Nun ist Onkelchen endgültig hinter Klostermauern
angekommen. Bei einer geschäftlichen Reise, die ihn ins südliche Allgäu führte,
stieg er kürzlich nicht in einem gutbürgerlichen Gasthof ab, sondern mietete
sich in einem erzkatholischen Pilgerheim ein – auch um seinen Vorgesetzten zu
demonstrieren, wie sehr man Reise- und Übernachtungskosten drücken kann, wenn
man es denn nur will.
Dass dieser betreffende Pilgerort wegen des sehr
speziellen Publikums, das dort Rat und göttliche Hilfe sucht, ziemlich
berüchtigt ist, ficht ihn nicht an. Welches spezielle Publikum da ein- und
ausgeht, lässt sich am besten an einigen Produkten ersehen, die im dortigen
Pilgerladen erhältlich sind. Klar, es gibt dort die üblichen Devotionalien wie
Rosenkränze, Pilgermedaillons, Bibeln, Kommunionkerzen und allerhand
Traktätchen zu kaufen – aber es werden zum Beispiel auch (und keineswegs als
Bückware) die Memoiren des langjährigen vatikanischen Ober-Exorzisten
feilgeboten.
Gerüchteweise wurden die dort verzeichneten Techniken an jenem
Pilgerort bis vor ein paar Jahren ganz gerne mal auch praktisch angewendet. Ein paar Häuser neben dem
Pilgerzentrum hat zudem eine ganz erzkatholische Bruderschaft ihren Sitz, die
es sich nicht nehmen lässt, den Gottesdienst nach dem tridentinischen Ritus zu
feiern, also auf Latein. Onkelchen hat da nix gegen. Zum einen ist er schon
seit seiner ersten Begegnung mit Asterix ein echter Römer- und Latein-Freak und
zum anderen meint er, dass es manchmal ganz gut ist, wenn man nicht so genau
versteht, was der Pfarrer da so murmelt.
Das gilt vor allem für die
evangelische Pfarrerin, die seit neuestem für Onkelchens Heimatort zuständig
ist. Nun ja, die Dame kann ja nun nichts für ihre quäkige
Stimme, aber ihre Grundtechnik, bei ihrer Predigt ein Thema eigentlich schon
abgeschlossen zu haben und nach einer Kunstpause dann doch wieder neu
anzufangen, ohne jetzt aber einen fundamental neuen Aspekt an das theologische
Gebäude hinzuzufügen, das nervt Onkelchen doch ganz beträchtlich.
Manchmal
denkt er sich, die evangelische Form des Exorzismus bestehe im Großen und
Ganzen darin, den zu entfernenden Dämon solange zuzutexten, bis er das Weite sucht. Onkelchen
hat schon oft versucht, die sehr pietistisch und damit protestantisch geprägte
Tante Dilein zum Katholizismus zu bekehren, aber damit biss er bisher auf
Granit. Dafür rollt er ganz vernehmlich mit den Augen, wenn er aus Höflichkeit
zu Tante Dilein ausnahmsweise mal in einen evangelischen Gottesdienst geht und
die Pfarrerin mal wieder über Luther spricht.
Denn Luther war aus Onkelchens
Sicht kein Heiliger. Er hatte zwar mit einigen seiner 95 Thesen ganz recht, und
auch die Bibelübersetzung ins Deutsche war eine gute Leistung, aber danach
ging’s mit dem Herrn aus Wittenberg doch ganz erheblich bergab.
Dass Luther beispielsweise
während des Bauernkrieges mit der Obrigkeit paktierte, war definitiv kein
Ruhmesblatt. Und außerdem meint Onkelchen, habe die Una Sancta während des
tridentinischen Konzils die gröbsten Probleme repariert, die ihr Luther ins
Stammbuch geschrieben hatte. Wenn Onkelchen damit anfängt, beginnt Tante Dilein
ihrerseits ganz vernehmlich mit den Augen zu rollen. Eine Änderung dieses
Zustandes ist vorerst nicht zu erwarten.
Manchmal
hat Tante Dilein auch Lektorendienst. Dann bereitet sie sich ganz
sorgfältig auf die zu lesende Bibelstelle vor. Sie sucht am Vorabend in
verschiedenen Übersetzungen nach der sprachlich ansprechendsten Version
und druckt sich die Stelle dann auch noch extra aus, damit sie den Text
im Großdruck vor sich stehen hat und die Betonungen und Pausen eintragen
kann.
Neulich,
als Tante Dilein mal wieder Lektorendienst hatte und am Sonntagmorgen
ein bisschen länger im Bade verweilte, schnappte sich Onkelchen den am
Vorabend vorbereiteten Zettel und tauschte ihn gegen eine ganz
spezielle, nach seiner Art präparierte Variante aus. Dort, wo im
Original das Wort "Gott" stand, setzte er per Copy & Paste die
Wendung "DER GROSSE PALFI" ein. Damit wollte er mir wohl schmeicheln.
Der Zettel, den er seiner Frau unterschob, sah nunmehr so aus:
Als Tante Dilein aus dem Bad kam, ahnte sie nichts Böses. Sie hätte wohl ein bisschen misstrauisch werden sollen, da ihr Onkelchen sogar in den Mantel half! Glücklicherweise warf sie vor der Abfahrt noch einen Blick auf den Zettel und merkte dann, was Onkelchen ihr da untergeschoben hatte. Aber er hatte das Original natürlich noch greifbar. Sonst hätten die Evangelen über eine sehr ungewöhnliche Bibelstelle gestaunt!
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