Die hübsche dicke junge Frau mit dem Streuselkuchenkoffer
saß letzten Freitag morgens am Bahnsteig des S-Bahnhofes von Feldkirchen. In
dem Streuselkuchenkoffer, dessen Deckel transparent war, befand sich ein
flacher Streuselkuchen. Wahrscheinlich wollte die hübsche dicke junge Frau den
Kuchen ihren Kolleginnen und Kollegen im
Büro mitbringen. Denn dass die hübsche dicke junge Frau einen Bürojob hatte,
war evident: Ihre Fingernägel waren gepflegt, sie hatte blonde Strähnchen im
glatten schulterlangen Haar. Ein Job, bei dem man sich schmutzig macht, schied
also aus. Nach diesen Kriterien hätte sie könnte natürlich auch Friseurin
gewesen sein können, aber danach sah sie irgendwie nicht aus.
Manch einer könnte jetzt die Wortkombination hübsch, dick
und jung für anstößig halten. Denn ein ungeschriebenes Gesetz unserer
fitnessbesessenen Zeit lautet, dass eine dicke Frau nicht hübsch sein kann und
eine hübsche Frau nicht dick. Das stimmt aber nicht. Wir, das heißt: der
Elefant, der sich diese Zeilen ausdenkt und mein Onkelchen, der sie tippt,
halten diese Gleichung für falsch und töricht. Dicke Mädchen haben nämlich nicht nur schöne
Namen, sondern viele sind auch wirklich schön! Das bestätigte sogar kürzlich der
in Nürnberg geborene Modeschöpfer Stefan Eckert
gegenüber Spiegel Online. Er sagte wörtlich:
„Männer mögen keine dürren
Frauen. Definitiv. Männer lieben Frauen mit weiblichen Formen. Aber die Frauen
kapieren das nicht. Die denken: je dünner, desto besser.“
Der Rest des Interviews war ziemlicher geistiger Dünnpfiff
(vor allem der Teil, in dem es um das Dünn-Sein als Ausdruck einer politischen
Haltung ging), aber die oben genannten
Worte gehören in Marmor gemeißelt und über jedem Modehaus und jeder Boutique montiert.
Man sollte sie auf pausenlos auf die Info-Screens in den U-Bahn-Stationen
projizieren. Die von Feministinnen oft wiederholte These, an dem
Schlankheitswahn seien letztlich nur die Männer schuld, wird damit
eindrucksvoll widerlegt.
Vielleicht kannte unsere hübsche dicke junge Frau mit dem
Streuselkuchenkoffer diese Worte nicht, denn sie sah ein bisschen traurig aus,
als sie auf die S-Bahn wartete. Vielleicht mochte sie ihre Kolleginnen und
Kollegen nicht so gern, vielleicht stand ihr auch ein unangenehmes
Mitarbeitergespräch bevor, vor dem sie etwas Bammel hatte.
Warum aber erzählen Onkelchen und ich nun diese Geschichte?
Wir könnten ja nun einfach einen Schwank aus dem Leben von Onkelchen und Tante
Dilein erzählen. Aber Onkelchen hält „Die hübsche dicke junge Frau mit dem Streuselkuchenkoffer“
einfach für einen geilen Buch- oder Filmtitel. Die erste Hälfte klingt
nachgerade subversiv (dick und hübsch, das KANN doch nicht zusammengehen!) und
die zweite herrlich verschroben. Das hat ein bisschen was, als hätte man „Das
Mädchen mit den Schwefelhölzern“ und „Der Hundertjährige, der aus dem Fenster
stieg und verschwand“ miteinander verschraubt. „Die hübsche dicke junge Frau
mit dem Streuselkuchenkoffer“ könnte eine romantische Komödie sein, aber auch
ein Psychothriller, in dem ein Triebtäter die hübsche dicke junge Frau mit dem
Streuselkuchenkoffer verfolgt. Der Titel lässt das offen, und das ist gut!
An eine weitere persönliche Annäherung zwischen Onkelchen
und der hübschen dicken jungen Frau ist in keiner Weise zu denken. Erst einmal ist Onkelchen mit Tante Dilein sehr glücklich. Zweitens kann Onkelchen im nüchternen Zustand keine fremde Frau ansprechen. Deshalb kann er sich ja mit dem kleinen Inder Rajesh Koothrappali aus "The Big Bang Theory" so gut identifizieren. Und last but not least ist es einfach
nicht denkbar, dass jemand anders als Tante Dilein die umfangreichen
Persönlichkeits-Kompatibilitätstests bestehen könnte, die Onkelchen einer potenziellen Partnerin auferlegt. Als erstes müsste sie in der Lage sein, sechs Folgen von „The
Big Bang Theory“ in der Originalsprache anzugucken und an den richtigen Stellen
zu lachen. Als zweites müsste sie bereit und in der Lage sein, zusammen mit
Onkelchen die Stadt Rom in Länge mal Breite mal Höhe zu durchwandern und dabei
seine Vorträge zur römischen Geschichte zu ertragen. Als drittes müsste sie
zusammen mit Onkelchen für einen Tag Dinosaurier buddeln gehen und als Viertes
sollte sie nicht einschlafen, wenn Onkelchen bei einem Candlelight-Dinner beim
Italiener über Vierkernprozessoren doziert.
Der wichtigste Test ist aber der fünfte: Wenn Onkelchen sie
mir vorstellt, darf sie eines nicht tun: Sie darf nicht kreischen: „Oooh wie
süüüüß! Benjamin Blümchen!“
Wenn sie das tut – dann kriegt sie eins in die Fresse.
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