Wenn man sich einem Chor anschließt, dann erlebt man
allerlei interessante Dinge. Mal singt man Bach auf Speed, mal performt man moderne
klassische Musik, die so lächerlich kakophon ist, dass man sich manchmal
wünscht, irgendjemand aus dem Publikum würde einfach mal laut „Hurz!“ rufen.
Auch abgesehen davon können Chorproben sehr anregend sein. Man erfährt zum
Beispiel, dass in einem kleinen Dörflein namens Bachhagel ein Mädel von
geradezu lenameyerlandrutesker Grazie lebt, das auch noch mit einem
glockenhellen Sopranstimmchen gesegnet ist. Wir werden sie bestimmt bald in
einer der zahlreichen Casting-Shows wiedersehen, vielleicht holt die Blume aus
Bachhagel ja den nächsten Titel beim Eurovision Song Contest!
Seit nun Italien als Halbfinalgegner der deutschen Elf bei
der EM feststeht, ist es ausgemachte Sache, dass wir den EM-Titel erst nach dem
nächsten Sieg beim Song Contest erringen werden. Denn nie hat Deutschland gegen
Italien bisher bei einem großen Turnier gewonnen. Und diese EM scheint nicht
das Turnier zu sein, in dem langanhaltende Serien reißen – sonst hätte England
nicht schon wieder im Elfmeterschießen die Segel streichen müssen. Der erste
Turniersieg gegen Italien ist deshalb mit hoher Wahrscheinlichkeit noch nicht
bei der Euro 2012 fällig.
Das ist jetzt nicht die übliche Unkerei im Stile von
Onkelchens „Wir werden in der Vorrunde ausscheiden, uuuh – uuuh, das
Viertelfinale ist Endstation – uuuh, uuh“. Es ist vielmehr so, dass in der
Endphase wichtiger Turniere einfach gewisse Gesetzmäßigkeiten greifen. Zum Beispiel:
England verliert im Elfmeterschießen, und Deutschland unterliegt gegen Italien.
Aber ist das wirklich so? Betrachten wir Deutschlands bisher
nicht besonders ruhmvolle Tunierspielserie gegen Italien etwas näher, dann gibt
es durchaus einige Details, die zu Hoffnung Anlass geben. Denn so häufig sind
Deutschland und Italien bisher bei Turnieren nicht aufeinandergetroffen.
Mitunter war es sogar so, dass Italien gerade in den Turnieren sehr früh
ausschief, in denen Deutschland sehr weit gekommen ist. 1966 zum Beispiel –
damals erreichte Deutschland das Finale, und Italien flog gegen Nordkorea aus
der WM. Oder 1974, als Deutschland den Titel holte – damals flog Italien
bereits nach der Gruppenphase raus.
Apropos Gruppenphase: Egal ob EM oder WM, wenn Deutschland
und Italien in der Gruppenphase eines Turniers aufeinandertrafen, gab es immer
ein Unentschieden.
WM 1962: 0-0
WM 1978: 0-0 (Die 2. Finalrunde wurde 1978 im Gruppenmodus
ausgetragen)
EM 1988: 1-1
EM 1996: 0-0
Nur dreimal trafen die beiden Länder in der KO-Phase eines
Turniers aufeinander, nämlich bei den Weltmeisterschaften 1970, 1982 und 2006.
1970 und 2006 war es jeweils das Halbfinale, 1982 das Finale. Bei diesen drei Partien
zog jeweils Deutschland den Kürzeren, aber hier ist noch ein weiteres Detail zu
betrachten. Deutschland musste in allen drei Fällen im vorherigen Spiel in die
Verlängerung gehen, nämlich 1970 im WM-Viertelfinale gegen England, 1982 im
Halbfinale gegen Frankreich und 2006 im Viertelfinale gegen Argentinien. 1982
und 2006 musste Deutschland sogar ins Elfmeterschießen.
Das bedeutet: Die deutsche Elf hat zwar bisher nie in einem
Turnier gegen Italien gewinnen können, aber:
-
Die drei Niederlagen 1970, 1982 und 2006
ereigneten sich jeweils bei einer WM. Bei einer EM hat Italien dagegen noch nie
gegen Deutschland gewinnen können (Deutschland war bei einer EM allerdings auch
noch nie gegen Italien siegreich).
-
Den Niederlagen gegen Italien ging jeweils stets
ein Spiel voraus, in dem Deutschland in die Verlängerung gehen musste. Dies ist
diesmal nicht der Fall.
-
Bei den Niederlagen 1982 und 2006 griff eine weitere
seltene Gesetzmäßigkeit, die bis dato noch nicht intensiv erforscht wurde. 1982
und 2006 waren jeweils die ersten Weltmeisterschaften, die nach einer Papstwahl
stattfanden. Bei der Papstwahl 1978 wurde ein Pole gewählt, beim Konklave 2005
ein Deutscher. Italien gewann jeweils im Halbfinale gegen das Land des amtierenden
Papstes, und zwar jeweils mit 2-0 (1982 gegen Polen und 2006 gegen Deutschland).
Im Finale 1982 gewann dann Italien gegen das Land des kommenden Papstes.
Keiner dieser Begleitumstände trifft bei der Partie zwischen
Deutschland und Italien am Donnerstag in Warschau zu. Es gibt genug
statistische Anhaltspunkte, die darauf hindeuten, dass sich den bisherigen
Pflichtspiel-Niederlagen nicht unbedingt eine weitere hinzugesellen muss.
Schwer genug wird’s trotzdem.
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