Na Onkelchen, jetzt ist es ja eine Woche her, seitdem Papst
Benedikt XVI. seinen Rücktritt angekündigt hat. Wer wird denn sein Nachfolger?
Ich habe keine Ahnung.
Ach komm! Das glaube ich Dir nicht.
Doch! Ich bin wahnsinnig schlecht darin, Ergebnisse von Papstwahlen
vorherzusagen. Beim zweiten Konklave 1978, bei dem Karol Wojtyla gewählt wurde,
war mein Favorit Kardinal Pappalardo aus Palermo. Er galt damals als
Außenseiter, denn die Favoriten waren der liberale Kardinal Benelli aus Florenz
und Kardinal Siri aus Genua auf der konservativen Seite. Dass wenige Tage
später der Pole Wojtyla gewählt werden würde, konnte sich damals keiner
vorstellen, denn zu diesem Zeitpunkt waren seit 455 Jahren nur Italiener auf
den Stuhl Petri gewählt worden. Als ich damals mit meiner Mutter über meine
Präferenz sprach, meinte sie, Pappalardo sei zu jung – er war damals gerade 60
und so ziemlich der Benjamin unter den italienischen Kardinälen. Konnte ja
keiner ahnen, dass mit Wojtyla für Vatikan-Verhältnisse ein Jungspund mit 58
Jahren Papst werden würde! Nein, mit Wojtyla rechnete vor dem Konklave keiner.
Und wie war es 2005?
2005 war mein Favorit der Kardinal Maradiaga aus Tegucigalpa
in Honduras. Er war damals auch einer der jüngeren Kardinäle. Auch diesmal ist
er wieder dabei und mit 70 Jahren in einem durchaus wählbaren Alter.
Hast du 2005 gar nicht mit Ratzinger gerechnet?
Kardinal Ratzinger war 2005 der eindeutige Favorit. Ich habe
damals die Papabili-Listen mehrerer internationaler Medien miteinander
verglichen. Er war der einzige, der auf allen Listen stand. Aber zwei Dinge
sprachen aus meiner Sicht gegen ihn: Einmal das zu diesem Zeitpunkt schon
vorgerückte Alter – er war erst ein paar Tage vor dem Beginn des Konklaves 78
Jahre alt geworden – und das alte Sprichwort, dass wer als Papst ins Konklave
hineingeht, als Kardinal wieder herauskommt.
Ist das immer so?
Es kommt darauf an, wie man das Sprichwort versteht.
Tatsächlich sind bei den letzten sechs Papstwahlen dreimal die ganz großen
Favoriten gekürt worden – 1939 Eugenio Pacelli (Pius XII), 1963 Giovanni Battista
Montini (Paul VI) und eben 2005 Joseph Ratzinger. Das würde ja diese alte Regel
widerlegen. Aber man kann das Sprichwort eben auf zweierlei Weise
interpretieren. Einmal so, dass die Kardinäle, die als Favoriten gelten, eben
nicht Papst werden – oder in dem Sinne, dass sich Papabili, die sich schon im
Vorfeld wie der kommende Papst gebärden, eben als Kardinäle wieder aus dem
Konklave herauskommen.
Gibt es dafür Beispiele?
Ja. David A. Yallop, der in seinem Buch Im Namen Gottes? die Theorie formulierte, der 33-Tage-Papst
Johannes Paul I. sei ermordet worden, berichtet von einem Kardinal namens
Pignedoli, der sich nach dem Tod von Paul VI. schon wie der kommende Papst
aufgespielt haben soll. Es geht auch die Fama, dass ein afrikanischer Kardinal,
der 2005 zum erweiterten Favoritenkreis zählte, bereits vorher am Spiegel die
Gesten für den Segen Urbi et Orbi auf
der Loggia des Petersdoms eingeübt haben soll. So etwas kommt nicht gut an,
wenn es ruchbar wird.
Gut. Auf diese Mord-Hypothese würde ich nachher gerne
nochmal zu sprechen kommen. Aber gibt es denn irgendwelche Erfahrungswerte, an
die man sich halten kann? Was ist denn zum Beispiel mit dem Beginn des
Konklaves? Wann soll es denn stattfinden?
Das ist momentan noch eine ganz ungeklärte Frage. Bisher
gilt, dass zwischen dem Eintritt der Sedisvakanz und dem Beginn des Konklaves
zwischen 15 und 20 Tage liegen müssen. Das ist zum einen der Tatsache
geschuldet, dass die Kardinäle aus allen Teilen der Welt nach Rom anreisen
müssen. Aber es hat auch damit zu tun, dass bisher die Sedisvakanz nur durch
den Tod des alten Papstes eintrat. Deswegen wollte man natürlich eine
angemessene Trauerzeit einhalten, bis man zur Wahl eines Nachfolgers schritt.
Das ist ja diesmal gar nicht der Fall. Eine Trauerzeit ist gar nicht nötig,
zudem vergehen zwischen der Ankündigung des Rücktritts von Benedikt XVI. und
dem tatsächlichen Ende seiner Amtszeit auch noch einmal gute zwei Wochen. Das
heißt, die Kirche befindet sich gewissermaßen über fünf Wochen in einem
Schwebezustand, was natürlich nicht gut ist. Deswegen gibt es ja Bestrebungen,
das Konklave nicht erst am 15. März, sondern schon vorher zu eröffnen, Dazu
müsste Benedikt als noch amtierender Papst jedoch durch ein Dekret den Weg
freimachen und die Kardinäle müssten sich dann darauf verständigen, dass sie
auch zu einem vorgezogenen Termin mit dem Konklave beginnen. Das ist also nicht
ganz einfach. Das Kirchenrecht gibt zwar die allgemeinen Regeln vor, der Papst
kann jedoch – es gibt hierfür in der Kirchenjuristerei einen schönen Ausdruck,
nämlich pro hac vice, zu Deutsch: für
dieses eine Mal, für diesen speziellen Fall – eine Ausnahmeregelung festlegen.
