Hallo Onkelchen. Vor vier Jahren hast
Du ja die US-Präsidentschaftswahl minutiös begleitet. Was hast Du
dir für diesmal ausgedacht?
Ich denke, wir werden uns in aller Ruhe
betrachten, was passiert. Vor vier Jahren hatte man ja das Gefühl,
dabei zu sein, während Geschichte geschrieben wird, wenn der erste
Afroamerikaner Präsident der USA wird. Dieses Mal ist die Euphorie
weitaus weniger stark ausgeprägt, viele Amerikaner machen Barack
Obama zumindest in Teilen für die schlechte wirtschaftliche Lage
verantwortlich, zudem herrscht große Sorge wegen der hohen
Staatsverschuldung. Viele befürchten, Obama stehe für „mehr
Staat“, und das in einem Land, in dem man den staatlichen Behörden
ja doch auch misstrauisch gegenübersteht. Ich habe mal gelesen, dass
man in den USA – anders als vielleicht hier in Europa – im Staat
nicht unbedingt die Lösung aller Probleme sieht, sondern davon
ausgeht, dass der Staatsapparat zumindest an einigen Stellen doch
auch Teil des Problems ist.
Anders als vor vier Jahren kann es auch
passieren, dass es erst ein Ergebnis gibt, wenn bei uns schon wieder
die Sonne aufgegangen ist – denn in einigen der entscheidenden
Staaten dürfte das Resultat ziemlich knapp ausfallen, und
dementsprechend lang muss man warten, bis sich ein klares Bild
ergibt.
OK. Gibt es denn einen Favoriten?
Wenn man sich die Umfragen der letzten
Wochen ansieht, ist Präsident Obama ganz leicht im Vorteil. Ich habe
hier eine Karte der USA, die von der US-Website Realclearpolitics
stammt und die aktuellen Umfrageergebnisse einbezieht. Diese Prognose
geht davon aus, dass das Team Obama bis auf Florida und North
Carolina in allen entscheidenden Staaten gewinnen kann. Dann könnte
Präsident Obama im Wahlmännerkollegium mit 303 Stimmen rechnen, und
das würde ihm locker reichen, denn die Mehrheit liegt bei 270
Stimmen.
Das sieht doch deutlich aus.
Auf den ersten Blick ja. Aber man darf
nicht vergessen, dass in einigen der sogenannten Swing States, die
also mal demokratisch, mal republikanisch wählen, die beiden
Kandidaten wirklich in ein Kopf-an-Kopf-Rennen verwickelt sind. Da
kann es sein, dass ein paar tausend Stimmen den Ausschlag geben. In
Bundesstaaten wie zum Beispiel Ohio liegen zum Beispiel Obama und
Romney so dicht beieinander, dass die Differenz bereits innerhalb der
statistischen Unschärfe liegt. Das heißt also, die Herausgeber der
Umfrage sagen deutlich, dass das reale Meinungsbild um bis zu drei
Prozent vom Umfrageergebnis abweichen kann. Die Zahlen für Obama und
Romney liegen dann aber weniger als diese drei Prozent auseinander.
Da kommt es dann zum Beispiel darauf an, ob man die Wahlbeteiligung
richtig voraussagt. Gehen etwa die Schwarzen in Scharen zur Wahl,
weil sie ihren Kandidaten Obama unterstützen wollen – oder sind
sie doch eher von ihm enttäuscht und bleiben zuhause? Solche Details
können in einem Swing State wie Florida oder Ohio den Ausschlag
geben. Und dann kann die Karte auch so aussehen...
Oh.
Ja, ich habe mal ein Szenario
entwickelt, bei dem Romney neben Florida auch Colorado, Ohio, Iowa,
Virginia und New Hampshire gewinnt. Das ist durchaus möglich, das
kann passieren, vielleicht mit etwas geringerer Wahrscheinlichkeit
als die Karte, die ich vorher gezeigt habe. Und in diesem Fall liegt
Romneys vorne und gewinnt die Präsidentschaft.
Es wird also spannend. Schönen Dank,
Onkelchen!
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