte, die den konservativen Giuseppe Siri nicht wollten. Und
dann bekam das Ganze eine Eigendynamik, eine regelrechte Sogwirkung. Luciani wollte
sicher nicht Papst werden, er galt auch nicht als einer der Papabili der ersten
Reihe. Aber einige der italienischen und europäischen Kardinäle müssen dann,
als es in die letzten Abstimmungen ging, ebenso unauffällig wie effektiv für
ihn geworben haben. Luciani wusste nicht, wie ihm geschah. Wenn man den Berichten
Glauben schenken mag, soll er gestammelt haben „Möge der Herr euch verzeihen,
was ihr mir angetan habt“, bevor er die Wahl annahm. Benedikt XVI. ist es ganz
ähnlich ergangen, das Ergebnis kam so schnell und eindeutig, dass er sich nicht
wehren konnte.
Es gibt ja den Wunsch
nach einem Papst aus der Dritten Welt. Wie wahrscheinlich ist das?
Schwer zu sagen. 2005 hat es auch deshalb nicht geklappt,
weil es zu schnell ging, weil es mit
Ratzinger einen eindeutigen Favoriten gab
und weil die Kardinäle aus der sogenannten Dritten Welt sich nicht auf einen
gemeinsamen Kandidaten einigen konnten. Diesmal ist zwar das Konklave nach dem
Rücktritt Benedikts schneller zusammengetreten als 2005 nach dem Tod Johannes
Pauls, aber die Übergangszeit war länger, da Benedikt seine Abdankung bereits
am 11. Februar bekanntgegeben hatte. Das heißt, die Kardinäle aus der Dritten
Welt hätten länger Zeit gehabt, sich auf die Situation einzustellen. Ich bin
mir relativ sicher, dass unter den Wahlberechtigten aus Lateinamerika die
Drähte einigermaßen heiß gelaufen sind. Vorausgesetzt, sie finden einen
gemeinsamen Kandidaten. Das ist ja die Crux der Sache. Ich würde mal sagen: Je
länger das Konklave geht, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass wir
einen Papst aus der Dritten Welt sehen werden. Das muss aber nicht heißen, dass
es nicht schon heute klappen könnte.
Was sagt dein Gefühl?
Ganz schwierig. Ich denke, es ist irgendwie logisch, das
irgendwann ein Papst aus der sogenannten Dritten Welt kommen muss, weil dort
die Kirche wächst, während sie hier stagniert und schrumpft. Was ich nicht ganz
nachvollziehen kann, sind die Wünsche und Erwartungen, die hierzulande mit einem
Papst aus Lateinamerika, Afrika oder Lateinamerika verknüpft sind. Es gibt ja in
Deutschland bei diesem Konklave ganz offensichtlich den Wunsch nach einer Art
Neustart. Offen gestanden, sehe ich das nicht. Man muss bedenken: Die Kardinäle,
die hier abstimmen, sind allesamt von Johannes Paul II. und Benedikt XVI. in
ihre Positionen berufen worden. Da ist kein Dissident darunter, der eine völlig
neue Richtung einschlagen würde. Zumindest sehe ich keinen. Und gerade die
Vertreter aus Lateinamerika, Afrika und Asien sind in Bezug auf die Morallehre
tendenziell eher noch konservativer als die europäischen Kardinäle. Gerade in
Lateinamerika ist Opus Dei sehr stark. Ich kann mir vorstellen, dass ein Papst
aus der sogenannten Dritten Welt für interessante Impulse sorgen wird. Ob es aber
die sind, die sich die reformhungrigen Christen in Deutschland wünschen – zum
Beispiel Priesterehe, Frauenordination – darauf würde ich nicht wetten.
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