Aber das wird sich in den nächsten Tagen zeigen.
Wo verlaufen denn im Kardinalskollegium die Bruchlinien?
Ich denke, da gibt es mehrere Fronten. Zum einen haben wir natürlich
den geographischen Aspekt - die europäischen Kardinäle versus die
Kirchenvertreter aus der Dritten Welt. Da gibt es natürlich noch einige
Varianten, denn die italienischen Kardinäle würden es sehr gerne sehen, dass
nach einem Polen und einem Deutschen wieder ein Italiener auf dem Stuhl Petri
Platz nimmt. Dann weiß man auch nicht, ob die Kardinäle aus der Dritten Welt so
etwas wie eine Allianz mit dem Ziel bilden können, einen der Ihren zu wählen.
Es ist ja durchaus denkbar, dass die Kardinäle aus Lateinamerika und aus Afrika
unterschiedliche Ansichten und Prioritäten haben. Dann ist natürlich offen,
welche Rolle die Vertreter aus Nordamerika spielen werden – halten sie eher zu
den Europäern oder würden sie einen Kandidaten der Dritten Welt unterstützen?
Und auch bei den Europäern ist nicht gesagt, dass sie eine einheitliche Agenda
haben. Ich kann es mir durchaus vorstellen, dass ein Afrikaner oder Lateinamerikaner
auch für den einen oder anderen Europäer wählbar wäre. Eine ganz wichtige
Bruchlinie verläuft außerdem zwischen den Vatikan-Insidern, also den
Kurienkardinälen, und den Erzbischöfen, die tatsächlich einer Diözese vorstehen
und als Seelsorger tätig sind. Ich würde mir auf jeden Fall einen Papst
wünschen, der tatsächlich ein gerüttelt Maß an pastoraler Erfahrung hat und
nicht nur die vatikanischen Korridore kennt. Ich hab‘ mal gesagt: Ich wünsche
mir einen Papst wie Don Camillo – also einen, der eine klare Linie vertritt, dabei
aber Mensch bleibt und für den die Nächstenliebe vor dem Dogma kommt.
Soll er auch zuhauen können wie Don Camillo?
Ich denke, er sollte eine gewisse Robustheit an den Tag legen.
Und er sollte nicht zu alt sein. In der Vergangenheit galt ja eine Spanne von
65 bis 70 Jahren als das ideale Alter für einen Papst. Wojtyla und Ratzinger
waren hier Ausnahmen – Pius XII, Paul VI und Johannes Paul I waren um die 65
Jahre alt, als sie jeweils zum Papst gewählt wurden.
Womit wir wieder bei der Mordtheorie wären, die den
überraschenden Tod von Johannes Paul I. im Jahr 1978 nach wie vor umgibt. Deine
Meinung?
In meiner Jugendzeit war ich davon überzeugt, dass Albino
Luciani alias Johannes Paul I. ermordet wurde. Heute denke ich nicht mehr so.
Und warum?
Luciani war zwar erst 65 Jahre alt, als er zum Papst gewählt
wurde – man könnte also sagen, im besten Alter – aber er war nicht gesund. Wenn
man das Buch von David A. Yallop, der die Mordhypothese formuliert hat,
aufmerksam liest, dann merkt man, dass er mit allen Mitteln herunterzuspielen
versucht, dass Albino Luciani eine sehr komplexe Krankengeschichte hatte. Er
war möglicherweise nicht lebensbedrohlich krank, als er ins Konklave ging, aber
er strotzte in keinster Weise so vor Gesundheit wie der polnische Naturbursche,
der nach ihm kam. Yallop versucht das ziemlich herunterzuspielen, aber es
gelingt ihm nicht. Zudem hat ihm ein anderer Journalistenkollege namens John
Cornwell später doch auch einige gravierende Recherchefehler und
Ungenauigkeiten nachgewiesen. Ich würde mal sagen: Luciani hätte zum Zeitpunkt
seiner Wahl viel besser daran getan, in eine Kur zu gehen, als Papst zu werden.
Dazu kommt, dass er sehr einsam war. Papst zu sein, ist ein sehr einsamer Job.
Und sein Vorgänger Paul VI. war gegen Ende seiner Amtszeit schon längere Zeit
krank gewesen, es hatten sich also viele unerledigte Dinge angehäuft. Und nun
sollte Johannes Paul I. plötzlich Dinge entscheiden, von denen er die Sachverhalte
gar nicht kennen konnte. Der Vatikan scheint auch damals kein Biotop gewesen zu
sein, in dem Vertrauen gedieh. Albino Luciani wird deshalb der Satz
zugeschrieben: „Zwei Dinge sind im Vatikan nur schwer zu bekommen: Ehrlichkeit
und eine gute Tasse Kaffee.“ Ich denke,
der Job als Papst hat Luciani umgebracht. Er war gesundheitlich angeschlagen
und kam dann in diesen Job und in dieses Umfeld hinein. Und das hat ihn
fertiggemacht.
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