Hallo, meine Lieben! Vielleicht fragt ihr euch ja, warum ihr schon einige Zeit nichts mehr von mir gehört habt. Tja, berechtigte Frage. In den letzten paar Wochen ist eine ganze Menge passiert, was dazu geführt hat, dass ich jetzt in einem zugigen Hotelzimmer in Moskau sitze und mir den Arsch abfriere. Ich werde nämlich politisch verfolgt! Ich bin im Besitz hochbrisanter Informationen, die einige Wände unseres Gemeinwesens zum Wackeln, ach, was sage ich, zum Einsturz bringen werden! Aber Gemach und alles der Reihe nach.
Vor ein paar Wochen war noch alles in Ordnung. Ich hatte gerade ausgiebig gefrühstückt und gebadet und Onkelchen bearbeitete meine Fußnägel mit der Flex. Das mag ich nämlich sehr, weil es so schön kitzelt. Plötzlich kam Tante Dilein ins Zimmer und sagte zu Onkelchen, die Versicherung hätte gezahlt (ihr erinnert euch an seinen kleinen Unfall, der uns bewog, über den Verkauf von Onkelchens Klapperkiste an Panagiota nachzudenken?) und er müsse nun endlich Geld holen. Onkelchen machte nur „Äh, ja“ und schrubbelte weiter mit der Flex über meine Fußnägel. Onkelchen mag seine Fehler haben, aber das schätze ich an ihm: Er fängt erst eine neue Aufgabe an, wenn er die vorhergehende beendet, abgeschlossen, besiegelt und archiviert hat. Mit derlei Bedächtigkeit geriet er an jenem unseligen Samstagvormittagn bei Tante Dilein aber an die Falsche. Sie gab ihm mit allem gebotenen Nachdruck zu verstehen, dass er *jetzt* und zwar *jetzt* Geld holen solle, denn sonst könne sie nichts mehr beim Metzger einkaufen, weil der nämlich sonst zumache.
Onkelchen fügte sich dem Furor. Ich, der ich nun meinem
samstagvormittäglichen Vergnügen enthoben war, dachte allerdings scharf nach.
Wie konnte es sein, dass Tante Dilein über Onkelchens Kontobewegungen besser
Bescheid wusste als Onkelchen selbst?
Ich begann also meine Lauscher und meinen Riecher in den
Wind zu halten und stellte dann entsetzt fest, dass Tante Dilein einen
Spionagerings leitet, gegen den die Leute von der NSA allesamt Waisenknaben
sind. Tante Dilein ist die Chefin einer Organisation namens DSA – das Kürzel
steht für „Dilein Spy Agency“ – die überall das Gras wachsen hört. Kein
Informationsfitzelchen ist vor ihrem Lauschprogramm namens BIG SPHERE sicher. Durch
ihre Funktionen in Gesangverein und Kirchengemeinde ist sie bestens vernetzt
und kriegt alles mit. Sogar Onkelchens mittlerweile 91-jährige Tante wird als
informelle Mitarbeiterin eingespannt, weil sie im Dorf die
Missionszeitschriften austrägt und deshalb alle und jeden kennt. Kein Wunder,
dass Tante Dilein da auch ganz genau weiß, wieviel auf Onkels Konto liegt!
Aber es kommt noch besser – oder schlimmer, je nachdem, wie
man es sehen will. Ich habe nämlich den Verdacht, dass Tante Dilein DIE
ZENTRALE ist.
Ich muss das erklären. Wer so Ende der neunziger Jahre im
Südwesten gelegentlich mal Radio hörte, könnte über eine Comedy-Reihe namens „Taxi
Scharia“ gestolpert sein. Bei der ging es um einen überspannten Yuppie namens
Osterwelle (!), der in das Taxi eines türkischen Taxifahrers namens Ützwurst
(!) einsteigt (Mann, dass das damals im öffentlich-rechtlichen Radio möglich
war!). Dieser Ützwurst hatte allerdings keine Lust, den Osterwelle an seinen
Bestimmungsort zu bringen, sondern weil er ein Fan von Elvis Presley war, fuhr
er stets ins schöne Memphis im US-Bundesstaat Tennessee (Ob sie den Atlantik
per Schiff oder auf dem Luftweg überquerten, blieb uns die Serie allerdings
jedesmal schuldig!).
Bevor Ützwurst allerdings den Motor seines altersschwachen
Mercedes 220 D anwarf, konferierte er häufig mit der Taxizentrale, kurz DIE
ZENTRALE. Das war eine Frauenstimme, die eine Mischung aus Enzyklopädie und
Navi war. Sie wusste alles (und zwar über jeden), wo er sich gerade aufhielt
und warum es zum Beispiel auch in der heutigen Türkei griechische
marmorgefasste Opferstätten gibt. Und entweder ist Tante Dilein DIE ZENTRALE
oder sie hat einen Weg gefunden, DIE ZENTRALE anzuzapfen und für ihre Zwecke
einzusetzen.
Ich wollte bereits die Kanzlerin vor dieser neuen
Gefahr warnen. Aber die hat nur abgewunken und gesagt, dass ihr DIE ZENTRALE
ein neues, garantiert abhörsicheres Handy zur Verfügung gestellt hat. Natürlich
ist dieses Handy abhörsicher. Ich bin mir sicher, dass Tante Dilein unsere
Kanzlerin abhört!
Glücklicherweise hat mich Onkelchen über Lindau – Leipzig –
Lemberg – Leningrad (das heißt zwar jetzt Sankt Petersburg, klingt aber so
besser) rausgeschleust. Und nu sitze ich in Moskau, friere mir den Arsch ab,
und warte, dass ich politisches Asyl bekomme. Der fette Franzose, der den
Obelix gespielt hat, ist mein Nachbar. Wenigstens jemand aus der gleichen
Gewichtsklasse!
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